Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
Glück gewesen. Er hoffete ein gleiches Glück
in seinen Umständen.

Jch kan (erwiederte ich) in einer so wichtigen
Sache aus Höflichkeit nicht anders reden, als ich
es meine: indessen thut es mir leid, daß ich so
deutlich reden muß. Sie müssen wissen, daß
ich unüberwindliche Einwendungen gegen sie ha-
be. Jch habe dieses schon so ernstlich bezeuget,
daß ich nicht weiß, ob jemahls eine abschlägige
Antwort deutlicher gewesen ist: weil ich glaub-
te, daß niemahls eine junge Person in meinen
Umständen so viel Grobheit hat erdulden müs-
sen, als ich um ihrentwillen erduldet habe.

Man hoffet aber, Fräulein, daß sie ihr Ja-
Wort mit der Zeit geben werden. Das hoffet
man: und ich bin ein unglücklicher Mensch, wenn
ich mich in dieser Hoffnung betrogen sehe.

Vergönnen sie mir zu sagen, mein Herr, daß
es besser ist, wenn sie allein unglücklich sind, als
wenn sie noch jemand neben sich unglücklich ma-
chen.

Sie mögen vielleicht etwas widriges von mir
gehört haben, Fräulein. Ein jeder Mensch hat
seine Feinde. Lassen sie mich nur erfahren, was
sie gehört haben, so will ich entweder meine Feh-
ler bekennen und mich bessern, oder ich will ih-
nen beweisen, daß man mich auf eine niederträch-
tige Weise mit Dreck besprützt hat. Jch
höre, daß sie etwas halb gehört haben sollen, das
ich gesagt haben soll: ich bin vielleicht unbe-
hutsam im Reden gewesen, aber ich habe nichts

gesagt,

Die Geſchichte
Gluͤck geweſen. Er hoffete ein gleiches Gluͤck
in ſeinen Umſtaͤnden.

Jch kan (erwiederte ich) in einer ſo wichtigen
Sache aus Hoͤflichkeit nicht anders reden, als ich
es meine: indeſſen thut es mir leid, daß ich ſo
deutlich reden muß. Sie muͤſſen wiſſen, daß
ich unuͤberwindliche Einwendungen gegen ſie ha-
be. Jch habe dieſes ſchon ſo ernſtlich bezeuget,
daß ich nicht weiß, ob jemahls eine abſchlaͤgige
Antwort deutlicher geweſen iſt: weil ich glaub-
te, daß niemahls eine junge Perſon in meinen
Umſtaͤnden ſo viel Grobheit hat erdulden muͤſ-
ſen, als ich um ihrentwillen erduldet habe.

Man hoffet aber, Fraͤulein, daß ſie ihr Ja-
Wort mit der Zeit geben werden. Das hoffet
man: und ich bin ein ungluͤcklicher Menſch, wenn
ich mich in dieſer Hoffnung betrogen ſehe.

Vergoͤnnen ſie mir zu ſagen, mein Herr, daß
es beſſer iſt, wenn ſie allein ungluͤcklich ſind, als
wenn ſie noch jemand neben ſich ungluͤcklich ma-
chen.

Sie moͤgen vielleicht etwas widriges von mir
gehoͤrt haben, Fraͤulein. Ein jeder Menſch hat
ſeine Feinde. Laſſen ſie mich nur erfahren, was
ſie gehoͤrt haben, ſo will ich entweder meine Feh-
ler bekennen und mich beſſern, oder ich will ih-
nen beweiſen, daß man mich auf eine niedertraͤch-
tige Weiſe mit Dreck beſpruͤtzt hat. Jch
hoͤre, daß ſie etwas halb gehoͤrt haben ſollen, das
ich geſagt haben ſoll: ich bin vielleicht unbe-
hutſam im Reden geweſen, aber ich habe nichts

