recht ausarbeiten möchtet; nicht aber in den Nei- gungen zuzunehmen, die man bey Eurem Blute vermuthen sollte, wenn ich auch von der Erzie- hung nichts gedencken will.
Jch zweifele gar nicht daran, daß ihr meine Freyheit übel nehmen werdet. Aber da Jhr alles verdient habet, so werde ich destoweniger deshalb bekümmert seyn, jemehr ich sehe, daß Jhr der Billigkeit und dem Mitleiden zum Trotz, Eure witzigen Einfälle anzubringen suchet.
Jch kann ohnmöglich länger die Verachtung und die Spöttereyen erdulden, die sich am wenig- sten für einen Bruder schicken. Nur eine Gefällig- keit, mein dienstfertiger Gönner! - - Geben Sie sich eher keine Mühe, mir einen Mann zu ver- schaffen, bis meine zuvor kommende Höflichkeit Jhnen eine Frau aufdringet. Mit gütigster Er- laubniß! Jch sollte dencken, daß ich eben so viel Recht hätte Euch das Frauenzimmer vorzuschrei- ben, das Jhr heyrathen sollet, wenn ich nur Arglistigkeit genug besäße das Hertz meines Va- ters zu gewinnen, als Jhr jetzt Recht habt, mich mit einem Manne zu beschencken.
Was den an mich gebrachten Befehl anlanget, so nehme ich es auf mich diese Antwort zu erthei- len: obgleich ich alle Befehle meines Vaters so verehren werde, wie es sich für ein Kind geziemet: so halte ich mich dennoch berechtiget zu glauben, daß er von diesem Eurem Briefe nichts wisse, in- dem mir diese Anzeige bloß durch einen Bruder geschehen ist, der seit einiger Zeit das Hertz eines
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der Clariſſa.
recht ausarbeiten moͤchtet; nicht aber in den Nei- gungen zuzunehmen, die man bey Eurem Blute vermuthen ſollte, wenn ich auch von der Erzie- hung nichts gedencken will.
Jch zweifele gar nicht daran, daß ihr meine Freyheit uͤbel nehmen werdet. Aber da Jhr alles verdient habet, ſo werde ich deſtoweniger deshalb bekuͤmmert ſeyn, jemehr ich ſehe, daß Jhr der Billigkeit und dem Mitleiden zum Trotz, Eure witzigen Einfaͤlle anzubringen ſuchet.
Jch kann ohnmoͤglich laͤnger die Verachtung und die Spoͤttereyen erdulden, die ſich am wenig- ſten fuͤr einen Bruder ſchicken. Nur eine Gefaͤllig- keit, mein dienſtfertiger Goͤnner! ‒ ‒ Geben Sie ſich eher keine Muͤhe, mir einen Mann zu ver- ſchaffen, bis meine zuvor kommende Hoͤflichkeit Jhnen eine Frau aufdringet. Mit guͤtigſter Er- laubniß! Jch ſollte dencken, daß ich eben ſo viel Recht haͤtte Euch das Frauenzimmer vorzuſchrei- ben, das Jhr heyrathen ſollet, wenn ich nur Argliſtigkeit genug beſaͤße das Hertz meines Va- ters zu gewinnen, als Jhr jetzt Recht habt, mich mit einem Manne zu beſchencken.
Was den an mich gebrachten Befehl anlanget, ſo nehme ich es auf mich dieſe Antwort zu erthei- len: obgleich ich alle Befehle meines Vaters ſo verehren werde, wie es ſich fuͤr ein Kind geziemet: ſo halte ich mich dennoch berechtiget zu glauben, daß er von dieſem Eurem Briefe nichts wiſſe, in- dem mir dieſe Anzeige bloß durch einen Bruder geſchehen iſt, der ſeit einiger Zeit das Hertz eines
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der Clariſſa.
recht ausarbeiten moͤchtet; nicht aber in den Nei-
gungen zuzunehmen, die man bey Eurem Blute
vermuthen ſollte, wenn ich auch von der Erzie-
hung nichts gedencken will.
Jch zweifele gar nicht daran, daß ihr meine
Freyheit uͤbel nehmen werdet. Aber da Jhr alles
verdient habet, ſo werde ich deſtoweniger deshalb
bekuͤmmert ſeyn, jemehr ich ſehe, daß Jhr der
Billigkeit und dem Mitleiden zum Trotz, Eure
witzigen Einfaͤlle anzubringen ſuchet.
Jch kann ohnmoͤglich laͤnger die Verachtung
und die Spoͤttereyen erdulden, die ſich am wenig-
ſten fuͤr einen Bruder ſchicken. Nur eine Gefaͤllig-
keit, mein dienſtfertiger Goͤnner! ‒ ‒ Geben Sie
ſich eher keine Muͤhe, mir einen Mann zu ver-
ſchaffen, bis meine zuvor kommende Hoͤflichkeit
Jhnen eine Frau aufdringet. Mit guͤtigſter Er-
laubniß! Jch ſollte dencken, daß ich eben ſo viel
Recht haͤtte Euch das Frauenzimmer vorzuſchrei-
ben, das Jhr heyrathen ſollet, wenn ich nur
Argliſtigkeit genug beſaͤße das Hertz meines Va-
ters zu gewinnen, als Jhr jetzt Recht habt, mich
mit einem Manne zu beſchencken.
Was den an mich gebrachten Befehl anlanget,
ſo nehme ich es auf mich dieſe Antwort zu erthei-
len: obgleich ich alle Befehle meines Vaters ſo
verehren werde, wie es ſich fuͤr ein Kind geziemet:
ſo halte ich mich dennoch berechtiget zu glauben,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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