glauben könnte/ daß er sich gebessert hät- te/ oder sich wenigstens durch ihr Exem- pel gewinnen lasse und bessern würde.
Meine Base erzehlet mir, daß er hiebey eine Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange- führet habe, um zu beweisen, daß er so schwartz nicht seyn könnte, als man ihn vorzustellen pfieg- te, und daß er (wie mein Onckle es ausdrückte) etwas gleiches mit mir im Gemüth hätte. Mein Onckle stellete ihm nemlich einmal vor, daß seine Güter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund mehr Pacht geben könnten, und daß er dieses von dem Lord M. gehört hätte. Er antwortete aber: "seine Pächter hätten bisher die Pacht richtig be- "zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit seiner "Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren "Kindern die Pacht nicht so aufzutreiben, daß "sie Bettler werden müsten. Er habe seine "Freude daran, wenn alle seine Pächter dick "und fett würden, und vergnügt aussähen.
Jch selbst habe eben dergleichen einmal aus seinem Munde gehört: und mir hat er nie bes- ser gefallen, als da er es sagte, nur ein eintziges mahl ausgenommen.
Ein unglücklich gewordener Pächter suchte bey meinem Onckle Anton um Nachsicht an, als Herr Lovelace eben zugegen war: er muste aber mit einer abschlägigen Antwort weggehen. Herr Lovelace stellete hierauf seine Sache so gut und nachdrücklich vor, daß mein Onckle ihn wieder herein ruffen ließ, und ihm seine Bitte zugestand:
darauf
der Clariſſa.
glauben koͤnnte/ daß er ſich gebeſſert haͤt- te/ oder ſich wenigſtens durch ihr Exem- pel gewinnen laſſe und beſſern wuͤrde.
Meine Baſe erzehlet mir, daß er hiebey eine Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange- fuͤhret habe, um zu beweiſen, daß er ſo ſchwartz nicht ſeyn koͤnnte, als man ihn vorzuſtellen pfieg- te, und daß er (wie mein Onckle es ausdruͤckte) etwas gleiches mit mir im Gemuͤth haͤtte. Mein Onckle ſtellete ihm nemlich einmal vor, daß ſeine Guͤter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund mehr Pacht geben koͤnnten, und daß er dieſes von dem Lord M. gehoͤrt haͤtte. Er antwortete aber: „ſeine Paͤchter haͤtten bisher die Pacht richtig be- „zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit ſeiner „Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren „Kindern die Pacht nicht ſo aufzutreiben, daß „ſie Bettler werden muͤſten. Er habe ſeine „Freude daran, wenn alle ſeine Paͤchter dick „und fett wuͤrden, und vergnuͤgt ausſaͤhen.
Jch ſelbſt habe eben dergleichen einmal aus ſeinem Munde gehoͤrt: und mir hat er nie beſ- ſer gefallen, als da er es ſagte, nur ein eintziges mahl ausgenommen.
Ein ungluͤcklich gewordener Paͤchter ſuchte bey meinem Onckle Anton um Nachſicht an, als Herr Lovelace eben zugegen war: er muſte aber mit einer abſchlaͤgigen Antwort weggehen. Herr Lovelace ſtellete hierauf ſeine Sache ſo gut und nachdruͤcklich vor, daß mein Onckle ihn wieder herein ruffen ließ, und ihm ſeine Bitte zugeſtand:
darauf
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der Clariſſa.
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pel gewinnen laſſe und beſſern wuͤrde.
Meine Baſe erzehlet mir, daß er hiebey eine
Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange-
fuͤhret habe, um zu beweiſen, daß er ſo ſchwartz
nicht ſeyn koͤnnte, als man ihn vorzuſtellen pfieg-
te, und daß er (wie mein Onckle es ausdruͤckte)
etwas gleiches mit mir im Gemuͤth haͤtte. Mein
Onckle ſtellete ihm nemlich einmal vor, daß ſeine
Guͤter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund
mehr Pacht geben koͤnnten, und daß er dieſes von
dem Lord M. gehoͤrt haͤtte. Er antwortete aber:
„ſeine Paͤchter haͤtten bisher die Pacht richtig be-
„zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit ſeiner
„Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren
„Kindern die Pacht nicht ſo aufzutreiben, daß
„ſie Bettler werden muͤſten. Er habe ſeine
„Freude daran, wenn alle ſeine Paͤchter dick
„und fett wuͤrden, und vergnuͤgt ausſaͤhen.
Jch ſelbſt habe eben dergleichen einmal aus
ſeinem Munde gehoͤrt: und mir hat er nie beſ-
ſer gefallen, als da er es ſagte, nur ein eintziges
mahl ausgenommen.
Ein ungluͤcklich gewordener Paͤchter ſuchte bey
meinem Onckle Anton um Nachſicht an, als Herr
Lovelace eben zugegen war: er muſte aber mit
einer abſchlaͤgigen Antwort weggehen. Herr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/145>, abgerufen am 23.11.2024.
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