geſagt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0316" n="310"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
Glu&#x0364;ck gewe&#x017F;en. Er hoffete ein gleiches Glu&#x0364;ck<lb/>
in &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;nden.</p><lb/>
          <p>Jch kan (erwiederte ich) in einer &#x017F;o wichtigen<lb/>
Sache aus Ho&#x0364;flichkeit nicht anders reden, als ich<lb/>
es meine: inde&#x017F;&#x017F;en thut es mir leid, daß ich &#x017F;o<lb/>
deutlich reden muß. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
ich unu&#x0364;berwindliche Einwendungen gegen &#x017F;ie ha-<lb/>
be. Jch habe die&#x017F;es &#x017F;chon &#x017F;o ern&#x017F;tlich bezeuget,<lb/>
daß ich nicht weiß, ob jemahls eine ab&#x017F;chla&#x0364;gige<lb/>
Antwort deutlicher gewe&#x017F;en i&#x017F;t: weil ich glaub-<lb/>
te, daß niemahls eine junge Per&#x017F;on in meinen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;o viel Grobheit hat erdulden mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, als ich um ihrentwillen erduldet habe.</p><lb/>
          <p>Man hoffet aber, Fra&#x0364;ulein, daß &#x017F;ie ihr Ja-<lb/>
Wort mit der Zeit geben werden. Das hoffet<lb/>
man: und ich bin ein unglu&#x0364;cklicher Men&#x017F;ch, wenn<lb/>
ich mich in die&#x017F;er Hoffnung betrogen &#x017F;ehe.</p><lb/>
          <p>Vergo&#x0364;nnen &#x017F;ie mir zu &#x017F;agen, mein Herr, daß<lb/>
es be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, wenn &#x017F;ie allein unglu&#x0364;cklich &#x017F;ind, als<lb/>
wenn &#x017F;ie noch jemand neben &#x017F;ich unglu&#x0364;cklich ma-<lb/>
chen.</p><lb/>
          <p>Sie mo&#x0364;gen vielleicht etwas widriges von mir<lb/>
geho&#x0364;rt haben, Fra&#x0364;ulein. Ein jeder Men&#x017F;ch hat<lb/>
&#x017F;eine Feinde. La&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich nur erfahren, was<lb/>
&#x017F;ie geho&#x0364;rt haben, &#x017F;o will ich entweder meine Feh-<lb/>
ler bekennen und mich be&#x017F;&#x017F;ern, oder ich will ih-<lb/>
nen bewei&#x017F;en, daß man mich auf eine niedertra&#x0364;ch-<lb/>
tige Wei&#x017F;e <hi rendition="#fr">mit Dreck be&#x017F;pru&#x0364;tzt hat.</hi> Jch<lb/>
ho&#x0364;re, daß &#x017F;ie etwas halb geho&#x0364;rt haben &#x017F;ollen, das<lb/>
ich ge&#x017F;agt haben &#x017F;oll: ich bin vielleicht unbe-<lb/>
hut&#x017F;am im Reden gewe&#x017F;en, aber ich habe nichts<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;agt,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0316] Die Geſchichte Gluͤck geweſen. Er hoffete ein gleiches Gluͤck in ſeinen Umſtaͤnden. Jch kan (erwiederte ich) in einer ſo wichtigen Sache aus Hoͤflichkeit nicht anders reden, als ich es meine: indeſſen thut es mir leid, daß ich ſo deutlich reden muß. Sie muͤſſen wiſſen, daß ich unuͤberwindliche Einwendungen gegen ſie ha- be. Jch habe dieſes ſchon ſo ernſtlich bezeuget, daß ich nicht weiß, ob jemahls eine abſchlaͤgige Antwort deutlicher geweſen iſt: weil ich glaub- te, daß niemahls eine junge Perſon in meinen Umſtaͤnden ſo viel Grobheit hat erdulden muͤſ- ſen, als ich um ihrentwillen erduldet habe. Man hoffet aber, Fraͤulein, daß ſie ihr Ja- Wort mit der Zeit geben werden. Das hoffet man: und ich bin ein ungluͤcklicher Menſch, wenn ich mich in dieſer Hoffnung betrogen ſehe. Vergoͤnnen ſie mir zu ſagen, mein Herr, daß es beſſer iſt, wenn ſie allein ungluͤcklich ſind, als wenn ſie noch jemand neben ſich ungluͤcklich ma- chen. Sie moͤgen vielleicht etwas widriges von mir gehoͤrt haben, Fraͤulein. Ein jeder Menſch hat ſeine Feinde. Laſſen ſie mich nur erfahren, was ſie gehoͤrt haben, ſo will ich entweder meine Feh- ler bekennen und mich beſſern, oder ich will ih- nen beweiſen, daß man mich auf eine niedertraͤch- tige Weiſe mit Dreck beſpruͤtzt hat. Jch hoͤre, daß ſie etwas halb gehoͤrt haben ſollen, das ich geſagt haben ſoll: ich bin vielleicht unbe- hutſam im Reden geweſen, aber ich habe nichts geſagt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/316
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/316>, abgerufen am 18.05.2024.