Zimmer, zwey artige Säle, ein Vorgemach, und drey Wohn Zimmer. Bey dem einen ist ein fei- nes Closet, aus dem man in den Garten siehet. Alles ist sehr artig meublirt.
Die letzten Mieths-Leute waren ein angesehener Geistlicher nebst seiner Frau und Tochter. Sie sind vor kurtzem ausgezogen, da der Geistliche eine ansehnliche Beförderung in Jrrland erhielt. Die Wirthin sagt: er habe zuerst nur auf ein Viertheil- Jahr gemiethet, allein es hätte ihm so wohl bey ihr gefallen, daß er zwey Jahr geblieben sey, und sie mit Betrübniß verlassen hätte, ob es gleich zu sei- nem Vortheil gereichete. Sie rühmete, alle ihre Mieths-Leute wären viermahl so lange bey ihr ge- blieben, als sie sich eingemiethet hätten.
Jch habe den seeligen Obristen gekannt: man hat ihn stets für einen braven Mann gehalten. Seine Witwe habe ich nie vorhin gesehen. Sie hat etwas allzu männliches an sich, wenn man sie das erstemahl siehet: als ich aber auf ihre Auffüh- rung gegen zwey artige Verwantinnen ihres seeligen Mannes merckte, die sie aus Liebe zu ihm zwie- fach die Jhrigen nannte, und hörte wie diese von ihr vergnügt waren; so glaubte ich, daß ihr gutes und vergnügtes Hertz sie so fett machte, weil ich selten gesehen habe, daß böse und zänckische Leute bey Fleische sind. Sie hat sonst einen guten Nah- men, und hilft sich wohl in der Welt fort.
Wenn eine von diesen Miethen der Gemahlin Eurer Hochwohlgeb. nicht völlig anständig ist, so
können
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Zimmer, zwey artige Saͤle, ein Vorgemach, und drey Wohn Zimmer. Bey dem einen iſt ein fei- nes Cloſet, aus dem man in den Garten ſiehet. Alles iſt ſehr artig meublirt.
Die letzten Mieths-Leute waren ein angeſehener Geiſtlicher nebſt ſeiner Frau und Tochter. Sie ſind vor kurtzem ausgezogen, da der Geiſtliche eine anſehnliche Befoͤrderung in Jrrland erhielt. Die Wirthin ſagt: er habe zuerſt nur auf ein Viertheil- Jahr gemiethet, allein es haͤtte ihm ſo wohl bey ihr gefallen, daß er zwey Jahr geblieben ſey, und ſie mit Betruͤbniß verlaſſen haͤtte, ob es gleich zu ſei- nem Vortheil gereichete. Sie ruͤhmete, alle ihre Mieths-Leute waͤren viermahl ſo lange bey ihr ge- blieben, als ſie ſich eingemiethet haͤtten.
Jch habe den ſeeligen Obriſten gekannt: man hat ihn ſtets fuͤr einen braven Mann gehalten. Seine Witwe habe ich nie vorhin geſehen. Sie hat etwas allzu maͤnnliches an ſich, wenn man ſie das erſtemahl ſiehet: als ich aber auf ihre Auffuͤh- rung gegen zwey artige Verwantinnen ihres ſeeligen Mannes merckte, die ſie aus Liebe zu ihm zwie- fach die Jhrigen nannte, und hoͤrte wie dieſe von ihr vergnuͤgt waren; ſo glaubte ich, daß ihr gutes und vergnuͤgtes Hertz ſie ſo fett machte, weil ich ſelten geſehen habe, daß boͤſe und zaͤnckiſche Leute bey Fleiſche ſind. Sie hat ſonſt einen guten Nah- men, und hilft ſich wohl in der Welt fort.
Wenn eine von dieſen Miethen der Gemahlin Eurer Hochwohlgeb. nicht voͤllig anſtaͤndig iſt, ſo
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Zimmer, zwey artige Saͤle, ein Vorgemach, und
drey Wohn Zimmer. Bey dem einen iſt ein fei-
nes Cloſet, aus dem man in den Garten ſiehet.
Alles iſt ſehr artig meublirt.
Die letzten Mieths-Leute waren ein angeſehener
Geiſtlicher nebſt ſeiner Frau und Tochter. Sie
ſind vor kurtzem ausgezogen, da der Geiſtliche eine
anſehnliche Befoͤrderung in Jrrland erhielt. Die
Wirthin ſagt: er habe zuerſt nur auf ein Viertheil-
Jahr gemiethet, allein es haͤtte ihm ſo wohl bey ihr
gefallen, daß er zwey Jahr geblieben ſey, und ſie
mit Betruͤbniß verlaſſen haͤtte, ob es gleich zu ſei-
nem Vortheil gereichete. Sie ruͤhmete, alle ihre
Mieths-Leute waͤren viermahl ſo lange bey ihr ge-
blieben, als ſie ſich eingemiethet haͤtten.
Jch habe den ſeeligen Obriſten gekannt: man
hat ihn ſtets fuͤr einen braven Mann gehalten.
Seine Witwe habe ich nie vorhin geſehen. Sie
hat etwas allzu maͤnnliches an ſich, wenn man ſie
das erſtemahl ſiehet: als ich aber auf ihre Auffuͤh-
rung gegen zwey artige Verwantinnen ihres ſeeligen
Mannes merckte, die ſie aus Liebe zu ihm zwie-
fach die Jhrigen nannte, und hoͤrte wie dieſe von
ihr vergnuͤgt waren; ſo glaubte ich, daß ihr gutes
und vergnuͤgtes Hertz ſie ſo fett machte, weil ich
ſelten geſehen habe, daß boͤſe und zaͤnckiſche Leute
bey Fleiſche ſind. Sie hat ſonſt einen guten Nah-
men, und hilft ſich wohl in der Welt fort.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/305>, abgerufen am 25.11.2024.
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