schwartzen Ochsen: und die Ehe nebst einer klugen Frau sollten Wunder thun. Allein, Schwester, ich sehe wohl, daß ich schon zu viel geredet habe.
Du gottlose Tadlerin! (sagte sie) Woher kam es, daß ich einen Abscheu vor ihm bekam, als von den Proben seiner Liederlichkeit, die bey euch auch einen Eindruck gemacht haben sollten, wenn ihr nur halb so fromm wäret, als ihr vorgebet?
Proben? (sagte ich) Schwester. Jch habe nicht gemeint, daß ihr Proben davon gehabt hättet. Jhr müßt es selbst am besten wissen. (War das nicht allzu spöttisch geredet?)
Clärchen! - - tausend Pfund wollte ich dir gern geben, wenn du mir alles sagen wolltest, was jetzt in deinem bittern tadelsüchtigen Hertzen ist?
Vor viel weniger Geld könnt ihr das zu erfah- ren kriegen, ohne daß ich mich fürchten darf, daß ihr mir schlimmer begegnen werdet, als gesche- hen ist.
Fräuleins es thut mir leyd, daß ihr beyde so hitzig werdet. Sie wissen, Clärchen, daß sie nicht so würden eingesperret seyn, wenn ihre Mutter durch Güte oder ihr Vater durch Ernst etwas hätte ausrichten können. Wenn ein Theil nachgeben soll, wie können sie erwarten, daß es von jener Seiten geschehen soll? Wenn mein Dortbchen, die nicht den hundertsten Theil von ihrem Verstande hat, sich meinem Willen in einer so wichtigen Sache so gerade zu widersetzen woll- te, so würde ich es ihr gewiß sehr übel nehmen.
Jch
Die Geſchichte
ſchwartzen Ochſen: und die Ehe nebſt einer klugen Frau ſollten Wunder thun. Allein, Schweſter, ich ſehe wohl, daß ich ſchon zu viel geredet habe.
Du gottloſe Tadlerin! (ſagte ſie) Woher kam es, daß ich einen Abſcheu vor ihm bekam, als von den Proben ſeiner Liederlichkeit, die bey euch auch einen Eindruck gemacht haben ſollten, wenn ihr nur halb ſo fromm waͤret, als ihr vorgebet?
Proben? (ſagte ich) Schweſter. Jch habe nicht gemeint, daß ihr Proben davon gehabt haͤttet. Jhr muͤßt es ſelbſt am beſten wiſſen. (War das nicht allzu ſpoͤttiſch geredet?)
Claͤrchen! ‒ ‒ tauſend Pfund wollte ich dir gern geben, wenn du mir alles ſagen wollteſt, was jetzt in deinem bittern tadelſuͤchtigen Hertzen iſt?
Vor viel weniger Geld koͤnnt ihr das zu erfah- ren kriegen, ohne daß ich mich fuͤrchten darf, daß ihr mir ſchlimmer begegnen werdet, als geſche- hen iſt.
Fraͤuleins es thut mir leyd, daß ihr beyde ſo hitzig werdet. Sie wiſſen, Claͤrchen, daß ſie nicht ſo wuͤrden eingeſperret ſeyn, wenn ihre Mutter durch Guͤte oder ihr Vater durch Ernſt etwas haͤtte ausrichten koͤnnen. Wenn ein Theil nachgeben ſoll, wie koͤnnen ſie erwarten, daß es von jener Seiten geſchehen ſoll? Wenn mein Dortbchen, die nicht den hundertſten Theil von ihrem Verſtande hat, ſich meinem Willen in einer ſo wichtigen Sache ſo gerade zu widerſetzen woll- te, ſo wuͤrde ich es ihr gewiß ſehr uͤbel nehmen.
