Tische zu thun haben. Es würde ihr leid thun, wenn sie mit dazu helfen müste, daß man mir auf die Spur käme. Allein es ge- schähe alles zu meinem Besten: und es stünde nur bey mir, ob mir alles auf den Mittewochen vergeben werden sollte? Hierauf nahm das ver- wegene Mädchen das Ende der Schürtze in den Mund, um sich des Lachens zu erwehren, und ging nach der Thür zu. Sie kam wieder, als ich ihr mit Verdruß befahl, abzunehmen, und bat mich um Verzeihung. Aber - - aber - - (sie lachte nochmahls) sie könnte das Lachen nicht lassen, daß ich mich selbst mit dem Essen im Sommer-Hause so gefangen, und so eine gute Gelegenheit gegeben hätte, alle meine Heim- lichkeiten durchzustänckern. Sie hätte es wohl gedacht, daß etwas vorseyn müste, als es mein Bruder so bald zugegeben hätte, daß ich hier speisen sollte. Mit ihrem Juncker könnte es niemand aushalten. So klug sich auch Jun- cker Lovelace dünckte, so wäre er doch nichts gegen ihren jungen Herrn, wenn es auf einen fertigen Streich ankäme.
Meine Base sagte, daß Herr Lovelace ge- gen seine Bedienten prahle: vielleicht macht er sich wircklich so gemein mit ihnen. Von mei- nem Bruder aber weiß ich es, daß er mit sei- nem Verstande und Gelehrsamkeit beständig ge- gen die Bedienten geprahlet hat. Jch habe oft gedacht, Hochmuth und Niederträchtigkeit
müsten
K k 4
der Clariſſa.
Tiſche zu thun haben. Es wuͤrde ihr leid thun, wenn ſie mit dazu helfen muͤſte, daß man mir auf die Spur kaͤme. Allein es ge- ſchaͤhe alles zu meinem Beſten: und es ſtuͤnde nur bey mir, ob mir alles auf den Mittewochen vergeben werden ſollte? Hierauf nahm das ver- wegene Maͤdchen das Ende der Schuͤrtze in den Mund, um ſich des Lachens zu erwehren, und ging nach der Thuͤr zu. Sie kam wieder, als ich ihr mit Verdruß befahl, abzunehmen, und bat mich um Verzeihung. Aber ‒ ‒ aber ‒ ‒ (ſie lachte nochmahls) ſie koͤnnte das Lachen nicht laſſen, daß ich mich ſelbſt mit dem Eſſen im Sommer-Hauſe ſo gefangen, und ſo eine gute Gelegenheit gegeben haͤtte, alle meine Heim- lichkeiten durchzuſtaͤnckern. Sie haͤtte es wohl gedacht, daß etwas vorſeyn muͤſte, als es mein Bruder ſo bald zugegeben haͤtte, daß ich hier ſpeiſen ſollte. Mit ihrem Juncker koͤnnte es niemand aushalten. So klug ſich auch Jun- cker Lovelace duͤnckte, ſo waͤre er doch nichts gegen ihren jungen Herrn, wenn es auf einen fertigen Streich ankaͤme.
