Allein Sie bedencken sich allzusehr, mir Jhre Meynung frey heraus zu sagen. Meine Un- glücklichen Umstände sind Schuld daran.
Jch habe vergessen Jhnen zu melden, daß ich meine Frau Base bat, als eine Freundin von mir zu handeln, und ein gutes Wort für mich einzulegen, damit ich doch wenigstens eine Frist erhalten möchte, wenn weiter nichts zu erlan- gen wäre.
Sie sagte mir: wenn die Trauung nur vor- über wäre (was für eine erwünschte Bekräfti- gung dessen, was mir Dorthgen geschrieben hat! so würde mir so viel Zeit gegönnet werden, als ich selbst wünschte mich in mein Verhängniß zu schicken, ehe ich zu ihm ziehen müßte.
Hierüber verging mir alle Geduld.
Sie setzte hinzu, sie bäte mich hinwiederum, daß ich auf eine fröliche Art Gehorsam leisten und die Verleugnung selbst seyn möchte, wenn ich vor meine Verwanten gefordert würde. Es stünde in meiner Macht, sie insgesamt glücklich zu machen. Sie könnte die Freude nicht aus- sprechen, die sie empfinden würde, wenn sie sähe, daß mich Vater, Mutter, Onckles, Bruder, Schwester mit Entzückung umarmen, und an ihre liebreiche Brust drücketen, und sich unter- einander Glück dazu wünscheten, daß ihre Freu- de und Vergnügen wieder vollkommen wäre.
Sie
K k 3
der Clariſſa.
Allein Sie bedencken ſich allzuſehr, mir Jhre Meynung frey heraus zu ſagen. Meine Un- gluͤcklichen Umſtaͤnde ſind Schuld daran.
Jch habe vergeſſen Jhnen zu melden, daß ich meine Frau Baſe bat, als eine Freundin von mir zu handeln, und ein gutes Wort fuͤr mich einzulegen, damit ich doch wenigſtens eine Friſt erhalten moͤchte, wenn weiter nichts zu erlan- gen waͤre.
Sie ſagte mir: wenn die Trauung nur vor- uͤber waͤre (was fuͤr eine erwuͤnſchte Bekraͤfti- gung deſſen, was mir Dorthgen geſchrieben hat! ſo wuͤrde mir ſo viel Zeit gegoͤnnet werden, als ich ſelbſt wuͤnſchte mich in mein Verhaͤngniß zu ſchicken, ehe ich zu ihm ziehen muͤßte.
Hieruͤber verging mir alle Geduld.
Sie ſetzte hinzu, ſie baͤte mich hinwiederum, daß ich auf eine froͤliche Art Gehorſam leiſten und die Verleugnung ſelbſt ſeyn moͤchte, wenn ich vor meine Verwanten gefordert wuͤrde. Es ſtuͤnde in meiner Macht, ſie insgeſamt gluͤcklich zu machen. Sie koͤnnte die Freude nicht aus- ſprechen, die ſie empfinden wuͤrde, wenn ſie ſaͤhe, daß mich Vater, Mutter, Onckles, Bruder, Schweſter mit Entzuͤckung umarmen, und an ihre liebreiche Bruſt druͤcketen, und ſich unter- einander Gluͤck dazu wuͤnſcheten, daß ihre Freu- de und Vergnuͤgen wieder vollkommen waͤre.
Sie
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der Clariſſa.
Allein Sie bedencken ſich allzuſehr, mir Jhre
Meynung frey heraus zu ſagen. Meine Un-
gluͤcklichen Umſtaͤnde ſind Schuld daran.
Jch habe vergeſſen Jhnen zu melden, daß ich
meine Frau Baſe bat, als eine Freundin von
mir zu handeln, und ein gutes Wort fuͤr mich
einzulegen, damit ich doch wenigſtens eine Friſt
erhalten moͤchte, wenn weiter nichts zu erlan-
gen waͤre.
Sie ſagte mir: wenn die Trauung nur vor-
uͤber waͤre (was fuͤr eine erwuͤnſchte Bekraͤfti-
gung deſſen, was mir Dorthgen geſchrieben hat!
ſo wuͤrde mir ſo viel Zeit gegoͤnnet werden, als
ich ſelbſt wuͤnſchte mich in mein Verhaͤngniß zu
ſchicken, ehe ich zu ihm ziehen muͤßte.
Hieruͤber verging mir alle Geduld.
Sie ſetzte hinzu, ſie baͤte mich hinwiederum,
daß ich auf eine froͤliche Art Gehorſam leiſten und
die Verleugnung ſelbſt ſeyn moͤchte, wenn ich
vor meine Verwanten gefordert wuͤrde. Es
ſtuͤnde in meiner Macht, ſie insgeſamt gluͤcklich
zu machen. Sie koͤnnte die Freude nicht aus-
ſprechen, die ſie empfinden wuͤrde, wenn ſie ſaͤhe,
daß mich Vater, Mutter, Onckles, Bruder,
Schweſter mit Entzuͤckung umarmen, und an
ihre liebreiche Bruſt druͤcketen, und ſich unter-
einander Gluͤck dazu wuͤnſcheten, daß ihre Freu-
de und Vergnuͤgen wieder vollkommen waͤre.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/523>, abgerufen am 24.11.2024.
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