dung. Wäre es auch ein Versprechen, so hat- te ich mir ja das Recht vorbehalten, es wieder umzustossen. Und gesetzt, ich hätte mir ein sol- ches Recht nicht vorbehalten, so frage ich, ob mein Versprechen mir verbiete, der Sache bes- ser nachzudencken, und sie reiflicher zu überle- gen? Wenn dieses ist, so hätte ich es nie geben sollen. Wie unartig würde es seyn, auf ein solches Versprechen zu dringen? kan irgend eine Mannsperson darüber ungehalten werden, daß ein Frauenzimmer, die er dereinst die Seinige zu nennen hoffet, ein übereiltes Versprechen nicht halten will, wenn sie bey weiterer Ueber- legung siehet, daß sie sich übereilt hatte.
Jch entschliesse mich also, die Versuchung des nächsten Mittewochens noch zu erwarten: oder, wie ich vielleicht billiger sagen möchte, des nächsten Dienstag Abends. Denn wenn mein Vater bey seinem Vorsatz bleibt, selbst zu mir herauf zu kommen, und mir zu befehlen, daß ich die Ehestifftung lesen und unterzeichnen soll: - - - das wird die schwereste Versu- chung für mich seyn.
Wenn ich mich übertäuben lasse, sie noch in der Nacht zu unterzeichnen, so sey mir GOtt gnädig. Alles was mir fürchterlich ist, wird alsdenn am Mittewochen von selbst erfolgen. Wenn ich durch Bitten etwas ausrichten kan! Vielleicht durch Ohnmachten, oder durch eine
Ver-
Die Geſchichte
dung. Waͤre es auch ein Verſprechen, ſo hat- te ich mir ja das Recht vorbehalten, es wieder umzuſtoſſen. Und geſetzt, ich haͤtte mir ein ſol- ches Recht nicht vorbehalten, ſo frage ich, ob mein Verſprechen mir verbiete, der Sache beſ- ſer nachzudencken, und ſie reiflicher zu uͤberle- gen? Wenn dieſes iſt, ſo haͤtte ich es nie geben ſollen. Wie unartig wuͤrde es ſeyn, auf ein ſolches Verſprechen zu dringen? kan irgend eine Mannsperſon daruͤber ungehalten werden, daß ein Frauenzimmer, die er dereinſt die Seinige zu nennen hoffet, ein uͤbereiltes Verſprechen nicht halten will, wenn ſie bey weiterer Ueber- legung ſiehet, daß ſie ſich uͤbereilt hatte.
Jch entſchlieſſe mich alſo, die Verſuchung des naͤchſten Mittewochens noch zu erwarten: oder, wie ich vielleicht billiger ſagen moͤchte, des naͤchſten Dienſtag Abends. Denn wenn mein Vater bey ſeinem Vorſatz bleibt, ſelbſt zu mir herauf zu kommen, und mir zu befehlen, daß ich die Eheſtifftung leſen und unterzeichnen ſoll: ‒ ‒ ‒ das wird die ſchwereſte Verſu- chung fuͤr mich ſeyn.
Wenn ich mich uͤbertaͤuben laſſe, ſie noch in der Nacht zu unterzeichnen, ſo ſey mir GOtt gnaͤdig. Alles was mir fuͤrchterlich iſt, wird alsdenn am Mittewochen von ſelbſt erfolgen. Wenn ich durch Bitten etwas ausrichten kan! Vielleicht durch Ohnmachten, oder durch eine
Ver-
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Die Geſchichte
dung. Waͤre es auch ein Verſprechen, ſo hat-
te ich mir ja das Recht vorbehalten, es wieder
umzuſtoſſen. Und geſetzt, ich haͤtte mir ein ſol-
ches Recht nicht vorbehalten, ſo frage ich, ob
mein Verſprechen mir verbiete, der Sache beſ-
ſer nachzudencken, und ſie reiflicher zu uͤberle-
gen? Wenn dieſes iſt, ſo haͤtte ich es nie geben
ſollen. Wie unartig wuͤrde es ſeyn, auf ein
ſolches Verſprechen zu dringen? kan irgend eine
Mannsperſon daruͤber ungehalten werden, daß
ein Frauenzimmer, die er dereinſt die Seinige
zu nennen hoffet, ein uͤbereiltes Verſprechen
nicht halten will, wenn ſie bey weiterer Ueber-
legung ſiehet, daß ſie ſich uͤbereilt hatte.
Jch entſchlieſſe mich alſo, die Verſuchung
des naͤchſten Mittewochens noch zu erwarten:
oder, wie ich vielleicht billiger ſagen moͤchte, des
naͤchſten Dienſtag Abends. Denn wenn mein
Vater bey ſeinem Vorſatz bleibt, ſelbſt zu mir
herauf zu kommen, und mir zu befehlen, daß
ich die Eheſtifftung leſen und unterzeichnen
ſoll: ‒ ‒ ‒ das wird die ſchwereſte Verſu-
chung fuͤr mich ſeyn.
Wenn ich mich uͤbertaͤuben laſſe, ſie noch in
der Nacht zu unterzeichnen, ſo ſey mir GOtt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/498>, abgerufen am 16.02.2025.
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