diese, oder irgend eine andere Art des Todes übernehmen, die doch bald überstanden seyn wird, als die ihrige seyn, und durch sie ewig unglücklich werden.
Mein Onckle kam hierüber in eine ausneh- mende Wuth. Er fassete Herrn Solmes/ der sehr bestürtzt zu seyn schien, bey der Hand, und führete ihn an das Fenster. Verwundern sie sich nicht Herr Solmes/ sagte er zu ihm, seyn sie auser Sorgen. Wir wissen (mit einem gar- stigen Fluch) was Weiber-Geschwätz zu bedeu- ten hat: der Wind ist nicht so stürmisch und nicht so veränderlich. (Er fluchte noch einmahl dazu.) Wenn sie es der Mühe werth achten, noch einige Geduld zu haben und dem undanck- baren Mädchen Zeit zu lassen, so werde ich Bür- ge dafür, sie wird bald umkehren. Jch werde Bürge für sie. (Er bekräfftigte dieses zum drit- ten mahl mit einem Fluche.)
Jch hatte mich unterdessen voller Unruhe und Unordnung gegen über in das Fenster gestellet. Er kam auf mich zu, als wenn er mich schla- gen wollte: sein Gesicht war in voller Arbeit, seine Hände waren in einander gerungen, und die Zähne biß er zusammen. Ja! ja!! ja! sie müssen, sie müssen, sie müssen (zischete der arme Mann heraus) Herrn Solmes nehmen. Es soll nicht über eine Woche lang mehr währen. (Er setzte noch die vierte Betheurung hinzu. Der arme Mann! wie schwor und fluchte er doch! Jst es nicht sonderlich, daß Leute, die in
ihrem
der Clariſſa.
dieſe, oder irgend eine andere Art des Todes uͤbernehmen, die doch bald uͤberſtanden ſeyn wird, als die ihrige ſeyn, und durch ſie ewig ungluͤcklich werden.
Mein Onckle kam hieruͤber in eine ausneh- mende Wuth. Er faſſete Herrn Solmes/ der ſehr beſtuͤrtzt zu ſeyn ſchien, bey der Hand, und fuͤhrete ihn an das Fenſter. Verwundern ſie ſich nicht Herr Solmes/ ſagte er zu ihm, ſeyn ſie auſer Sorgen. Wir wiſſen (mit einem gar- ſtigen Fluch) was Weiber-Geſchwaͤtz zu bedeu- ten hat: der Wind iſt nicht ſo ſtuͤrmiſch und nicht ſo veraͤnderlich. (Er fluchte noch einmahl dazu.) Wenn ſie es der Muͤhe werth achten, noch einige Geduld zu haben und dem undanck- baren Maͤdchen Zeit zu laſſen, ſo werde ich Buͤr- ge dafuͤr, ſie wird bald umkehren. Jch werde Buͤrge fuͤr ſie. (Er bekraͤfftigte dieſes zum drit- ten mahl mit einem Fluche.)
Jch hatte mich unterdeſſen voller Unruhe und Unordnung gegen uͤber in das Fenſter geſtellet. Er kam auf mich zu, als wenn er mich ſchla- gen wollte: ſein Geſicht war in voller Arbeit, ſeine Haͤnde waren in einander gerungen, und die Zaͤhne biß er zuſammen. Ja! ja!! ja! ſie muͤſſen, ſie muͤſſen, ſie muͤſſen (ziſchete der arme Mann heraus) Herrn Solmes nehmen. Es ſoll nicht uͤber eine Woche lang mehr waͤhren. (Er ſetzte noch die vierte Betheurung hinzu. Der arme Mann! wie ſchwor und fluchte er doch! Jſt es nicht ſonderlich, daß Leute, die in
ihrem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0321"n="315"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa</hi>.</hi></fw><lb/>
dieſe, oder irgend eine andere Art des Todes<lb/>
uͤbernehmen, die doch bald uͤberſtanden ſeyn wird,<lb/>
als die ihrige ſeyn, und durch ſie ewig ungluͤcklich<lb/>
