schon da. Sie haben mich durch ihre liebens- würdige Gütigkeit so verpflichtet, daß ich es Jh- nen nie in der That verdancken kann, und daß mir so gar die Worte fehlen Jhnen zu dancken.
Jch kam unterdessen, daß er mich mit sich fort- zog, wieder zu mir selbst, und sagte: o Herr Lo- velace, ich kann ohnmöglich mit ihnen gehen. Jch kann es wahrhaftig nicht thun. Jch habe es ihnen auch geschrieben. Lassen sie nur meine Hand los, so will ich ihnen den Brief zeigen. Er hat seit gestern Morgen bis vor einer halben Stunde da gelegen. Jch habe sie ja gebeten, bis auf die letzte Stunde zuzusehen, ob ich von neuen schrei- ben würde, weil ich vielleicht gezwungen werden könnte, meinen Vorsatz zu ändern: und sie wür- den meinen Brief gefunden haben, wenn sie ge- folget wären.
Er behielt fast keinen Athem mehr, und sagte: ich bin belauret worden. Auf alle meine Tritte und Schritte ist gelauret worden. Auch ist auf meinen Bedienten, auf den ich mich verlassen kann, seit Sonnabends, so genau Achtung gege- ben, daß er sich nicht unterstanden hat, sich ihrer Garten-Mauer zu nähern. Auch hier werden wir so gleich entdeckt werden. Eilen sie von hier, mein eintziges Vergnügen. Dis ist der Augenblick, in dem sie befreyet werden können: wenn sie den versäumen, so werden sie ihn niemahls wieder haben.
Was wollen Sie, Herr Lovelace? lassen Sie meine Hand los! Jch will eher sterben, als mit
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ſchon da. Sie haben mich durch ihre liebens- wuͤrdige Guͤtigkeit ſo verpflichtet, daß ich es Jh- nen nie in der That verdancken kann, und daß mir ſo gar die Worte fehlen Jhnen zu dancken.
Jch kam unterdeſſen, daß er mich mit ſich fort- zog, wieder zu mir ſelbſt, und ſagte: o Herr Lo- velace, ich kann ohnmoͤglich mit ihnen gehen. Jch kann es wahrhaftig nicht thun. Jch habe es ihnen auch geſchrieben. Laſſen ſie nur meine Hand los, ſo will ich ihnen den Brief zeigen. Er hat ſeit geſtern Morgen bis vor einer halben Stunde da gelegen. Jch habe ſie ja gebeten, bis auf die letzte Stunde zuzuſehen, ob ich von neuen ſchrei- ben wuͤrde, weil ich vielleicht gezwungen werden koͤnnte, meinen Vorſatz zu aͤndern: und ſie wuͤr- den meinen Brief gefunden haben, wenn ſie ge- folget waͤren.
Er behielt faſt keinen Athem mehr, und ſagte: ich bin belauret worden. Auf alle meine Tritte und Schritte iſt gelauret worden. Auch iſt auf meinen Bedienten, auf den ich mich verlaſſen kann, ſeit Sonnabends, ſo genau Achtung gege- ben, daß er ſich nicht unterſtanden hat, ſich ihrer Garten-Mauer zu naͤhern. Auch hier werden wir ſo gleich entdeckt werden. Eilen ſie von hier, mein eintziges Vergnuͤgen. Dis iſt der Augenblick, in dem ſie befreyet werden koͤnnen: wenn ſie den verſaͤumen, ſo werden ſie ihn niemahls wieder haben.
Was wollen Sie, Herr Lovelace? laſſen Sie meine Hand los! Jch will eher ſterben, als mit
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ſchon da. Sie haben mich durch ihre liebens-
wuͤrdige Guͤtigkeit ſo verpflichtet, daß ich es Jh-
nen nie in der That verdancken kann, und daß
mir ſo gar die Worte fehlen Jhnen zu dancken.
Jch kam unterdeſſen, daß er mich mit ſich fort-
zog, wieder zu mir ſelbſt, und ſagte: o Herr Lo-
velace, ich kann ohnmoͤglich mit ihnen gehen.
Jch kann es wahrhaftig nicht thun. Jch habe es
ihnen auch geſchrieben. Laſſen ſie nur meine Hand
los, ſo will ich ihnen den Brief zeigen. Er hat
ſeit geſtern Morgen bis vor einer halben Stunde
da gelegen. Jch habe ſie ja gebeten, bis auf die
letzte Stunde zuzuſehen, ob ich von neuen ſchrei-
ben wuͤrde, weil ich vielleicht gezwungen werden
koͤnnte, meinen Vorſatz zu aͤndern: und ſie wuͤr-
den meinen Brief gefunden haben, wenn ſie ge-
folget waͤren.
Er behielt faſt keinen Athem mehr, und ſagte:
ich bin belauret worden. Auf alle meine Tritte
und Schritte iſt gelauret worden. Auch iſt auf
meinen Bedienten, auf den ich mich verlaſſen
kann, ſeit Sonnabends, ſo genau Achtung gege-
ben, daß er ſich nicht unterſtanden hat, ſich ihrer
Garten-Mauer zu naͤhern. Auch hier werden wir
ſo gleich entdeckt werden. Eilen ſie von hier, mein
eintziges Vergnuͤgen. Dis iſt der Augenblick, in
dem ſie befreyet werden koͤnnen: wenn ſie den
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haben.
Was wollen Sie, Herr Lovelace? laſſen Sie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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