Meine Baſe ſagte, daß Herr Lovelace ge- gen ſeine Bedienten prahle: vielleicht macht er ſich wircklich ſo gemein mit ihnen. Von mei- nem Bruder aber weiß ich es, daß er mit ſei- nem Verſtande und Gelehrſamkeit beſtaͤndig ge- gen die Bedienten geprahlet hat. Jch habe oft gedacht, Hochmuth und Niedertraͤchtigkeit
muͤſten
K k 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0525"n="519"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/>
Tiſche zu thun haben. Es wuͤrde ihr leid<lb/>
thun, wenn ſie mit dazu helfen muͤſte, daß<lb/>
man mir auf die Spur kaͤme. Allein es ge-<lb/>ſchaͤhe alles zu meinem Beſten: und es ſtuͤnde<lb/>
nur bey mir, ob mir alles auf den Mittewochen<lb/>
vergeben werden ſollte? Hierauf nahm das ver-<lb/>
wegene Maͤdchen das Ende der Schuͤrtze in den<lb/>
Mund, um ſich des Lachens zu erwehren, und<lb/>
ging nach der Thuͤr zu. Sie kam wieder, als<lb/>
ich ihr mit Verdruß befahl, abzunehmen, und<lb/>
bat mich um Verzeihung. Aber ‒‒ aber ‒‒<lb/>
(ſie lachte nochmahls) ſie koͤnnte das Lachen<lb/>
nicht laſſen, daß ich mich ſelbſt mit dem Eſſen<lb/>
im Sommer-Hauſe ſo gefangen, und ſo eine<lb/>
gute Gelegenheit gegeben haͤtte, alle meine Heim-<lb/>
lichkeiten durchzuſtaͤnckern. Sie haͤtte es wohl<lb/>
gedacht, daß etwas vorſeyn muͤſte, als es mein<lb/>
Bruder ſo bald zugegeben haͤtte, daß ich hier<lb/>ſpeiſen ſollte. Mit ihrem Juncker koͤnnte es<lb/>
niemand aushalten. So klug ſich auch Jun-<lb/>
cker <hirendition="#fr">Lovelace</hi> duͤnckte, ſo waͤre er doch nichts<lb/>
gegen ihren jungen Herrn, wenn es auf einen<lb/>
fertigen Streich ankaͤme.</p><lb/><p>Meine Baſe ſagte, daß Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi> ge-<lb/>
gen ſeine Bedienten prahle: vielleicht macht er<lb/>ſich wircklich ſo gemein mit ihnen. Von mei-<lb/>
nem Bruder aber weiß ich es, daß er mit ſei-<lb/>
nem Verſtande und Gelehrſamkeit beſtaͤndig ge-<lb/>
gen die Bedienten geprahlet hat. Jch habe<lb/>
oft gedacht, Hochmuth und Niedertraͤchtigkeit<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">muͤſten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[519/0525]
der Clariſſa.
Tiſche zu thun haben. Es wuͤrde ihr leid
thun, wenn ſie mit dazu helfen muͤſte, daß
man mir auf die Spur kaͤme. Allein es ge-
ſchaͤhe alles zu meinem Beſten: und es ſtuͤnde
nur bey mir, ob mir alles auf den Mittewochen
vergeben werden ſollte? Hierauf nahm das ver-
wegene Maͤdchen das Ende der Schuͤrtze in den
Mund, um ſich des Lachens zu erwehren, und
ging nach der Thuͤr zu. Sie kam wieder, als
ich ihr mit Verdruß befahl, abzunehmen, und
bat mich um Verzeihung. Aber ‒ ‒ aber ‒ ‒
(ſie lachte nochmahls) ſie koͤnnte das Lachen
nicht laſſen, daß ich mich ſelbſt mit dem Eſſen
im Sommer-Hauſe ſo gefangen, und ſo eine
gute Gelegenheit gegeben haͤtte, alle meine Heim-
lichkeiten durchzuſtaͤnckern. Sie haͤtte es wohl
gedacht, daß etwas vorſeyn muͤſte, als es mein
Bruder ſo bald zugegeben haͤtte, daß ich hier
ſpeiſen ſollte. Mit ihrem Juncker koͤnnte es
niemand aushalten. So klug ſich auch Jun-
cker Lovelace duͤnckte, ſo waͤre er doch nichts
gegen ihren jungen Herrn, wenn es auf einen
fertigen Streich ankaͤme.
Meine Baſe ſagte, daß Herr Lovelace ge-
gen ſeine Bedienten prahle: vielleicht macht er
ſich wircklich ſo gemein mit ihnen. Von mei-
nem Bruder aber weiß ich es, daß er mit ſei-
nem Verſtande und Gelehrſamkeit beſtaͤndig ge-
gen die Bedienten geprahlet hat. Jch habe
oft gedacht, Hochmuth und Niedertraͤchtigkeit
muͤſten
K k 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/525>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.