ihrem Leben so viel bey dem Sturm ausgestan- den haben, selbst so stürmisch sind!)
Jch sagte: es thut mir leid, daß ich sie so zornig sehe. Jch mercke allzuwohl, daß alles dieses meines Bruders Anstifften ist, der doch selbst die Probe des Gehorsams nicht geben wür- de, die jetzt von mir erwartet wird. Es wird für mich am besten seyn, daß ich weggehe: denn ich fürchte, ich werde sie nur noch mehr erbittern. Denn so gern ich ihnen auch Gehorsam leisten wollte, wenn ich könnte, so ist doch hierin meine Entschliessung allzuvest gefaßt, und ich kan nicht einmahl wünschen sie zu ändern.
Wie konnte ich mich gelinder erklären, da Solmes bey allem gegenwärtig war, was er sagte?
Jch wollte zu der Thür hinaus gehen, zu der ich herein gekommen war. Die beyden Leute sahen einander an, als wüsten sie nicht, was sie thun sollten, ob sie mich sollten aufhalten, oder gehen lassen. Aber wen traf ich vor der Thür an, als meinen Bruder, der alles gehört hatte, was vorgegangen war?
Urtheilen sie selbst von meiner Verwunderung, als ich ihn so unvermuthet vor mir stehen sahe. Er fassete mich, so starck er konnte, an die Hand, und sagte: kehren sie doch wieder um: artige Fräulein. Kehren sie um, wenn es gefällig ist! Eingemaurt sollt ihr nicht werden. Euer Bru- der, der die gantze Familie aufhetzt, wird das nicht zugeben. O du gefallener Engel! (sagte
er,
Die Geſchichte
ihrem Leben ſo viel bey dem Sturm ausgeſtan- den haben, ſelbſt ſo ſtuͤrmiſch ſind!)
Jch ſagte: es thut mir leid, daß ich ſie ſo zornig ſehe. Jch mercke allzuwohl, daß alles dieſes meines Bruders Anſtifften iſt, der doch ſelbſt die Probe des Gehorſams nicht geben wuͤr- de, die jetzt von mir erwartet wird. Es wird fuͤr mich am beſten ſeyn, daß ich weggehe: denn ich fuͤrchte, ich werde ſie nur noch mehr erbittern. Denn ſo gern ich ihnen auch Gehorſam leiſten wollte, wenn ich koͤnnte, ſo iſt doch hierin meine Entſchlieſſung allzuveſt gefaßt, und ich kan nicht einmahl wuͤnſchen ſie zu aͤndern.
Wie konnte ich mich gelinder erklaͤren, da Solmes bey allem gegenwaͤrtig war, was er ſagte?
Jch wollte zu der Thuͤr hinaus gehen, zu der ich herein gekommen war. Die beyden Leute ſahen einander an, als wuͤſten ſie nicht, was ſie thun ſollten, ob ſie mich ſollten aufhalten, oder gehen laſſen. Aber wen traf ich vor der Thuͤr an, als meinen Bruder, der alles gehoͤrt hatte, was vorgegangen war?
Urtheilen ſie ſelbſt von meiner Verwunderung, als ich ihn ſo unvermuthet vor mir ſtehen ſahe. Er faſſete mich, ſo ſtarck er konnte, an die Hand, und ſagte: kehren ſie doch wieder um: artige Fraͤulein. Kehren ſie um, wenn es gefaͤllig iſt! Eingemaurt ſollt ihr nicht werden. Euer Bru- der, der die gantze Familie aufhetzt, wird das nicht zugeben. O du gefallener Engel! (ſagte
er,
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Die Geſchichte
ihrem Leben ſo viel bey dem Sturm ausgeſtan-
den haben, ſelbſt ſo ſtuͤrmiſch ſind!)
Jch ſagte: es thut mir leid, daß ich ſie ſo
zornig ſehe. Jch mercke allzuwohl, daß alles
dieſes meines Bruders Anſtifften iſt, der doch
ſelbſt die Probe des Gehorſams nicht geben wuͤr-
de, die jetzt von mir erwartet wird. Es wird
fuͤr mich am beſten ſeyn, daß ich weggehe: denn
ich fuͤrchte, ich werde ſie nur noch mehr erbittern.
Denn ſo gern ich ihnen auch Gehorſam leiſten
wollte, wenn ich koͤnnte, ſo iſt doch hierin meine
Entſchlieſſung allzuveſt gefaßt, und ich kan nicht
einmahl wuͤnſchen ſie zu aͤndern.
Wie konnte ich mich gelinder erklaͤren, da
Solmes bey allem gegenwaͤrtig war, was er
ſagte?
Jch wollte zu der Thuͤr hinaus gehen, zu der
ich herein gekommen war. Die beyden Leute
ſahen einander an, als wuͤſten ſie nicht, was ſie
thun ſollten, ob ſie mich ſollten aufhalten, oder
gehen laſſen. Aber wen traf ich vor der Thuͤr
an, als meinen Bruder, der alles gehoͤrt hatte,
was vorgegangen war?
Urtheilen ſie ſelbſt von meiner Verwunderung,
als ich ihn ſo unvermuthet vor mir ſtehen ſahe.
Er faſſete mich, ſo ſtarck er konnte, an die Hand,
und ſagte: kehren ſie doch wieder um: artige
Fraͤulein. Kehren ſie um, wenn es gefaͤllig iſt!
Eingemaurt ſollt ihr nicht werden. Euer Bru-
der, der die gantze Familie aufhetzt, wird das
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/322>, abgerufen am 25.11.2024.
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