werden.</p><lb/><p>Mein Onckle kam hieruͤber in eine ausneh-<lb/>
mende Wuth. Er faſſete Herrn <hirendition="#fr">Solmes/</hi> der<lb/>ſehr beſtuͤrtzt zu ſeyn ſchien, bey der Hand, und<lb/>
fuͤhrete ihn an das Fenſter. Verwundern ſie<lb/>ſich nicht Herr <hirendition="#fr">Solmes/</hi>ſagte er zu ihm, ſeyn<lb/>ſie auſer Sorgen. Wir wiſſen (mit einem gar-<lb/>ſtigen Fluch) was Weiber-Geſchwaͤtz zu bedeu-<lb/>
ten hat: der Wind iſt nicht ſo ſtuͤrmiſch und<lb/>
nicht ſo veraͤnderlich. (Er fluchte noch einmahl<lb/>
dazu.) Wenn ſie es der Muͤhe werth achten,<lb/>
noch einige Geduld zu haben und dem undanck-<lb/>
baren Maͤdchen Zeit zu laſſen, ſo werde ich Buͤr-<lb/>
ge dafuͤr, ſie wird bald umkehren. Jch werde<lb/>
Buͤrge fuͤr ſie. (Er bekraͤfftigte dieſes zum drit-<lb/>
ten mahl mit einem Fluche.)</p><lb/><p>Jch hatte mich unterdeſſen voller Unruhe und<lb/>
Unordnung gegen uͤber in das Fenſter geſtellet.<lb/>
Er kam auf mich zu, als wenn er mich ſchla-<lb/>
gen wollte: ſein Geſicht war in voller Arbeit,<lb/>ſeine Haͤnde waren in einander gerungen, und<lb/>
die Zaͤhne biß er zuſammen. Ja! ja!! ja! ſie<lb/>
muͤſſen, ſie muͤſſen, ſie muͤſſen (ziſchete der arme<lb/>
Mann heraus) Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> nehmen. Es<lb/>ſoll nicht uͤber eine Woche lang mehr waͤhren.<lb/>
(Er ſetzte noch die vierte Betheurung hinzu.<lb/>
Der arme Mann! wie ſchwor und fluchte er<lb/>
doch! Jſt es nicht ſonderlich, daß Leute, die in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ihrem</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[315/0321]
der Clariſſa.
dieſe, oder irgend eine andere Art des Todes
uͤbernehmen, die doch bald uͤberſtanden ſeyn wird,
als die ihrige ſeyn, und durch ſie ewig ungluͤcklich
werden.
Mein Onckle kam hieruͤber in eine ausneh-
mende Wuth. Er faſſete Herrn Solmes/ der
ſehr beſtuͤrtzt zu ſeyn ſchien, bey der Hand, und
fuͤhrete ihn an das Fenſter. Verwundern ſie
ſich nicht Herr Solmes/ ſagte er zu ihm, ſeyn
ſie auſer Sorgen. Wir wiſſen (mit einem gar-
ſtigen Fluch) was Weiber-Geſchwaͤtz zu bedeu-
ten hat: der Wind iſt nicht ſo ſtuͤrmiſch und
nicht ſo veraͤnderlich. (Er fluchte noch einmahl
dazu.) Wenn ſie es der Muͤhe werth achten,
noch einige Geduld zu haben und dem undanck-
baren Maͤdchen Zeit zu laſſen, ſo werde ich Buͤr-
ge dafuͤr, ſie wird bald umkehren. Jch werde
Buͤrge fuͤr ſie. (Er bekraͤfftigte dieſes zum drit-
ten mahl mit einem Fluche.)
Jch hatte mich unterdeſſen voller Unruhe und
Unordnung gegen uͤber in das Fenſter geſtellet.
Er kam auf mich zu, als wenn er mich ſchla-
gen wollte: ſein Geſicht war in voller Arbeit,
ſeine Haͤnde waren in einander gerungen, und
die Zaͤhne biß er zuſammen. Ja! ja!! ja! ſie
muͤſſen, ſie muͤſſen, ſie muͤſſen (ziſchete der arme
Mann heraus) Herrn Solmes nehmen. Es
ſoll nicht uͤber eine Woche lang mehr waͤhren.
(Er ſetzte noch die vierte Betheurung hinzu.
Der arme Mann! wie ſchwor und fluchte er
doch! Jſt es nicht ſonderlich, daß Leute, die in
ihrem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/321>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.