Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschichte
Verlarvte doch die Tugend nur den
Sünder:
Und was die Welt
Untadlich nennt/ wird doch durch ei-
nen Fleck verstellt.
An ihr/ an ihr/ dem Wunder der Natur/
Dem edelsten geschaffner Dinge/
Durch das ich mich entführt zum Him-
mel aufwärts schwinge/
Entdeckt man keines Fehlers Spur:
Jn ihrer Art steht sie nur eintzeln da.

Du fragst mich, ob ich nicht bald ein neues Spiel
anfangen will? und ob sich ein so allgemeiner Lieb-
haber so lange mit einer begnügen lassen kan? - - -
Du must diese angenehme Schöne nicht kennen,
daß du mir eine solche Frage vorlegen kanst: oder
du must dir einbilden, mich besser zu kennen als
du mich in der That kennest. Alles was man sich
bey dem andern Geschlecht vortrefliches vorstellen
kan.

Die Reitze/ die vom Himmel stammen/
Find' ich in Jhr vereint beysammen/
Jn Jhr nur/ der mein Hertz ein ewig
Denckmahl weyht.

Jch kan an keine andere gedencken, ehe ich nicht
durch den vertraulichen Umgang des Ehe-Bettes,
oder durch einen Umgang der mich eben so genau
mit ihr bekannt macht, ausgefunden habe, daß sie
nicht völlig ein Engel sey. Ueber dieses findet ein
solches Gemüth, als das meiuige ist, bey diesem

Liebes-
Die Geſchichte
Verlarvte doch die Tugend nur den
Suͤnder:
Und was die Welt
Untadlich nennt/ wird doch durch ei-
nen Fleck verſtellt.
An ihr/ an ihr/ dem Wunder der Natur/
Dem edelſten geſchaffner Dinge/
Durch das ich mich entfuͤhrt zum Him-
mel aufwaͤrts ſchwinge/
Entdeckt man keines Fehlers Spur:
Jn ihrer Art ſteht ſie nur eintzeln da.

Du fragſt mich, ob ich nicht bald ein neues Spiel
anfangen will? und ob ſich ein ſo allgemeiner Lieb-
haber ſo lange mit einer begnuͤgen laſſen kan? ‒ ‒ ‒
Du muſt dieſe angenehme Schoͤne nicht kennen,
daß du mir eine ſolche Frage vorlegen kanſt: oder
du muſt dir einbilden, mich beſſer zu kennen als
du mich in der That kenneſt. Alles was man ſich
bey dem andern Geſchlecht vortrefliches vorſtellen
kan.

Die Reitze/ die vom Himmel ſtammen/
Find’ ich in Jhr vereint beyſammen/
Jn Jhr nur/ der mein Hertz ein ewig
Denckmahl weyht.

Jch kan an keine andere gedencken, ehe ich nicht
durch den vertraulichen Umgang des Ehe-Bettes,
oder durch einen Umgang der mich eben ſo genau
mit ihr bekannt macht, ausgefunden habe, daß ſie
nicht voͤllig ein Engel ſey. Ueber dieſes findet ein
ſolches Gemuͤth, als das meiuige iſt, bey dieſem

Liebes-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote>
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0358" n="338"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/>
                <l> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#fr">Verlarvte doch die Tugend nur den</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Su&#x0364;nder:</hi> </hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Und was die Welt</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Untadlich nennt/ wird doch durch ei-</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">nen Fleck ver&#x017F;tellt.</hi> </hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">An ihr/ an ihr/ dem Wunder der Natur/</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">Dem edel&#x017F;ten ge&#x017F;chaffner Dinge/</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et"><hi rendition="#et">Durch das ich mich entfu&#x0364;hrt zum</hi> H<hi rendition="#fr">im-</hi></hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">mel aufwa&#x0364;rts &#x017F;chwinge/</hi> </hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Entdeckt man keines Fehlers Spur:</hi> </hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Jn ihrer Art &#x017F;teht &#x017F;ie nur eintzeln da.</hi> </hi> </l>
              </lg>
            </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Du frag&#x017F;t mich, ob ich nicht bald ein neues Spiel<lb/>
anfangen will? und ob &#x017F;ich ein &#x017F;o allgemeiner Lieb-<lb/>
haber &#x017F;o lange mit einer begnu&#x0364;gen la&#x017F;&#x017F;en kan? &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Du mu&#x017F;t die&#x017F;e angenehme Scho&#x0364;ne nicht kennen,<lb/>
daß du mir eine &#x017F;olche Frage vorlegen kan&#x017F;t: oder<lb/>
du mu&#x017F;t dir einbilden, mich be&#x017F;&#x017F;er zu kennen als<lb/>
du mich in der That kenne&#x017F;t. Alles was man &#x017F;ich<lb/>
bey dem andern Ge&#x017F;chlecht vortrefliches vor&#x017F;tellen<lb/>
kan.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#fr">Die Reitze/ die vom</hi> H<hi rendition="#fr">immel &#x017F;tammen/</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Find&#x2019; ich in Jhr vereint bey&#x017F;ammen/</hi> </l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Jn Jhr nur/ der mein</hi> H<hi rendition="#fr">ertz ein ewig</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Denckmahl weyht.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Jch kan an keine andere gedencken, ehe ich nicht<lb/>
durch den vertraulichen Umgang des Ehe-Bettes,<lb/>
oder durch einen Umgang der mich eben &#x017F;o genau<lb/>
mit ihr bekannt macht, ausgefunden habe, daß &#x017F;ie<lb/>
nicht vo&#x0364;llig ein Engel &#x017F;ey. Ueber die&#x017F;es findet ein<lb/>
&#x017F;olches Gemu&#x0364;th, als das meiuige i&#x017F;t, bey die&#x017F;em<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Liebes-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0358] Die Geſchichte Verlarvte doch die Tugend nur den Suͤnder: Und was die Welt Untadlich nennt/ wird doch durch ei- nen Fleck verſtellt. An ihr/ an ihr/ dem Wunder der Natur/ Dem edelſten geſchaffner Dinge/ Durch das ich mich entfuͤhrt zum Him- mel aufwaͤrts ſchwinge/ Entdeckt man keines Fehlers Spur: Jn ihrer Art ſteht ſie nur eintzeln da. Du fragſt mich, ob ich nicht bald ein neues Spiel anfangen will? und ob ſich ein ſo allgemeiner Lieb- haber ſo lange mit einer begnuͤgen laſſen kan? ‒ ‒ ‒ Du muſt dieſe angenehme Schoͤne nicht kennen, daß du mir eine ſolche Frage vorlegen kanſt: oder du muſt dir einbilden, mich beſſer zu kennen als du mich in der That kenneſt. Alles was man ſich bey dem andern Geſchlecht vortrefliches vorſtellen kan. Die Reitze/ die vom Himmel ſtammen/ Find’ ich in Jhr vereint beyſammen/ Jn Jhr nur/ der mein Hertz ein ewig Denckmahl weyht. Jch kan an keine andere gedencken, ehe ich nicht durch den vertraulichen Umgang des Ehe-Bettes, oder durch einen Umgang der mich eben ſo genau mit ihr bekannt macht, ausgefunden habe, daß ſie nicht voͤllig ein Engel ſey. Ueber dieſes findet ein ſolches Gemuͤth, als das meiuige iſt, bey dieſem Liebes-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/358
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/358>, abgerufen am 27.11.2024.