Solmes willen hart und unerträglich mit mir verfahren sollte.
Jch glaube, daß uns die Manns-Personen da- durch zu fangen suchen, daß sie allerhand dreiste und verwegene Hoffnung zu haben vorgeben, und uns unverschämte Anerbietungen machen. Sie dencken, wir sollen zu blöde oder zu höflich seyn, ihnen die Wahrheit dafür zu sagen: und wenn wir dieses unterlassen, so nehmen sie unser Still- schweigen für ein Ja-Wort und für eine Gewäh- rung ihrer Bitte an.
Es sind noch andere besondere Umstände in die- sem Briefe enthalten, die ich ihnen melden muß: ich will Jhnen den Brief selbst, oder eine Abschrift davon zuschicken.
Jch dencke mit vieler Bekümmerniß daran, daß ich auf der einen Seite so weit hinein gezogen und von der andern Seite so weit getrieben bin, einen heimlichen Brief-Wechsel fortzusetzen, der in der That verliebt zu seyn scheint, und darüber mich mein eigenes Gewissen straffet.
Wenn ich diesen Brief-Wechsel nicht bald ab- breche, so bekommt Herr Lovelace durch meine traurigen Umstände täglich neuen Vortheil, und ich werde meyr und mehr verstrickt. Wenn ich ihn aber abbreche, ehe ich die Versicherung erhal- ten habe, daß Herr Solmes ferner nicht gehöret werden soll, so - - Wäre es nicht am besten, mein Hertz, daß ich ihn noch einige Zeit fortsetzte? in Hoffnung, daß ich ihn endlich unter einer vor- theilhaften Bedingung, die mir die Meinigen
machen
Die Geſchichte
Solmes willen hart und unertraͤglich mit mir verfahren ſollte.
Jch glaube, daß uns die Manns-Perſonen da- durch zu fangen ſuchen, daß ſie allerhand dreiſte und verwegene Hoffnung zu haben vorgeben, und uns unverſchaͤmte Anerbietungen machen. Sie dencken, wir ſollen zu bloͤde oder zu hoͤflich ſeyn, ihnen die Wahrheit dafuͤr zu ſagen: und wenn wir dieſes unterlaſſen, ſo nehmen ſie unſer Still- ſchweigen fuͤr ein Ja-Wort und fuͤr eine Gewaͤh- rung ihrer Bitte an.
Es ſind noch andere beſondere Umſtaͤnde in die- ſem Briefe enthalten, die ich ihnen melden muß: ich will Jhnen den Brief ſelbſt, oder eine Abſchrift davon zuſchicken.
Jch dencke mit vieler Bekuͤmmerniß daran, daß ich auf der einen Seite ſo weit hinein gezogen und von der andern Seite ſo weit getrieben bin, einen heimlichen Brief-Wechſel fortzuſetzen, der in der That verliebt zu ſeyn ſcheint, und daruͤber mich mein eigenes Gewiſſen ſtraffet.
Wenn ich dieſen Brief-Wechſel nicht bald ab- breche, ſo bekommt Herr Lovelace durch meine traurigen Umſtaͤnde taͤglich neuen Vortheil, und ich werde meyr und mehr verſtrickt. Wenn ich ihn aber abbreche, ehe ich die Verſicherung erhal- ten habe, daß Herr Solmes ferner nicht gehoͤret werden ſoll, ſo ‒ ‒ Waͤre es nicht am beſten, mein Hertz, daß ich ihn noch einige Zeit fortſetzte? in Hoffnung, daß ich ihn endlich unter einer vor- theilhaften Bedingung, die mir die Meinigen
machen
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Die Geſchichte
Solmes willen hart und unertraͤglich mit mir
verfahren ſollte.
Jch glaube, daß uns die Manns-Perſonen da-
durch zu fangen ſuchen, daß ſie allerhand dreiſte
und verwegene Hoffnung zu haben vorgeben, und
uns unverſchaͤmte Anerbietungen machen. Sie
dencken, wir ſollen zu bloͤde oder zu hoͤflich ſeyn,
ihnen die Wahrheit dafuͤr zu ſagen: und wenn
wir dieſes unterlaſſen, ſo nehmen ſie unſer Still-
ſchweigen fuͤr ein Ja-Wort und fuͤr eine Gewaͤh-
rung ihrer Bitte an.
Es ſind noch andere beſondere Umſtaͤnde in die-
ſem Briefe enthalten, die ich ihnen melden muß:
ich will Jhnen den Brief ſelbſt, oder eine Abſchrift
davon zuſchicken.
Jch dencke mit vieler Bekuͤmmerniß daran,
daß ich auf der einen Seite ſo weit hinein gezogen
und von der andern Seite ſo weit getrieben bin,
einen heimlichen Brief-Wechſel fortzuſetzen, der
in der That verliebt zu ſeyn ſcheint, und daruͤber
mich mein eigenes Gewiſſen ſtraffet.
Wenn ich dieſen Brief-Wechſel nicht bald ab-
breche, ſo bekommt Herr Lovelace durch meine
traurigen Umſtaͤnde taͤglich neuen Vortheil, und
ich werde meyr und mehr verſtrickt. Wenn ich
ihn aber abbreche, ehe ich die Verſicherung erhal-
ten habe, daß Herr Solmes ferner nicht gehoͤret
werden ſoll, ſo ‒ ‒ Waͤre es nicht am beſten,
mein Hertz, daß ich ihn noch einige Zeit fortſetzte?
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/268>, abgerufen am 25.11.2024.
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