wenn ich nur in mittelmäßig-erträglichen Umstän- den seine Ankunft abwarten kann, so muß alsdenn alles leichter und glücklicher gehen, als vorhin zu erwarten war.
Wie soll ich aber meinen Freunden Vorschläge thun, wenn ich den Lovelace nicht bewegen kann, mich auf einige Zeit zu verlassen? wenn er mich aber verläßt, und sie sollten mich mit Gewalt wie- der in ihre Hände bekommen, würden nicht die allerhärtesten Zwangs-Mittel gegen mich gebraucht, und durch meine Flucht in den Augen der Welt ge- rechtfertiget werden? Sie meinen aber, daß mei- ne Freunde Gewalt gebrauchen würden, wenn die Furcht vor ihm sie nicht abhielte. So lange wir aber unverheyrathet, und dennoch beysammen sind, geben wir (wie Sie richtig bemercken) der Welt Gelegenheit zu lästern. Soll ich also um gleichsam die Ueberbleibsel meines guten Nahmens zu retten, auf die gnädigen Lippen dieses Menschen Acht ha- ben, wenn es ihnen belieben möchte, den Antrag von neuen zu thun?
Jch will Jhr Verlangen erfüllen, und Jhnen von allen dem, was zwischen uns vorgehet, Nach- richt geben. Bisher habe ich nichts in seiner Auf- führung bemerckt, darüber ich in einem hohen Grad misvergnügt seyn könnte. Allein ich glau- be doch nicht, daß seine Ehrerbietung gegen mich ungezwungen und eine Frucht seines Hertzens sey; ob ich gleich nicht eigentlich sagen kann, woran ich das Gegentheil mercke.
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wenn ich nur in mittelmaͤßig-ertraͤglichen Umſtaͤn- den ſeine Ankunft abwarten kann, ſo muß alsdenn alles leichter und gluͤcklicher gehen, als vorhin zu erwarten war.
Wie ſoll ich aber meinen Freunden Vorſchlaͤge thun, wenn ich den Lovelace nicht bewegen kann, mich auf einige Zeit zu verlaſſen? wenn er mich aber verlaͤßt, und ſie ſollten mich mit Gewalt wie- der in ihre Haͤnde bekommen, wuͤrden nicht die allerhaͤrteſten Zwangs-Mittel gegen mich gebraucht, und durch meine Flucht in den Augen der Welt ge- rechtfertiget werden? Sie meinen aber, daß mei- ne Freunde Gewalt gebrauchen wuͤrden, wenn die Furcht vor ihm ſie nicht abhielte. So lange wir aber unverheyrathet, und dennoch beyſammen ſind, geben wir (wie Sie richtig bemercken) der Welt Gelegenheit zu laͤſtern. Soll ich alſo um gleichſam die Ueberbleibſel meines guten Nahmens zu retten, auf die gnaͤdigen Lippen dieſes Menſchen Acht ha- ben, wenn es ihnen belieben moͤchte, den Antrag von neuen zu thun?
Jch will Jhr Verlangen erfuͤllen, und Jhnen von allen dem, was zwiſchen uns vorgehet, Nach- richt geben. Bisher habe ich nichts in ſeiner Auf- fuͤhrung bemerckt, daruͤber ich in einem hohen Grad misvergnuͤgt ſeyn koͤnnte. Allein ich glau- be doch nicht, daß ſeine Ehrerbietung gegen mich ungezwungen und eine Frucht ſeines Hertzens ſey; ob ich gleich nicht eigentlich ſagen kann, woran ich das Gegentheil mercke.
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wenn ich nur in mittelmaͤßig-ertraͤglichen Umſtaͤn-
den ſeine Ankunft abwarten kann, ſo muß alsdenn
alles leichter und gluͤcklicher gehen, als vorhin zu
erwarten war.
Wie ſoll ich aber meinen Freunden Vorſchlaͤge
thun, wenn ich den Lovelace nicht bewegen kann,
mich auf einige Zeit zu verlaſſen? wenn er mich
aber verlaͤßt, und ſie ſollten mich mit Gewalt wie-
der in ihre Haͤnde bekommen, wuͤrden nicht die
allerhaͤrteſten Zwangs-Mittel gegen mich gebraucht,
und durch meine Flucht in den Augen der Welt ge-
rechtfertiget werden? Sie meinen aber, daß mei-
ne Freunde Gewalt gebrauchen wuͤrden, wenn die
Furcht vor ihm ſie nicht abhielte. So lange wir
aber unverheyrathet, und dennoch beyſammen ſind,
geben wir (wie Sie richtig bemercken) der Welt
Gelegenheit zu laͤſtern. Soll ich alſo um gleichſam
die Ueberbleibſel meines guten Nahmens zu retten,
auf die gnaͤdigen Lippen dieſes Menſchen Acht ha-
ben, wenn es ihnen belieben moͤchte, den Antrag
von neuen zu thun?
Jch will Jhr Verlangen erfuͤllen, und Jhnen
von allen dem, was zwiſchen uns vorgehet, Nach-
richt geben. Bisher habe ich nichts in ſeiner Auf-
fuͤhrung bemerckt, daruͤber ich in einem hohen
Grad misvergnuͤgt ſeyn koͤnnte. Allein ich glau-
be doch nicht, daß ſeine Ehrerbietung gegen mich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/129>, abgerufen am 23.11.2024.
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