Jch
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0524"n="504"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><hirendition="#fr">ſchwartzen Ochſen:</hi> und die Ehe nebſt einer<lb/>
klugen Frau ſollten Wunder thun. Allein,<lb/>
Schweſter, ich ſehe wohl, daß ich ſchon zu viel<lb/>
geredet habe.</p><lb/><p>Du gottloſe Tadlerin! (ſagte ſie) Woher kam<lb/>
es, daß ich einen Abſcheu vor ihm bekam, als<lb/>
von den Proben ſeiner Liederlichkeit, die bey euch<lb/>
auch einen Eindruck gemacht haben ſollten, wenn<lb/>
ihr nur halb ſo fromm waͤret, als ihr vorgebet?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Proben?</hi> (ſagte ich) Schweſter. Jch habe<lb/>
nicht gemeint, daß ihr <hirendition="#fr">Proben</hi> davon gehabt<lb/>
haͤttet. <hirendition="#fr">Jhr muͤßt es ſelbſt am beſten wiſſen.</hi><lb/>
(War das nicht allzu ſpoͤttiſch geredet?)</p><lb/><p><hirendition="#fr">Claͤrchen!</hi>‒‒ tauſend Pfund wollte ich dir<lb/>
gern geben, wenn du mir alles ſagen wollteſt,<lb/>
was jetzt in deinem bittern tadelſuͤchtigen Hertzen<lb/>
iſt?</p><lb/><p>Vor viel weniger Geld koͤnnt ihr das zu erfah-<lb/>
ren kriegen, ohne daß ich mich fuͤrchten darf, daß<lb/>
ihr mir ſchlimmer begegnen werdet, als geſche-<lb/>
hen iſt.</p><lb/><p>Fraͤuleins es thut mir leyd, daß ihr beyde ſo<lb/>
hitzig werdet. Sie wiſſen, <hirendition="#fr">Claͤrchen,</hi> daß ſie<lb/>
nicht ſo wuͤrden eingeſperret ſeyn, wenn ihre<lb/>
Mutter durch Guͤte oder ihr Vater durch Ernſt<lb/>
etwas haͤtte ausrichten koͤnnen. Wenn ein Theil<lb/>
nachgeben ſoll, wie koͤnnen ſie erwarten, daß es<lb/>
von jener Seiten geſchehen ſoll? Wenn mein<lb/><hirendition="#fr">Dortbchen,</hi> die nicht den hundertſten Theil von<lb/>
ihrem Verſtande hat, ſich meinem Willen in einer<lb/>ſo wichtigen Sache ſo gerade zu widerſetzen woll-<lb/>
te, ſo wuͤrde ich es ihr gewiß ſehr uͤbel nehmen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[504/0524]
Die Geſchichte
ſchwartzen Ochſen: und die Ehe nebſt einer
klugen Frau ſollten Wunder thun. Allein,
Schweſter, ich ſehe wohl, daß ich ſchon zu viel
geredet habe.
Du gottloſe Tadlerin! (ſagte ſie) Woher kam
es, daß ich einen Abſcheu vor ihm bekam, als
von den Proben ſeiner Liederlichkeit, die bey euch
auch einen Eindruck gemacht haben ſollten, wenn
ihr nur halb ſo fromm waͤret, als ihr vorgebet?
Proben? (ſagte ich) Schweſter. Jch habe
nicht gemeint, daß ihr Proben davon gehabt
haͤttet. Jhr muͤßt es ſelbſt am beſten wiſſen.
(War das nicht allzu ſpoͤttiſch geredet?)
Claͤrchen! ‒ ‒ tauſend Pfund wollte ich dir
gern geben, wenn du mir alles ſagen wollteſt,
was jetzt in deinem bittern tadelſuͤchtigen Hertzen
iſt?
Vor viel weniger Geld koͤnnt ihr das zu erfah-
ren kriegen, ohne daß ich mich fuͤrchten darf, daß
ihr mir ſchlimmer begegnen werdet, als geſche-
hen iſt.
Fraͤuleins es thut mir leyd, daß ihr beyde ſo
hitzig werdet. Sie wiſſen, Claͤrchen, daß ſie
nicht ſo wuͤrden eingeſperret ſeyn, wenn ihre
Mutter durch Guͤte oder ihr Vater durch Ernſt
etwas haͤtte ausrichten koͤnnen. Wenn ein Theil
nachgeben ſoll, wie koͤnnen ſie erwarten, daß es
von jener Seiten geſchehen ſoll? Wenn mein
Dortbchen, die nicht den hundertſten Theil von
ihrem Verſtande hat, ſich meinem Willen in einer
ſo wichtigen Sache ſo gerade zu widerſetzen woll-
te, ſo wuͤrde ich es ihr gewiß ſehr uͤbel nehmen.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/524>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.