müsten nahe mit einander verwant oder sehr na- he Nachbaren seyn, wie der Poet von Witz und Aberwitz saget.
Allein was verunruhige ich Sie und mich noch in dem Augenblick, der so vieles entschei- den soll, mit solchen Thorheiten? Jch muß zwar an solche Dinge dencken, um mir das na- he Uebel, die Unterredung mit Lovelacen/ aus dem Sinne zu schlagen. Denn sonst werde ich nicht im Stande seyn, mit ihm zu sprechen, da meine Furcht von Stunde zu Stunde wächst, und alle meine Aufmercksamkeit schon zum vor- aus verschwendet wird; und er würde zu viel Vortheil über mich haben, wenn ich nicht recht gegenwärtiges Gemüths bin, da er mir ohne- hin meine Wanckelmüthigkeit mit einem Schein des Rechts vorwerfen kan. Der steht immer im Voreheil, der dem andern etwas vorzurü- cken hat: und der andere Theil muß furchtsam seyn und wie ein armer Sünder aussehen, wenn jener einiges Recht vor sich hat.
Von Lovelacen weiß ich zum voraus, daß er Richter in seiner eigenen Sache und auch in meiner Sache wird seyn wollen. Das letzte soll aber gewiß nicht geschehen.
Er wird sich vor Unmuth zerreissen wollen. Jch frage aber nichts darnach. Jch habe Va- ter und Onckels widerstanden: es wäre schlimm, wenn ich - - - Er ist vor der Garten-Thür.
Es
Die Geſchichte
muͤſten nahe mit einander verwant oder ſehr na- he Nachbaren ſeyn, wie der Poet von Witz und Aberwitz ſaget.
Allein was verunruhige ich Sie und mich noch in dem Augenblick, der ſo vieles entſchei- den ſoll, mit ſolchen Thorheiten? Jch muß zwar an ſolche Dinge dencken, um mir das na- he Uebel, die Unterredung mit Lovelacen/ aus dem Sinne zu ſchlagen. Denn ſonſt werde ich nicht im Stande ſeyn, mit ihm zu ſprechen, da meine Furcht von Stunde zu Stunde waͤchſt, und alle meine Aufmerckſamkeit ſchon zum vor- aus verſchwendet wird; und er wuͤrde zu viel Vortheil uͤber mich haben, wenn ich nicht recht gegenwaͤrtiges Gemuͤths bin, da er mir ohne- hin meine Wanckelmuͤthigkeit mit einem Schein des Rechts vorwerfen kan. Der ſteht immer im Voreheil, der dem andern etwas vorzuruͤ- cken hat: und der andere Theil muß furchtſam ſeyn und wie ein armer Suͤnder ausſehen, wenn jener einiges Recht vor ſich hat.
Von Lovelacen weiß ich zum voraus, daß er Richter in ſeiner eigenen Sache und auch in meiner Sache wird ſeyn wollen. Das letzte ſoll aber gewiß nicht geſchehen.
Er wird ſich vor Unmuth zerreiſſen wollen. Jch frage aber nichts darnach. Jch habe Va- ter und Onckels widerſtanden: es waͤre ſchlimm, wenn ich ‒ ‒ ‒ Er iſt vor der Garten-Thuͤr.
Es
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Die Geſchichte
muͤſten nahe mit einander verwant oder ſehr na-
he Nachbaren ſeyn, wie der Poet von Witz
und Aberwitz ſaget.
Allein was verunruhige ich Sie und mich
noch in dem Augenblick, der ſo vieles entſchei-
den ſoll, mit ſolchen Thorheiten? Jch muß
zwar an ſolche Dinge dencken, um mir das na-
he Uebel, die Unterredung mit Lovelacen/ aus
dem Sinne zu ſchlagen. Denn ſonſt werde ich
nicht im Stande ſeyn, mit ihm zu ſprechen,
da meine Furcht von Stunde zu Stunde waͤchſt,
und alle meine Aufmerckſamkeit ſchon zum vor-
aus verſchwendet wird; und er wuͤrde zu viel
Vortheil uͤber mich haben, wenn ich nicht recht
gegenwaͤrtiges Gemuͤths bin, da er mir ohne-
hin meine Wanckelmuͤthigkeit mit einem Schein
des Rechts vorwerfen kan. Der ſteht immer
im Voreheil, der dem andern etwas vorzuruͤ-
cken hat: und der andere Theil muß furchtſam
ſeyn und wie ein armer Suͤnder ausſehen, wenn
jener einiges Recht vor ſich hat.
Von Lovelacen weiß ich zum voraus, daß
er Richter in ſeiner eigenen Sache und auch in
meiner Sache wird ſeyn wollen. Das letzte ſoll
aber gewiß nicht geſchehen.
Er wird ſich vor Unmuth zerreiſſen wollen.
Jch frage aber nichts darnach. Jch habe Va-
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wenn ich ‒ ‒ ‒ Er iſt vor der Garten-Thuͤr.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/526>, abgerufen am 21.11.2024.
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