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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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ihnen gehen! (sagte ich, und suchte die Hand los-
zureissen).

Er brach mit einem verwilderten Blick und als
voller Verwunderung aus: o Gott! was höre
ich! Aber es ist keine Zeit, viel Worte zu machen.
Jch schwöre ihnen so hoch als ich kann: sie müs-
sen fliehen. Sie werden hoffentlich an meinem
Worte und Ehre nicht zweifeln, und nicht wollen,
daß ich an ihrem Worte zweifeln soll. Unterdes-
sen, daß er dieses sagte, entfernte er sich immer
weiter von der Thüre, und zog mich mit sich
fort.

Wenn sie mich lieb haben, Herr Lovelace,
so dringen sie nicht weiter in mich. Jch habe
meine Entschließung schon mitgebracht. Lassen sie
mich nur so viel los, daß ich ihnen den Brief ge-
ben kann, den ich geschrieben hatte: meine Ursa-
chen sollen sie hernach auch hören, und diese wer-
den sie überzeugen, daß ich unrecht daran thun
würde, jetzt zu fliehen.

Nichts nichts kann mich überzeugen, Fräulein.
So wahr Gott lebt, ich kann sie nicht verlassen.
Sie jetzt verlassen, und sie auf ewig verlohren ge-
ben ist einerley.

Soll ich gezwungen werden? (sagte ich mit
gleicher Heftigkeit und Ungeduld) lassen sie mir
die Hand los. Jch bin völlig entschlossen nicht mit
ihnen zu gehen; und ich will sie überzeugen, daß
es Unrecht seyn würde.

Alle meine Verwanten erwarten sie, meine
liebe Fräulein. Alle ihre Verwanten haben ih-

ren
A 5



ihnen gehen! (ſagte ich, und ſuchte die Hand los-
zureiſſen).

Er brach mit einem verwilderten Blick und als
voller Verwunderung aus: o Gott! was hoͤre
ich! Aber es iſt keine Zeit, viel Worte zu machen.
Jch ſchwoͤre ihnen ſo hoch als ich kann: ſie muͤſ-
ſen fliehen. Sie werden hoffentlich an meinem
Worte und Ehre nicht zweifeln, und nicht wollen,
daß ich an ihrem Worte zweifeln ſoll. Unterdeſ-
ſen, daß er dieſes ſagte, entfernte er ſich immer
weiter von der Thuͤre, und zog mich mit ſich
fort.

Wenn ſie mich lieb haben, Herr Lovelace,
ſo dringen ſie nicht weiter in mich. Jch habe
meine Entſchließung ſchon mitgebracht. Laſſen ſie
mich nur ſo viel los, daß ich ihnen den Brief ge-
ben kann, den ich geſchrieben hatte: meine Urſa-
chen ſollen ſie hernach auch hoͤren, und dieſe wer-
den ſie uͤberzeugen, daß ich unrecht daran thun
wuͤrde, jetzt zu fliehen.

Nichts nichts kann mich uͤberzeugen, Fraͤulein.
So wahr Gott lebt, ich kann ſie nicht verlaſſen.
Sie jetzt verlaſſen, und ſie auf ewig verlohren ge-
ben iſt einerley.

Soll ich gezwungen werden? (ſagte ich mit
gleicher Heftigkeit und Ungeduld) laſſen ſie mir
die Hand los. Jch bin voͤllig entſchloſſen nicht mit
ihnen zu gehen; und ich will ſie uͤberzeugen, daß
es Unrecht ſeyn wuͤrde.

Alle meine Verwanten erwarten ſie, meine
liebe Fraͤulein. Alle ihre Verwanten haben ih-

ren
A 5
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[9/0023] ihnen gehen! (ſagte ich, und ſuchte die Hand los- zureiſſen). Er brach mit einem verwilderten Blick und als voller Verwunderung aus: o Gott! was hoͤre ich! Aber es iſt keine Zeit, viel Worte zu machen. Jch ſchwoͤre ihnen ſo hoch als ich kann: ſie muͤſ- ſen fliehen. Sie werden hoffentlich an meinem Worte und Ehre nicht zweifeln, und nicht wollen, daß ich an ihrem Worte zweifeln ſoll. Unterdeſ- ſen, daß er dieſes ſagte, entfernte er ſich immer weiter von der Thuͤre, und zog mich mit ſich fort. Wenn ſie mich lieb haben, Herr Lovelace, ſo dringen ſie nicht weiter in mich. Jch habe meine Entſchließung ſchon mitgebracht. Laſſen ſie mich nur ſo viel los, daß ich ihnen den Brief ge- ben kann, den ich geſchrieben hatte: meine Urſa- chen ſollen ſie hernach auch hoͤren, und dieſe wer- den ſie uͤberzeugen, daß ich unrecht daran thun wuͤrde, jetzt zu fliehen. Nichts nichts kann mich uͤberzeugen, Fraͤulein. So wahr Gott lebt, ich kann ſie nicht verlaſſen. Sie jetzt verlaſſen, und ſie auf ewig verlohren ge- ben iſt einerley. Soll ich gezwungen werden? (ſagte ich mit gleicher Heftigkeit und Ungeduld) laſſen ſie mir die Hand los. Jch bin voͤllig entſchloſſen nicht mit ihnen zu gehen; und ich will ſie uͤberzeugen, daß es Unrecht ſeyn wuͤrde. Alle meine Verwanten erwarten ſie, meine liebe Fraͤulein. Alle ihre Verwanten haben ih- ren A 5

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/23>, abgerufen am 29.03.2024.