thun müssen, wenn sie sich verlauten liessen: sie hätten zwar sonst immer den Ruhm gehabt/ daß sie ehrlich wären. Da aber ihre Herrschaft argwöhnisch sey/ so woll- ten sie ihr Ursache zum Argwohn geden.
Wie weit hat mich die Vergleichung zwischen dem Betragen meiner Freunde gegen mich, und meinem Betragen gegen ihre Bediente von mei- nem Zweck abgeführet! Allein wir haben es uns einander nie übel genommen, weitläuftig in sol- chen Dingen zu seyn, die unser Gemüth abmüs- sigen, und unsere Einsichten oder Sitten bessern konnten, es sey nun daß sie sich zu unsern jetzi- gen oder künftigen Umständen schickten.
Meine eigentliche Absicht war, Jhnen zu zei- gen, wie künstlich ich meiner Wächterin die Au- gen zu verkleistern suche, und zugleich denen, die sie über mich gesetzt haben, alle Sorge und Arg- wohn benehme, so über meinen öfteren Aufent- halt in dem Garten und Hünerhofe geschöpft werden könnte. Auf wen man argwöhnisch ist, der wird an Erfindung nicht arm seyn. Bald fehlt mir nichts als frische Lusst, und ich bin den Augenblick besser, wenn ich aus der Stube ge- treten bin. Ein anderesmahl bin ich niederge- schlagen, und denn richte ich mich bey meinen Phasanen und bey der Cascade auf, denn jene sind so lebhaft, daß sie einen mit aufmuntern, und diese thut es durch ihren brausenden Fall und hohles Geräusch. Bisweilen suche ich nichts als die Einsamkeit, und die fürchterliche Stille
der
Zweyter Theil. Q
der Clariſſa.
thun muͤſſen, wenn ſie ſich verlauten lieſſen: ſie haͤtten zwar ſonſt immer den Ruhm gehabt/ daß ſie ehrlich waͤren. Da aber ihre Herrſchaft argwoͤhniſch ſey/ ſo woll- ten ſie ihr Urſache zum Argwohn geden.
Wie weit hat mich die Vergleichung zwiſchen dem Betragen meiner Freunde gegen mich, und meinem Betragen gegen ihre Bediente von mei- nem Zweck abgefuͤhret! Allein wir haben es uns einander nie uͤbel genommen, weitlaͤuftig in ſol- chen Dingen zu ſeyn, die unſer Gemuͤth abmuͤſ- ſigen, und unſere Einſichten oder Sitten beſſern konnten, es ſey nun daß ſie ſich zu unſern jetzi- gen oder kuͤnftigen Umſtaͤnden ſchickten.
Meine eigentliche Abſicht war, Jhnen zu zei- gen, wie kuͤnſtlich ich meiner Waͤchterin die Au- gen zu verkleiſtern ſuche, und zugleich denen, die ſie uͤber mich geſetzt haben, alle Sorge und Arg- wohn benehme, ſo uͤber meinen oͤfteren Aufent- halt in dem Garten und Huͤnerhofe geſchoͤpft werden koͤnnte. Auf wen man argwoͤhniſch iſt, der wird an Erfindung nicht arm ſeyn. Bald fehlt mir nichts als friſche Luſſt, und ich bin den Augenblick beſſer, wenn ich aus der Stube ge- treten bin. Ein anderesmahl bin ich niederge- ſchlagen, und denn richte ich mich bey meinen Phaſanen und bey der Cascade auf, denn jene ſind ſo lebhaft, daß ſie einen mit aufmuntern, und dieſe thut es durch ihren brauſenden Fall und hohles Geraͤuſch. Bisweilen ſuche ich nichts als die Einſamkeit, und die fuͤrchterliche Stille
der
Zweyter Theil. Q
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der Clariſſa.
thun muͤſſen, wenn ſie ſich verlauten lieſſen:
ſie haͤtten zwar ſonſt immer den Ruhm
gehabt/ daß ſie ehrlich waͤren. Da aber
ihre Herrſchaft argwoͤhniſch ſey/ ſo woll-
ten ſie ihr Urſache zum Argwohn geden.
Wie weit hat mich die Vergleichung zwiſchen
dem Betragen meiner Freunde gegen mich, und
meinem Betragen gegen ihre Bediente von mei-
nem Zweck abgefuͤhret! Allein wir haben es uns
einander nie uͤbel genommen, weitlaͤuftig in ſol-
chen Dingen zu ſeyn, die unſer Gemuͤth abmuͤſ-
ſigen, und unſere Einſichten oder Sitten beſſern
konnten, es ſey nun daß ſie ſich zu unſern jetzi-
gen oder kuͤnftigen Umſtaͤnden ſchickten.
Meine eigentliche Abſicht war, Jhnen zu zei-
gen, wie kuͤnſtlich ich meiner Waͤchterin die Au-
gen zu verkleiſtern ſuche, und zugleich denen, die
ſie uͤber mich geſetzt haben, alle Sorge und Arg-
wohn benehme, ſo uͤber meinen oͤfteren Aufent-
halt in dem Garten und Huͤnerhofe geſchoͤpft
werden koͤnnte. Auf wen man argwoͤhniſch iſt,
der wird an Erfindung nicht arm ſeyn. Bald
fehlt mir nichts als friſche Luſſt, und ich bin den
Augenblick beſſer, wenn ich aus der Stube ge-
treten bin. Ein anderesmahl bin ich niederge-
ſchlagen, und denn richte ich mich bey meinen
Phaſanen und bey der Cascade auf, denn jene
ſind ſo lebhaft, daß ſie einen mit aufmuntern,
und dieſe thut es durch ihren brauſenden Fall
und hohles Geraͤuſch. Bisweilen ſuche ich nichts
als die Einſamkeit, und die fuͤrchterliche Stille
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/247>, abgerufen am 21.11.2024.
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