Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
"berechtigt halten, (so wenig ich ihn auch dafür
"halte) sich wegen der Aufführung zu rächen,
"über die er sich so heftig beklagt. Wenn ich ihm
"aber antworte, und er aus Hochachtung für
"mich sich einer Rache enthält die er für recht-
"mäßig ansiehet: so bedencken Sie einmal, in
"was für Schuld und Verpflichtung ich hiedurch
"wenigstens nach seiner Meinung gesetzt werde.

""Wenn ich so von ihm eingenommen wäre,
"als mir Schuld gegeben wird, so würde ich Sie
"nicht bitten, dieses zu bedencken. Und um
"noch deutlicher zu zeigen, daß ich nicht von ihm
"eingenommen bin, bitte ich Sie zu überlegen, ob
"nicht der Vorschlag den ich gethan habe, Zeit
"Lebens unverheyrathet zu bleiben, (ein Verspre-
"chen das ich heilig halten will) das allerbeste
"Mittel sey, seiner mit Ehren und auf eine gu-
"te Art loszuwerden. Wenn ich ihm mein
"Nein! gebe, und mich doch nicht von dem an-
"dern lossage, so wird er den Schluß machen,
"daß ich mich entschlossen habe jenen zu nehmen,
"weil ich von den meinigen gezwungen bin.

"Wenn dieses nicht den erwarteten Erfolg hat,
"so mag man die sonderbaren Mittel zur Hand
"nehmen, die mein Bruder vorschlägt, und ich
"will mich meinem Schicksal mit so vieler Be-
"ruhigung meines Gemüths unterwerffen, als
"mir GOtt auf mein Gebet schencken wird. Jch
"überlasse alles Jhrer Klugheit, ob Sie mit mei-
"nem Vater und Onckels hierüber zu Rathe ge-
"hen wollen, oder nicht? und ob ich Herrn Lo-

velace

der Clariſſa.
„berechtigt halten, (ſo wenig ich ihn auch dafuͤr
„halte) ſich wegen der Auffuͤhrung zu raͤchen,
„uͤber die er ſich ſo heftig beklagt. Wenn ich ihm
„aber antworte, und er aus Hochachtung fuͤr
„mich ſich einer Rache enthaͤlt die er fuͤr recht-
„maͤßig anſiehet: ſo bedencken Sie einmal, in
„was fuͤr Schuld und Verpflichtung ich hiedurch
„wenigſtens nach ſeiner Meinung geſetzt werde.

„„Wenn ich ſo von ihm eingenommen waͤre,
„als mir Schuld gegeben wird, ſo wuͤrde ich Sie
„nicht bitten, dieſes zu bedencken. Und um
„noch deutlicher zu zeigen, daß ich nicht von ihm
„eingenommen bin, bitte ich Sie zu uͤberlegen, ob
„nicht der Vorſchlag den ich gethan habe, Zeit
„Lebens unverheyrathet zu bleiben, (ein Verſpre-
„chen das ich heilig halten will) das allerbeſte
„Mittel ſey, ſeiner mit Ehren und auf eine gu-
„te Art loszuwerden. Wenn ich ihm mein
„Nein! gebe, und mich doch nicht von dem an-
„dern losſage, ſo wird er den Schluß machen,
„daß ich mich entſchloſſen habe jenen zu nehmen,
„weil ich von den meinigen gezwungen bin.

„Wenn dieſes nicht den erwarteten Erfolg hat,
„ſo mag man die ſonderbaren Mittel zur Hand
„nehmen, die mein Bruder vorſchlaͤgt, und ich
„will mich meinem Schickſal mit ſo vieler Be-
„ruhigung meines Gemuͤths unterwerffen, als
„mir GOtt auf mein Gebet ſchencken wird. Jch
„uͤberlaſſe alles Jhrer Klugheit, ob Sie mit mei-
„nem Vater und Onckels hieruͤber zu Rathe ge-
„hen wollen, oder nicht? und ob ich Herrn Lo-

