Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
Winde hängen, um Zeit zu gewinnen, und ich
soll einen Schein-Vertrag eingehen. Wie soll
ich es aber anfangen, den Mantel nach dem
Winde zu hängen? Worin soll der Schein-Ver-
trag bestehen? Sie werden nicht wollen, daß
ich die Meinigen überreden soll, als sey ich ge-
neigt das zu thun, was ich niemahls thun wer-
de. Sie werden mir nicht rathen, daß ich Zeit
gewinnen soll, um sie zu betrügen. Es ist ver-
boten, Böses zu thun/ daß Gutes heraus
komme.
Soll ich denn Böses thun, ohne zu
wissen, ob Gutes daraus kommen wird? Gott
behüte mich, daß ich nie um meines Vortheils
oder selbst um meiner Wohlfarth und Rettung
willen einen muthwilligen Betrug begehe, und
der Aufrichtigkeit entsage!

Jst denn endlich kein anderer Weg übrig, ei-
nem grosen Uebel zu entgehen, als daß ich mich
in ein anderes Uebel stürtze? Was für ein un-
glückliches Schicksal habe ich? Beten Sie für
mich, beste Freundin: denn mein Gemüth ist so
verworren, daß ich es selbst zu thun fast nicht
mehr im Stande bin.



Der

der Clariſſa.
Winde haͤngen, um Zeit zu gewinnen, und ich
ſoll einen Schein-Vertrag eingehen. Wie ſoll
ich es aber anfangen, den Mantel nach dem
Winde zu haͤngen? Worin ſoll der Schein-Ver-
trag beſtehen? Sie werden nicht wollen, daß
ich die Meinigen uͤberreden ſoll, als ſey ich ge-
neigt das zu thun, was ich niemahls thun wer-
de. Sie werden mir nicht rathen, daß ich Zeit
gewinnen ſoll, um ſie zu betruͤgen. Es iſt ver-
boten, Boͤſes zu thun/ daß Gutes heraus
komme.
Soll ich denn Boͤſes thun, ohne zu
wiſſen, ob Gutes daraus kommen wird? Gott
behuͤte mich, daß ich nie um meines Vortheils
oder ſelbſt um meiner Wohlfarth und Rettung
willen einen muthwilligen Betrug begehe, und
der Aufrichtigkeit entſage!

Jſt denn endlich kein anderer Weg uͤbrig, ei-
nem groſen Uebel zu entgehen, als daß ich mich
in ein anderes Uebel ſtuͤrtze? Was fuͤr ein un-
gluͤckliches Schickſal habe ich? Beten Sie fuͤr
mich, beſte Freundin: denn mein Gemuͤth iſt ſo
verworren, daß ich es ſelbſt zu thun faſt nicht
mehr im Stande bin.



Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0419" n="413"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
Winde ha&#x0364;ngen, um Zeit zu gewinnen, und ich<lb/>
&#x017F;oll einen Schein-Vertrag eingehen. Wie &#x017F;oll<lb/>
ich es aber anfangen, den Mantel nach dem<lb/>
Winde zu ha&#x0364;ngen? Worin &#x017F;oll der Schein-Ver-<lb/>
trag be&#x017F;tehen? Sie werden nicht wollen, daß<lb/>
ich die Meinigen u&#x0364;berreden &#x017F;oll, als &#x017F;ey ich ge-<lb/>
neigt das zu thun, was ich niemahls thun wer-<lb/>
de. Sie werden mir nicht rathen, daß ich Zeit<lb/>
gewinnen &#x017F;oll, um &#x017F;ie zu betru&#x0364;gen. Es i&#x017F;t ver-<lb/>
boten, <hi rendition="#fr">Bo&#x0364;&#x017F;es zu thun/ daß Gutes heraus<lb/>
komme.</hi> Soll ich denn Bo&#x0364;&#x017F;es thun, ohne zu<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, ob Gutes daraus kommen wird? Gott<lb/>
behu&#x0364;te mich, daß ich nie um meines Vortheils<lb/>
oder &#x017F;elb&#x017F;t um meiner Wohlfarth und Rettung<lb/>
willen einen muthwilligen Betrug begehe, und<lb/>
der Aufrichtigkeit ent&#x017F;age!</p><lb/>
          <p>J&#x017F;t denn endlich kein anderer Weg u&#x0364;brig, ei-<lb/>
nem gro&#x017F;en Uebel zu entgehen, als daß ich mich<lb/>
in ein anderes Uebel &#x017F;tu&#x0364;rtze? Was fu&#x0364;r ein un-<lb/>
glu&#x0364;ckliches Schick&#x017F;al habe ich? Beten Sie fu&#x0364;r<lb/>
mich, be&#x017F;te Freundin: denn mein Gemu&#x0364;th i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
verworren, daß ich es &#x017F;elb&#x017F;t zu thun fa&#x017F;t nicht<lb/>
mehr im Stande bin.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0419] der Clariſſa. Winde haͤngen, um Zeit zu gewinnen, und ich ſoll einen Schein-Vertrag eingehen. Wie ſoll ich es aber anfangen, den Mantel nach dem Winde zu haͤngen? Worin ſoll der Schein-Ver- trag beſtehen? Sie werden nicht wollen, daß ich die Meinigen uͤberreden ſoll, als ſey ich ge- neigt das zu thun, was ich niemahls thun wer- de. Sie werden mir nicht rathen, daß ich Zeit gewinnen ſoll, um ſie zu betruͤgen. Es iſt ver- boten, Boͤſes zu thun/ daß Gutes heraus komme. Soll ich denn Boͤſes thun, ohne zu wiſſen, ob Gutes daraus kommen wird? Gott behuͤte mich, daß ich nie um meines Vortheils oder ſelbſt um meiner Wohlfarth und Rettung willen einen muthwilligen Betrug begehe, und der Aufrichtigkeit entſage! Jſt denn endlich kein anderer Weg uͤbrig, ei- nem groſen Uebel zu entgehen, als daß ich mich in ein anderes Uebel ſtuͤrtze? Was fuͤr ein un- gluͤckliches Schickſal habe ich? Beten Sie fuͤr mich, beſte Freundin: denn mein Gemuͤth iſt ſo verworren, daß ich es ſelbſt zu thun faſt nicht mehr im Stande bin. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/419
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/419>, abgerufen am 18.05.2024.