Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
machen müßten, aufgeben kan. Wen kan ich
hierüber ausser Jhnen um Rath fragen?

Alle meine Verwandten sind nun versammlet,
und frühstücken miteinander. Jch bin so unru-
hig, daß ich die Feder niederlegen muß.



Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han-
nichen
sagt, man könne ihnen den Verdruß und
die Unruhe an der Stirne ansehen: und sie glaubt,
es müsse ein Endschluß gefasset seyn.

Sonntag Mittags.

Nichts ist quälender, als zwischen Furcht und
Hoffnung zu schweben. Jch will mir Erlaubniß
ausbitten, diesen Nachmittag in die Kirche zu ge-
hen. Jch sehe zwar einer abschlägigen Antwort
schon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, so wird
es heissen, die Schuld sey mein eigen, daß ich zu
Hause bleiben müßte.



Jch verlangte Schorey zu sprechen. Als sie
kam, ersuchte ich sie, meine Mutter in meinem
Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich diesen
Nachmittag in die Kirche gehen dürffte. Was
meynen Sie, was bekam ich für Antwort? Sie
muß ihren Bruder bitten/ wenn sie etwas
zu bitten hat.
So bin ich denn an meinen
Bruder verkaufft.

Jch war dennoch entschlossen, ihn darum zu
bitten. Als mir das Essen geschickt ward, gab
ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn

wandte,
Q 5

der Clariſſa.
machen muͤßten, aufgeben kan. Wen kan ich
hieruͤber auſſer Jhnen um Rath fragen?

Alle meine Verwandten ſind nun verſammlet,
und fruͤhſtuͤcken miteinander. Jch bin ſo unru-
hig, daß ich die Feder niederlegen muß.



Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han-
nichen
ſagt, man koͤnne ihnen den Verdruß und
die Unruhe an der Stirne anſehen: und ſie glaubt,
es muͤſſe ein Endſchluß gefaſſet ſeyn.

Sonntag Mittags.

Nichts iſt quaͤlender, als zwiſchen Furcht und
Hoffnung zu ſchweben. Jch will mir Erlaubniß
ausbitten, dieſen Nachmittag in die Kirche zu ge-
hen. Jch ſehe zwar einer abſchlaͤgigen Antwort
ſchon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, ſo wird
es heiſſen, die Schuld ſey mein eigen, daß ich zu
Hauſe bleiben muͤßte.



Jch verlangte Schorey zu ſprechen. Als ſie
kam, erſuchte ich ſie, meine Mutter in meinem
Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich dieſen
Nachmittag in die Kirche gehen duͤrffte. Was
meynen Sie, was bekam ich fuͤr Antwort? Sie
muß ihren Bruder bitten/ wenn ſie etwas
zu bitten hat.
So bin ich denn an meinen
Bruder verkaufft.

Jch war dennoch entſchloſſen, ihn darum zu
bitten. Als mir das Eſſen geſchickt ward, gab
ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn

wandte,
Q 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0269" n="249"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
machen mu&#x0364;ßten, aufgeben kan. Wen kan ich<lb/>
hieru&#x0364;ber au&#x017F;&#x017F;er Jhnen um Rath fragen?</p><lb/>
        <p>Alle meine Verwandten &#x017F;ind nun ver&#x017F;ammlet,<lb/>
und fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;cken miteinander. Jch bin &#x017F;o unru-<lb/>
hig, daß ich die Feder niederlegen muß.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Sie gehen miteinander nach der Kirche. <hi rendition="#fr">Han-<lb/>
nichen</hi> &#x017F;agt, man ko&#x0364;nne ihnen den Verdruß und<lb/>
die Unruhe an der Stirne an&#x017F;ehen: und &#x017F;ie glaubt,<lb/>
es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ein End&#x017F;chluß gefa&#x017F;&#x017F;et &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Sonntag Mittags.</hi> </p><lb/>
        <p>Nichts i&#x017F;t qua&#x0364;lender, als zwi&#x017F;chen Furcht und<lb/>
Hoffnung zu &#x017F;chweben. Jch will mir Erlaubniß<lb/>
ausbitten, die&#x017F;en Nachmittag in die Kirche zu ge-<lb/>
hen. Jch &#x017F;ehe zwar einer ab&#x017F;chla&#x0364;gigen Antwort<lb/>
&#x017F;chon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, &#x017F;o wird<lb/>
es hei&#x017F;&#x017F;en, die Schuld &#x017F;ey mein eigen, daß ich zu<lb/>
Hau&#x017F;e bleiben mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Jch verlangte <hi rendition="#fr">Schorey</hi> zu &#x017F;prechen. Als &#x017F;ie<lb/>
kam, er&#x017F;uchte ich &#x017F;ie, meine Mutter in meinem<lb/>
Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich die&#x017F;en<lb/>
Nachmittag in die Kirche gehen du&#x0364;rffte. Was<lb/>
meynen Sie, was bekam ich fu&#x0364;r Antwort? <hi rendition="#fr">Sie<lb/>
muß ihren Bruder bitten/ wenn &#x017F;ie etwas<lb/>
zu bitten hat.</hi> So bin ich denn an meinen<lb/>
Bruder verkaufft.</p><lb/>
        <p>Jch war dennoch ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ihn darum zu<lb/>
bitten. Als mir das E&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;chickt ward, gab<lb/>
ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wandte,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0269] der Clariſſa. machen muͤßten, aufgeben kan. Wen kan ich hieruͤber auſſer Jhnen um Rath fragen? Alle meine Verwandten ſind nun verſammlet, und fruͤhſtuͤcken miteinander. Jch bin ſo unru- hig, daß ich die Feder niederlegen muß. Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han- nichen ſagt, man koͤnne ihnen den Verdruß und die Unruhe an der Stirne anſehen: und ſie glaubt, es muͤſſe ein Endſchluß gefaſſet ſeyn. Sonntag Mittags. Nichts iſt quaͤlender, als zwiſchen Furcht und Hoffnung zu ſchweben. Jch will mir Erlaubniß ausbitten, dieſen Nachmittag in die Kirche zu ge- hen. Jch ſehe zwar einer abſchlaͤgigen Antwort ſchon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, ſo wird es heiſſen, die Schuld ſey mein eigen, daß ich zu Hauſe bleiben muͤßte. Jch verlangte Schorey zu ſprechen. Als ſie kam, erſuchte ich ſie, meine Mutter in meinem Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich dieſen Nachmittag in die Kirche gehen duͤrffte. Was meynen Sie, was bekam ich fuͤr Antwort? Sie muß ihren Bruder bitten/ wenn ſie etwas zu bitten hat. So bin ich denn an meinen Bruder verkaufft. Jch war dennoch entſchloſſen, ihn darum zu bitten. Als mir das Eſſen geſchickt ward, gab ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn wandte, Q 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/269
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/269>, abgerufen am 17.05.2024.