ein Endzweck der mir aufgedrungenen Zusam- menkunft seyn.
Selbst der Verdacht den ich hatte, daß man einen so niederträchtigen Kunstgriff gebrauchen wollte, benahm mir vollends alle Geduld. Als mein Onckle und mein Bruder Herrn Solme- mesens Grosmuth rühmten, nach der er böses mit gutem vergelte, sagte ich: Herr Solmes, sie sind ein glücklicher Mann, daß sie alle im gantzen Hause sich so leicht verbindlich machen können, eine eintzige undanckbare Person ausgenommen, welche sie am meisten zu verbinden suchen. Allein diese wird durch durch ihre Gewogenheit unglück- lich, und verdient es nicht, daß sie sich ihrer ge- gen einen ungestümen Bruder annehmen.
Ein grobes, ein undanckbahres, ein unwür- diges Mädchen, war ich hierauf.
Jch will das alles gestehen! (sagte ich) was ihr nur für Nahmen finden könnt, mich damit zu beschimpfen, die will ich alle auf mir sitzen las- sen. Jch bekenne meine Unwürdigkeit in Ab- sicht auf diesen Herrn: ich glaube euch alle sei- ne Vorzüge auf eur Wort zu, und habe weder Zeit noch Lust, sie selbst zu untersuchen. Sie mögen wol gar so groß seyn, als eure eigenen. Allein ich kan ihm dafür nicht dancken, daß er mein Mitler werden will: denn wer sieht nicht (zu meinem Onckle) daß dieses ihn in aller Au- gen erhebet, und mich herunter setzt?
Jch wandte mich hierauf zu meinem Bruder, der durch meine Hitze zum Stilleschweigen ge-
bracht
der Clariſſa.
ein Endzweck der mir aufgedrungenen Zuſam- menkunft ſeyn.
Selbſt der Verdacht den ich hatte, daß man einen ſo niedertraͤchtigen Kunſtgriff gebrauchen wollte, benahm mir vollends alle Geduld. Als mein Onckle und mein Bruder Herrn Solme- meſens Grosmuth ruͤhmten, nach der er boͤſes mit gutem vergelte, ſagte ich: Herr Solmes, ſie ſind ein gluͤcklicher Mann, daß ſie alle im gantzen Hauſe ſich ſo leicht verbindlich machen koͤnnen, eine eintzige undanckbare Perſon ausgenommen, welche ſie am meiſten zu verbinden ſuchen. Allein dieſe wird durch durch ihre Gewogenheit ungluͤck- lich, und verdient es nicht, daß ſie ſich ihrer ge- gen einen ungeſtuͤmen Bruder annehmen.
Ein grobes, ein undanckbahres, ein unwuͤr- diges Maͤdchen, war ich hierauf.
Jch will das alles geſtehen! (ſagte ich) was ihr nur fuͤr Nahmen finden koͤnnt, mich damit zu beſchimpfen, die will ich alle auf mir ſitzen laſ- ſen. Jch bekenne meine Unwuͤrdigkeit in Ab- ſicht auf dieſen Herrn: ich glaube euch alle ſei- ne Vorzuͤge auf eur Wort zu, und habe weder Zeit noch Luſt, ſie ſelbſt zu unterſuchen. Sie moͤgen wol gar ſo groß ſeyn, als eure eigenen. Allein ich kan ihm dafuͤr nicht dancken, daß er mein Mitler werden will: denn wer ſieht nicht (zu meinem Onckle) daß dieſes ihn in aller Au- gen erhebet, und mich herunter ſetzt?
Jch wandte mich hierauf zu meinem Bruder, der durch meine Hitze zum Stilleſchweigen ge-
bracht
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der Clariſſa.
ein Endzweck der mir aufgedrungenen Zuſam-
menkunft ſeyn.
Selbſt der Verdacht den ich hatte, daß man
einen ſo niedertraͤchtigen Kunſtgriff gebrauchen
wollte, benahm mir vollends alle Geduld. Als
mein Onckle und mein Bruder Herrn Solme-
meſens Grosmuth ruͤhmten, nach der er boͤſes mit
gutem vergelte, ſagte ich: Herr Solmes, ſie ſind
ein gluͤcklicher Mann, daß ſie alle im gantzen
Hauſe ſich ſo leicht verbindlich machen koͤnnen,
eine eintzige undanckbare Perſon ausgenommen,
welche ſie am meiſten zu verbinden ſuchen. Allein
dieſe wird durch durch ihre Gewogenheit ungluͤck-
lich, und verdient es nicht, daß ſie ſich ihrer ge-
gen einen ungeſtuͤmen Bruder annehmen.
Ein grobes, ein undanckbahres, ein unwuͤr-
diges Maͤdchen, war ich hierauf.
Jch will das alles geſtehen! (ſagte ich) was
ihr nur fuͤr Nahmen finden koͤnnt, mich damit
zu beſchimpfen, die will ich alle auf mir ſitzen laſ-
ſen. Jch bekenne meine Unwuͤrdigkeit in Ab-
ſicht auf dieſen Herrn: ich glaube euch alle ſei-
ne Vorzuͤge auf eur Wort zu, und habe weder
Zeit noch Luſt, ſie ſelbſt zu unterſuchen. Sie
moͤgen wol gar ſo groß ſeyn, als eure eigenen.
Allein ich kan ihm dafuͤr nicht dancken, daß er
mein Mitler werden will: denn wer ſieht nicht
(zu meinem Onckle) daß dieſes ihn in aller Au-
gen erhebet, und mich herunter ſetzt?
Jch wandte mich hierauf zu meinem Bruder,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/341>, abgerufen am 23.11.2024.
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