Nur noch ein eintziges Wort, meine liebste Frau Base. Reden sie alles was sie können zum Be- sten der armen Frau Norton. Jhre zeitliche Umstände sind schlecht: wenn sie kranck würde, so würde sie nicht ohne meiner Mutter Hülfe leben können. Jch habe keine Mittel ihr zu helffen, denn ich will ehe der Nothdurft entbehren, als mein Recht gerichtlich behaupten. Jch versiche- re Jhnen, sie hat so viel zu mir gesagt, mich zu überreden, daß ich meines Vaters Willen fol- gen möchte, daß ihre Gründe ein grosses dazu beygetragen haben, mich von Erwählung der äus- sersten Mittel abzuhalten, zu denen ich nur wün- sche nicht zuletzt gezwungen zu werden. Und den- noch berauben sie mich ihres guten Raths, und hegen von einer so vortreflichen Frau niederträch- tige Gedancken.
Jch freue mich, daß ich dieses von ihnen höre. Jch nehme noch diesen, noch diesen Kuß, noch diesen Kuß von ihnen weg, allerliebstes Kind: (so nannte sie mich beynahe alle Augenblicke, und küssete und umarmete mich auf das liebreichste.) GOtt schütze und leite sie. Allein sie müssen sich unterwerfen: sie müssen wahrhaftig. Ein Tag in diesem Monath ist alles worüber sie noch eine freye Wahl haben.
Jch glaube, daß dieses das Urtheil war, wel- ches meine Schwester sie nöthigen wollte auszu- sprechen. Es war aber nicht schlimmer, als das was schon vorhin über mich ausgesprochen war.
Sie sprach diese letzten Worte lauter als die vorigen, und setzte hinzu: bedenckell sie Fräulein,
daß
Die Geſchichte
Nur noch ein eintziges Wort, meine liebſte Frau Baſe. Reden ſie alles was ſie koͤnnen zum Be- ſten der armen Frau Norton. Jhre zeitliche Umſtaͤnde ſind ſchlecht: wenn ſie kranck wuͤrde, ſo wuͤrde ſie nicht ohne meiner Mutter Huͤlfe leben koͤnnen. Jch habe keine Mittel ihr zu helffen, denn ich will ehe der Nothdurft entbehren, als mein Recht gerichtlich behaupten. Jch verſiche- re Jhnen, ſie hat ſo viel zu mir geſagt, mich zu uͤberreden, daß ich meines Vaters Willen fol- gen moͤchte, daß ihre Gruͤnde ein groſſes dazu beygetragen haben, mich von Erwaͤhlung der aͤuſ- ſerſten Mittel abzuhalten, zu denen ich nur wuͤn- ſche nicht zuletzt gezwungen zu werden. Und den- noch berauben ſie mich ihres guten Raths, und hegen von einer ſo vortreflichen Frau niedertraͤch- tige Gedancken.
Jch freue mich, daß ich dieſes von ihnen hoͤre. Jch nehme noch dieſen, noch dieſen Kuß, noch dieſen Kuß von ihnen weg, allerliebſtes Kind: (ſo nannte ſie mich beynahe alle Augenblicke, und kuͤſſete und umarmete mich auf das liebreichſte.) GOtt ſchuͤtze und leite ſie. Allein ſie muͤſſen ſich unterwerfen: ſie muͤſſen wahrhaftig. Ein Tag in dieſem Monath iſt alles woruͤber ſie noch eine freye Wahl haben.
Jch glaube, daß dieſes das Urtheil war, wel- ches meine Schweſter ſie noͤthigen wollte auszu- ſprechen. Es war aber nicht ſchlimmer, als das was ſchon vorhin uͤber mich ausgeſprochen war.
Sie ſprach dieſe letzten Worte lauter als die vorigen, und ſetzte hinzu: bedenckell ſie Fraͤulein,
daß
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Die Geſchichte
Nur noch ein eintziges Wort, meine liebſte Frau
Baſe. Reden ſie alles was ſie koͤnnen zum Be-
ſten der armen Frau Norton. Jhre zeitliche
Umſtaͤnde ſind ſchlecht: wenn ſie kranck wuͤrde, ſo
wuͤrde ſie nicht ohne meiner Mutter Huͤlfe leben
koͤnnen. Jch habe keine Mittel ihr zu helffen,
denn ich will ehe der Nothdurft entbehren, als
mein Recht gerichtlich behaupten. Jch verſiche-
re Jhnen, ſie hat ſo viel zu mir geſagt, mich zu
uͤberreden, daß ich meines Vaters Willen fol-
gen moͤchte, daß ihre Gruͤnde ein groſſes dazu
beygetragen haben, mich von Erwaͤhlung der aͤuſ-
ſerſten Mittel abzuhalten, zu denen ich nur wuͤn-
ſche nicht zuletzt gezwungen zu werden. Und den-
noch berauben ſie mich ihres guten Raths, und
hegen von einer ſo vortreflichen Frau niedertraͤch-
tige Gedancken.
Jch freue mich, daß ich dieſes von ihnen hoͤre.
Jch nehme noch dieſen, noch dieſen Kuß, noch
dieſen Kuß von ihnen weg, allerliebſtes Kind:
(ſo nannte ſie mich beynahe alle Augenblicke, und
kuͤſſete und umarmete mich auf das liebreichſte.)
GOtt ſchuͤtze und leite ſie. Allein ſie muͤſſen ſich
unterwerfen: ſie muͤſſen wahrhaftig. Ein Tag
in dieſem Monath iſt alles woruͤber ſie noch eine
freye Wahl haben.
Jch glaube, daß dieſes das Urtheil war, wel-
ches meine Schweſter ſie noͤthigen wollte auszu-
ſprechen. Es war aber nicht ſchlimmer, als das
was ſchon vorhin uͤber mich ausgeſprochen war.
Sie ſprach dieſe letzten Worte lauter als die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/538>, abgerufen am 25.11.2024.
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