Bruders so sehr abgeleget und mir so viel Widrig- keit erzeiget hat, davon ich keine Ursache zu erra- then weiß, es müste denn diese seyn, daß er in mir eine Schwester mehr zu haben vermei- net, als seinem Eigennutz erträglich ist. Und weil ich dieses glaube, so erkläre ich mich auch, daß ich nicht mit Willen, ja auch alsdenn nicht, wenn man Gewalt gebrauchen wollte, entschlos- sen bin an einen andern Ort zu reisen, um daselbst Herrn Solmes Besuch anzunehmen.
Jch halte mich so sehr berechtiget, gegen Euren ehren- rührigen und niederträchtigen Spaß um mein selbst und um meines Geschlechts willen em- pfindlich zu seyn, daß ich Euch hiemit anzeige: ich werde keine Briefe von Euch ferner annch- men. Nur denn werde ich eine Ausnahme hie- von machen, wenn es mir von solchen befohlen wird, gegen deren Befehl ich nie etwas einzuwen- den haben werde, wenn er nur nicht eine Sache be- trifft auf welche meine jetzige und künftige Glück- seeligkeit ankömmt. Sollten je dergleichen Be- fehle mir gegeben werden, so würde ich die Här- te meines Vaters nicht so wohl ihm selbst, als Euch, und Euren scheinbaren und dennoch abge- schmackten Absichten die voller Eigenliebe und Hochmuth sind zuzuschreiben haben. Dis ist die lautere Wahrheit.
So sehr ich auch erzürnt bin, will ich doch noch ein Wort hinzu thun. Hätte man mich in der That für so hartnäckig gehalten, als man mich
seit
Die Geſchichte
Bruders ſo ſehr abgeleget und mir ſo viel Widrig- keit erzeiget hat, davon ich keine Urſache zu erra- then weiß, es muͤſte denn dieſe ſeyn, daß er in mir eine Schweſter mehr zu haben vermei- net, als ſeinem Eigennutz ertraͤglich iſt. Und weil ich dieſes glaube, ſo erklaͤre ich mich auch, daß ich nicht mit Willen, ja auch alsdenn nicht, wenn man Gewalt gebrauchen wollte, entſchloſ- ſen bin an einen andern Ort zu reiſen, um daſelbſt Herrn Solmes Beſuch anzunehmen.
Jch halte mich ſo ſehr berechtiget, gegen Euren ehren- ruͤhrigen und niedertraͤchtigen Spaß um mein ſelbſt und um meines Geſchlechts willen em- pfindlich zu ſeyn, daß ich Euch hiemit anzeige: ich werde keine Briefe von Euch ferner annch- men. Nur denn werde ich eine Ausnahme hie- von machen, wenn es mir von ſolchen befohlen wird, gegen deren Befehl ich nie etwas einzuwen- den haben werde, wenn er nur nicht eine Sache be- trifft auf welche meine jetzige und kuͤnftige Gluͤck- ſeeligkeit ankoͤmmt. Sollten je dergleichen Be- fehle mir gegeben werden, ſo wuͤrde ich die Haͤr- te meines Vaters nicht ſo wohl ihm ſelbſt, als Euch, und Euren ſcheinbaren und dennoch abge- ſchmackten Abſichten die voller Eigenliebe und Hochmuth ſind zuzuſchreiben haben. Dis iſt die lautere Wahrheit.
So ſehr ich auch erzuͤrnt bin, will ich doch noch ein Wort hinzu thun. Haͤtte man mich in der That fuͤr ſo hartnaͤckig gehalten, als man mich
ſeit
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[42/0048]
Die Geſchichte
Bruders ſo ſehr abgeleget und mir ſo viel Widrig-
keit erzeiget hat, davon ich keine Urſache zu erra-
then weiß, es muͤſte denn dieſe ſeyn, daß er
in mir eine Schweſter mehr zu haben vermei-
net, als ſeinem Eigennutz ertraͤglich iſt. Und
weil ich dieſes glaube, ſo erklaͤre ich mich auch,
daß ich nicht mit Willen, ja auch alsdenn nicht,
wenn man Gewalt gebrauchen wollte, entſchloſ-
ſen bin an einen andern Ort zu reiſen, um daſelbſt
Herrn Solmes Beſuch anzunehmen.
Jch halte mich ſo ſehr berechtiget, gegen Euren
ehren- ruͤhrigen und niedertraͤchtigen Spaß um
mein ſelbſt und um meines Geſchlechts willen em-
pfindlich zu ſeyn, daß ich Euch hiemit anzeige: ich
werde keine Briefe von Euch ferner annch-
men. Nur denn werde ich eine Ausnahme hie-
von machen, wenn es mir von ſolchen befohlen
wird, gegen deren Befehl ich nie etwas einzuwen-
den haben werde, wenn er nur nicht eine Sache be-
trifft auf welche meine jetzige und kuͤnftige Gluͤck-
ſeeligkeit ankoͤmmt. Sollten je dergleichen Be-
fehle mir gegeben werden, ſo wuͤrde ich die Haͤr-
te meines Vaters nicht ſo wohl ihm ſelbſt, als
Euch, und Euren ſcheinbaren und dennoch abge-
ſchmackten Abſichten die voller Eigenliebe und
Hochmuth ſind zuzuſchreiben haben. Dis iſt
die lautere Wahrheit.
So ſehr ich auch erzuͤrnt bin, will ich doch
noch ein Wort hinzu thun. Haͤtte man mich in
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/48>, abgerufen am 24.11.2024.
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