velace
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0285" n="265"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
&#x201E;berechtigt halten, (&#x017F;o wenig ich ihn auch dafu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;halte) &#x017F;ich wegen der Auffu&#x0364;hrung zu ra&#x0364;chen,<lb/>
&#x201E;u&#x0364;ber die er &#x017F;ich &#x017F;o heftig beklagt. Wenn ich ihm<lb/>
&#x201E;aber antworte, und er aus Hochachtung fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;mich &#x017F;ich einer Rache entha&#x0364;lt die er fu&#x0364;r recht-<lb/>
&#x201E;ma&#x0364;ßig an&#x017F;iehet: &#x017F;o bedencken Sie einmal, in<lb/>
&#x201E;was fu&#x0364;r Schuld und Verpflichtung ich hiedurch<lb/>
&#x201E;wenig&#x017F;tens nach &#x017F;einer Meinung ge&#x017F;etzt werde.</p><lb/>
              <p>&#x201E;&#x201E;Wenn ich &#x017F;o von ihm eingenommen wa&#x0364;re,<lb/>
&#x201E;als mir Schuld gegeben wird, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich Sie<lb/>
&#x201E;nicht bitten, die&#x017F;es zu bedencken. Und um<lb/>
&#x201E;noch deutlicher zu zeigen, daß ich nicht von ihm<lb/>
&#x201E;eingenommen bin, bitte ich Sie zu u&#x0364;berlegen, ob<lb/>
&#x201E;nicht der Vor&#x017F;chlag den ich gethan habe, Zeit<lb/>
&#x201E;Lebens unverheyrathet zu bleiben, (ein Ver&#x017F;pre-<lb/>
&#x201E;chen das ich heilig halten will) das allerbe&#x017F;te<lb/>
&#x201E;Mittel &#x017F;ey, &#x017F;einer mit Ehren und auf eine gu-<lb/>
&#x201E;te Art loszuwerden. Wenn ich ihm mein<lb/>
&#x201E;Nein! gebe, und mich doch nicht von dem an-<lb/>
&#x201E;dern los&#x017F;age, &#x017F;o wird er den Schluß machen,<lb/>
&#x201E;daß ich mich ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en habe jenen zu nehmen,<lb/>
&#x201E;weil ich von den meinigen gezwungen bin.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Wenn die&#x017F;es nicht den erwarteten Erfolg hat,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o mag man die &#x017F;onderbaren Mittel zur Hand<lb/>
&#x201E;nehmen, die mein Bruder vor&#x017F;chla&#x0364;gt, und ich<lb/>
&#x201E;will mich meinem Schick&#x017F;al mit &#x017F;o vieler Be-<lb/>
&#x201E;ruhigung meines Gemu&#x0364;ths unterwerffen, als<lb/>
&#x201E;mir GOtt auf mein Gebet &#x017F;chencken wird. Jch<lb/>
&#x201E;u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e alles Jhrer Klugheit, ob Sie mit mei-<lb/>
&#x201E;nem Vater und Onckels hieru&#x0364;ber zu Rathe ge-<lb/>
&#x201E;hen wollen, oder nicht? und ob ich Herrn <hi rendition="#fr">Lo-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">velace</hi></fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0285] der Clariſſa. „berechtigt halten, (ſo wenig ich ihn auch dafuͤr „halte) ſich wegen der Auffuͤhrung zu raͤchen, „uͤber die er ſich ſo heftig beklagt. Wenn ich ihm „aber antworte, und er aus Hochachtung fuͤr „mich ſich einer Rache enthaͤlt die er fuͤr recht- „maͤßig anſiehet: ſo bedencken Sie einmal, in „was fuͤr Schuld und Verpflichtung ich hiedurch „wenigſtens nach ſeiner Meinung geſetzt werde. „„Wenn ich ſo von ihm eingenommen waͤre, „als mir Schuld gegeben wird, ſo wuͤrde ich Sie „nicht bitten, dieſes zu bedencken. Und um „noch deutlicher zu zeigen, daß ich nicht von ihm „eingenommen bin, bitte ich Sie zu uͤberlegen, ob „nicht der Vorſchlag den ich gethan habe, Zeit „Lebens unverheyrathet zu bleiben, (ein Verſpre- „chen das ich heilig halten will) das allerbeſte „Mittel ſey, ſeiner mit Ehren und auf eine gu- „te Art loszuwerden. Wenn ich ihm mein „Nein! gebe, und mich doch nicht von dem an- „dern losſage, ſo wird er den Schluß machen, „daß ich mich entſchloſſen habe jenen zu nehmen, „weil ich von den meinigen gezwungen bin. „Wenn dieſes nicht den erwarteten Erfolg hat, „ſo mag man die ſonderbaren Mittel zur Hand „nehmen, die mein Bruder vorſchlaͤgt, und ich „will mich meinem Schickſal mit ſo vieler Be- „ruhigung meines Gemuͤths unterwerffen, als „mir GOtt auf mein Gebet ſchencken wird. Jch „uͤberlaſſe alles Jhrer Klugheit, ob Sie mit mei- „nem Vater und Onckels hieruͤber zu Rathe ge- „hen wollen, oder nicht? und ob ich Herrn Lo- velace

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/285
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/285>, abgerufen am 17.05.2024.