Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
Sie selbst würde einige Zeit vor Freude verstum-
men und erstarren: und ihr Dorthgen (das
arme Kind) die einige Zeit her desweaen schlech-
ter angeschrieben gewesen wäre, weil sie mich
gar zu lieb hätte, würde wieder von jedermann
Liebe und Freundschaft zu gewarten haben.

Können Sie daran zweiffeln, daß meine
nächst-bevorstehende Versuchung die härteste un-
ter allen seyn wird?

Frau Hervey stellete mir dieses auf das nach-
drücklichste vor. Das, was sie von ihrer Dorth-
gen sagte, machte mich recht weichhertzig, so
ungeduldig ich auch vorhin war. Jch konn-
te aber nicht anders als durch Thränen und
Seufzer bezeugen, wie angenehm mir ein sol-
cher Ausgang seyn würde, wenn mir die Be-
dingungen desselben nicht unmöglich wären.

Jetzt bringt mir Elisabeth das Essen.



Sie ist wieder weg. Die bestimmte Zeit
rückt heran. Wenn er doch ausbliebe! Soll
ich ihn sprechen, oder nicht? Jch frage: und
Sie können mir nicht antworten.

Der Winck, den ich meiner Base gab, hat
seine Wirckung gehabt. Elisabeth sagte mir
auf eine prahlerische Weise: sie würde nach

Tische

Die Geſchichte
Sie ſelbſt wuͤrde einige Zeit vor Freude verſtum-
men und erſtarren: und ihr Dorthgen (das
arme Kind) die einige Zeit her desweaen ſchlech-
ter angeſchrieben geweſen waͤre, weil ſie mich
gar zu lieb haͤtte, wuͤrde wieder von jedermann
Liebe und Freundſchaft zu gewarten haben.

Koͤnnen Sie daran zweiffeln, daß meine
naͤchſt-bevorſtehende Verſuchung die haͤrteſte un-
ter allen ſeyn wird?

Frau Hervey ſtellete mir dieſes auf das nach-
druͤcklichſte vor. Das, was ſie von ihrer Dorth-
gen ſagte, machte mich recht weichhertzig, ſo
ungeduldig ich auch vorhin war. Jch konn-
te aber nicht anders als durch Thraͤnen und
Seufzer bezeugen, wie angenehm mir ein ſol-
cher Ausgang ſeyn wuͤrde, wenn mir die Be-
dingungen deſſelben nicht unmoͤglich waͤren.

Jetzt bringt mir Eliſabeth das Eſſen.



Sie iſt wieder weg. Die beſtimmte Zeit
ruͤckt heran. Wenn er doch ausbliebe! Soll
ich ihn ſprechen, oder nicht? Jch frage: und
Sie koͤnnen mir nicht antworten.

Der Winck, den ich meiner Baſe gab, hat
ſeine Wirckung gehabt. Eliſabeth ſagte mir
auf eine prahleriſche Weiſe: ſie wuͤrde nach

Tiſche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0524" n="518"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
Sie &#x017F;elb&#x017F;t wu&#x0364;rde einige Zeit vor Freude ver&#x017F;tum-<lb/>
men und er&#x017F;tarren: und ihr <hi rendition="#fr">Dorthgen</hi> (das<lb/>
arme Kind) die einige Zeit her desweaen &#x017F;chlech-<lb/>
ter ange&#x017F;chrieben gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, weil &#x017F;ie mich<lb/>
gar zu lieb ha&#x0364;tte, wu&#x0364;rde wieder von jedermann<lb/>
Liebe und Freund&#x017F;chaft zu gewarten haben.</p><lb/>
          <p>Ko&#x0364;nnen Sie daran zweiffeln, daß meine<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;t-bevor&#x017F;tehende Ver&#x017F;uchung die ha&#x0364;rte&#x017F;te un-<lb/>
ter allen &#x017F;eyn wird?</p><lb/>
          <p>Frau <hi rendition="#fr">Hervey</hi> &#x017F;tellete mir die&#x017F;es auf das nach-<lb/>
dru&#x0364;cklich&#x017F;te vor. Das, was &#x017F;ie von ihrer Dorth-<lb/>
gen &#x017F;agte, machte mich recht weichhertzig, &#x017F;o<lb/>
ungeduldig ich auch vorhin war. Jch konn-<lb/>
te aber nicht anders als durch Thra&#x0364;nen und<lb/>
Seufzer bezeugen, wie angenehm mir ein &#x017F;ol-<lb/>
cher Ausgang &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn mir die Be-<lb/>
dingungen de&#x017F;&#x017F;elben nicht unmo&#x0364;glich wa&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Jetzt bringt mir <hi rendition="#fr">Eli&#x017F;abeth</hi> das E&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sie i&#x017F;t wieder weg. Die be&#x017F;timmte Zeit<lb/>
ru&#x0364;ckt heran. Wenn er doch ausbliebe! Soll<lb/>
ich ihn &#x017F;prechen, oder nicht? Jch frage: und<lb/>
Sie ko&#x0364;nnen mir nicht antworten.</p><lb/>
          <p>Der Winck, den ich meiner Ba&#x017F;e gab, hat<lb/>
&#x017F;eine Wirckung gehabt. <hi rendition="#fr">Eli&#x017F;abeth</hi> &#x017F;agte mir<lb/>
auf eine prahleri&#x017F;che Wei&#x017F;e: &#x017F;ie wu&#x0364;rde nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ti&#x017F;che</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[518/0524] Die Geſchichte Sie ſelbſt wuͤrde einige Zeit vor Freude verſtum- men und erſtarren: und ihr Dorthgen (das arme Kind) die einige Zeit her desweaen ſchlech- ter angeſchrieben geweſen waͤre, weil ſie mich gar zu lieb haͤtte, wuͤrde wieder von jedermann Liebe und Freundſchaft zu gewarten haben. Koͤnnen Sie daran zweiffeln, daß meine naͤchſt-bevorſtehende Verſuchung die haͤrteſte un- ter allen ſeyn wird? Frau Hervey ſtellete mir dieſes auf das nach- druͤcklichſte vor. Das, was ſie von ihrer Dorth- gen ſagte, machte mich recht weichhertzig, ſo ungeduldig ich auch vorhin war. Jch konn- te aber nicht anders als durch Thraͤnen und Seufzer bezeugen, wie angenehm mir ein ſol- cher Ausgang ſeyn wuͤrde, wenn mir die Be- dingungen deſſelben nicht unmoͤglich waͤren. Jetzt bringt mir Eliſabeth das Eſſen. Sie iſt wieder weg. Die beſtimmte Zeit ruͤckt heran. Wenn er doch ausbliebe! Soll ich ihn ſprechen, oder nicht? Jch frage: und Sie koͤnnen mir nicht antworten. Der Winck, den ich meiner Baſe gab, hat ſeine Wirckung gehabt. Eliſabeth ſagte mir auf eine prahleriſche Weiſe: ſie wuͤrde nach Tiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/524
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/524>, abgerufen am 21.11.2024.