gehört, daß ich nicht in den Garten gehen solte, wenn meine Eltern oder Onckels darin wären.
Weil ich mich aber noch mehr hievon versichern wollte, so ging ich gleich hinunter, und blieb eine Stunde aus, ohne daß mir ein Wort gesagt ward. Und doch ging ich eine gute Zeit unter meines Bruders Studir-Stube gerade seinem Fenster gegen über auf und ab, und er befand sich eben mit meiner Schwester auf der Stube. Daß sie mich gesehen haben konte ich aus dem lauten Gelächter schliessen, dazu sie sich zwungen um mich zu kräncken.
Es ist also dieser Theil von meines Bruders Briefe ohne Befehl meines Vaters geschrieben, und nur ein Versuch sich seiner Herrschafft zu be- dienen. Er kan ihn vielleicht künfftig geltend machen. Doch das will ich nicht hoffen.
Dienstag Abends.
Seit dem ich obiges geschrieben, habe ich es gewagt durch Schorey einen Brief an meine Mutter zu schicken. Jch trug ihr auf, ihn in ihre eigene Hände zu lieffern, wenn niemand dabey wäre.
Jch lege die Abschrifft bey. Jch suchte es da- hin zu bringen, daß man im Hause glauben möch- te, ich hätte gar kein Mittel zum Brief-Wechsel mehr übrig, nachdem Hannichen aus dem Hau- se geschafft ist. Jch halte nicht alles für recht, was ich thue. Jch fürchte, daß dieses eine un- erlaubte List gewesen ist. Allein dieses sind nach- folgende Gedancken, da der Brief schon weg war.
Hoch-
Die Geſchichte
gehoͤrt, daß ich nicht in den Garten gehen ſolte, wenn meine Eltern oder Onckels darin waͤren.
Weil ich mich aber noch mehr hievon verſichern wollte, ſo ging ich gleich hinunter, und blieb eine Stunde aus, ohne daß mir ein Wort geſagt ward. Und doch ging ich eine gute Zeit unter meines Bruders Studir-Stube gerade ſeinem Fenſter gegen uͤber auf und ab, und er befand ſich eben mit meiner Schweſter auf der Stube. Daß ſie mich geſehen haben konte ich aus dem lauten Gelaͤchter ſchlieſſen, dazu ſie ſich zwungen um mich zu kraͤncken.
Es iſt alſo dieſer Theil von meines Bruders Briefe ohne Befehl meines Vaters geſchrieben, und nur ein Verſuch ſich ſeiner Herrſchafft zu be- dienen. Er kan ihn vielleicht kuͤnfftig geltend machen. Doch das will ich nicht hoffen.
Dienſtag Abends.
Seit dem ich obiges geſchrieben, habe ich es gewagt durch Schorey einen Brief an meine Mutter zu ſchicken. Jch trug ihr auf, ihn in ihre eigene Haͤnde zu lieffern, wenn niemand dabey waͤre.
Jch lege die Abſchrifft bey. Jch ſuchte es da- hin zu bringen, daß man im Hauſe glauben moͤch- te, ich haͤtte gar kein Mittel zum Brief-Wechſel mehr uͤbrig, nachdem Hannichen aus dem Hau- ſe geſchafft iſt. Jch halte nicht alles fuͤr recht, was ich thue. Jch fuͤrchte, daß dieſes eine un- erlaubte Liſt geweſen iſt. Allein dieſes ſind nach- folgende Gedancken, da der Brief ſchon weg war.
Hoch-
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Die Geſchichte
gehoͤrt, daß ich nicht in den Garten gehen ſolte,
wenn meine Eltern oder Onckels darin waͤren.
Weil ich mich aber noch mehr hievon verſichern
wollte, ſo ging ich gleich hinunter, und blieb eine
Stunde aus, ohne daß mir ein Wort geſagt
ward. Und doch ging ich eine gute Zeit unter
meines Bruders Studir-Stube gerade ſeinem
Fenſter gegen uͤber auf und ab, und er befand
ſich eben mit meiner Schweſter auf der Stube.
Daß ſie mich geſehen haben konte ich aus dem
lauten Gelaͤchter ſchlieſſen, dazu ſie ſich zwungen
um mich zu kraͤncken.
Es iſt alſo dieſer Theil von meines Bruders
Briefe ohne Befehl meines Vaters geſchrieben,
und nur ein Verſuch ſich ſeiner Herrſchafft zu be-
dienen. Er kan ihn vielleicht kuͤnfftig geltend
machen. Doch das will ich nicht hoffen.
Dienſtag Abends.
Seit dem ich obiges geſchrieben, habe ich es
gewagt durch Schorey einen Brief an meine
Mutter zu ſchicken. Jch trug ihr auf, ihn in
ihre eigene Haͤnde zu lieffern, wenn niemand
dabey waͤre.
Jch lege die Abſchrifft bey. Jch ſuchte es da-
hin zu bringen, daß man im Hauſe glauben moͤch-
te, ich haͤtte gar kein Mittel zum Brief-Wechſel
mehr uͤbrig, nachdem Hannichen aus dem Hau-
ſe geſchafft iſt. Jch halte nicht alles fuͤr recht,
was ich thue. Jch fuͤrchte, daß dieſes eine un-
erlaubte Liſt geweſen iſt. Allein dieſes ſind nach-
folgende Gedancken, da der Brief ſchon weg war.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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