Sie dürfen sich nicht fürchten, mich zu befra- gen: ob ich bey Durchlesung Jhrer Erzählung einige Umstände finde, die Jhre Schuld verrin- gern. Jch habe Jhnen schon vorhin meine Mei- nung deshalb gesaget: und ich wiederhohle es noch mahls: in Betrachtung dessen, wie mit Jhnen umgegangen ist, und wie Sie fast gezwungen sind zu fliehen, halte ich sie völlig außer Schuld: zum wenigsten so sehr außer Schuld, als je ein Kind hat seyn können, das jemahls diesen Schritt gethan hat.
Allein Sie haben ihn nicht einmahl selbst ge- than. Sie wurden von der einen Seite fort ge- stoßen und gezwungen, und vielleicht von der an- dern Seite betrogen und hintergangen. Wenn irgend ein Frauenzimmer sich in Jhren Umstän- den so lange gegen seine Verfolger und Verführer wehret, als Sie: so will ich ihm gern alle Fehler vergeben.
Alle ihre Bekannten reden jetzt von nichts als von Jhnen. Einige gebrauchen zwar Jhre Vor- züge vor andern Frauens-Personen als eine An- klage gegen Sie: allein niemand kann Jhren Va- ter und Jhre Onckles frey sprechen.
Es scheint, daß die Ursachen, die Jhren Bru- der und Jhre Schwester zu einem so unnatürlichen Verfahren bewogen haben, überall bekannt sind. Vermuthlich haben sie durch ihre so oft wiederhohl- ten Anfälle nichts anders gesucht, als Sie zu der Entschließung zu treiben, die Sie endlich genom- men haben: ohne zu befürchten, daß Sie im
Stan-
G 3
Sie duͤrfen ſich nicht fuͤrchten, mich zu befra- gen: ob ich bey Durchleſung Jhrer Erzaͤhlung einige Umſtaͤnde finde, die Jhre Schuld verrin- gern. Jch habe Jhnen ſchon vorhin meine Mei- nung deshalb geſaget: und ich wiederhohle es noch mahls: in Betrachtung deſſen, wie mit Jhnen umgegangen iſt, und wie Sie faſt gezwungen ſind zu fliehen, halte ich ſie voͤllig außer Schuld: zum wenigſten ſo ſehr außer Schuld, als je ein Kind hat ſeyn koͤnnen, das jemahls dieſen Schritt gethan hat.
Allein Sie haben ihn nicht einmahl ſelbſt ge- than. Sie wurden von der einen Seite fort ge- ſtoßen und gezwungen, und vielleicht von der an- dern Seite betrogen und hintergangen. Wenn irgend ein Frauenzimmer ſich in Jhren Umſtaͤn- den ſo lange gegen ſeine Verfolger und Verfuͤhrer wehret, als Sie: ſo will ich ihm gern alle Fehler vergeben.
Alle ihre Bekannten reden jetzt von nichts als von Jhnen. Einige gebrauchen zwar Jhre Vor- zuͤge vor andern Frauens-Perſonen als eine An- klage gegen Sie: allein niemand kann Jhren Va- ter und Jhre Onckles frey ſprechen.
Es ſcheint, daß die Urſachen, die Jhren Bru- der und Jhre Schweſter zu einem ſo unnatuͤrlichen Verfahren bewogen haben, uͤberall bekannt ſind. Vermuthlich haben ſie durch ihre ſo oft wiederhohl- ten Anfaͤlle nichts anders geſucht, als Sie zu der Entſchließung zu treiben, die Sie endlich genom- men haben: ohne zu befuͤrchten, daß Sie im
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Sie duͤrfen ſich nicht fuͤrchten, mich zu befra-
gen: ob ich bey Durchleſung Jhrer Erzaͤhlung
einige Umſtaͤnde finde, die Jhre Schuld verrin-
gern. Jch habe Jhnen ſchon vorhin meine Mei-
nung deshalb geſaget: und ich wiederhohle es noch
mahls: in Betrachtung deſſen, wie mit Jhnen
umgegangen iſt, und wie Sie faſt gezwungen ſind
zu fliehen, halte ich ſie voͤllig außer Schuld:
zum wenigſten ſo ſehr außer Schuld, als je ein
Kind hat ſeyn koͤnnen, das jemahls dieſen Schritt
gethan hat.
Allein Sie haben ihn nicht einmahl ſelbſt ge-
than. Sie wurden von der einen Seite fort ge-
ſtoßen und gezwungen, und vielleicht von der an-
dern Seite betrogen und hintergangen. Wenn
irgend ein Frauenzimmer ſich in Jhren Umſtaͤn-
den ſo lange gegen ſeine Verfolger und Verfuͤhrer
wehret, als Sie: ſo will ich ihm gern alle Fehler
vergeben.
Alle ihre Bekannten reden jetzt von nichts als
von Jhnen. Einige gebrauchen zwar Jhre Vor-
zuͤge vor andern Frauens-Perſonen als eine An-
klage gegen Sie: allein niemand kann Jhren Va-
ter und Jhre Onckles frey ſprechen.
Es ſcheint, daß die Urſachen, die Jhren Bru-
der und Jhre Schweſter zu einem ſo unnatuͤrlichen
Verfahren bewogen haben, uͤberall bekannt ſind.
Vermuthlich haben ſie durch ihre ſo oft wiederhohl-
ten Anfaͤlle nichts anders geſucht, als Sie zu der
Entſchließung zu treiben, die Sie endlich genom-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/115>, abgerufen am 28.11.2024.
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