Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
glauben könnte/ daß er sich gebessert hät-
te/ oder sich wenigstens durch ihr Exem-
pel gewinnen lasse und bessern würde.

Meine Base erzehlet mir, daß er hiebey eine
Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange-
führet habe, um zu beweisen, daß er so schwartz
nicht seyn könnte, als man ihn vorzustellen pfieg-
te, und daß er (wie mein Onckle es ausdrückte)
etwas gleiches mit mir im Gemüth hätte. Mein
Onckle stellete ihm nemlich einmal vor, daß seine
Güter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund
mehr Pacht geben könnten, und daß er dieses von
dem Lord M. gehört hätte. Er antwortete aber:
"seine Pächter hätten bisher die Pacht richtig be-
"zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit seiner
"Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren
"Kindern die Pacht nicht so aufzutreiben, daß
"sie Bettler werden müsten. Er habe seine
"Freude daran, wenn alle seine Pächter dick
"und fett würden, und vergnügt aussähen.

Jch selbst habe eben dergleichen einmal aus
seinem Munde gehört: und mir hat er nie bes-
ser gefallen, als da er es sagte, nur ein eintziges
mahl ausgenommen.

Ein unglücklich gewordener Pächter suchte bey
meinem Onckle Anton um Nachsicht an, als Herr
Lovelace eben zugegen war: er muste aber mit
einer abschlägigen Antwort weggehen. Herr
Lovelace stellete hierauf seine Sache so gut und
nachdrücklich vor, daß mein Onckle ihn wieder
herein ruffen ließ, und ihm seine Bitte zugestand:

darauf

der Clariſſa.
glauben koͤnnte/ daß er ſich gebeſſert haͤt-
te/ oder ſich wenigſtens durch ihr Exem-
pel gewinnen laſſe und beſſern wuͤrde.

Meine Baſe erzehlet mir, daß er hiebey eine
Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange-
fuͤhret habe, um zu beweiſen, daß er ſo ſchwartz
nicht ſeyn koͤnnte, als man ihn vorzuſtellen pfieg-
te, und daß er (wie mein Onckle es ausdruͤckte)
etwas gleiches mit mir im Gemuͤth haͤtte. Mein
Onckle ſtellete ihm nemlich einmal vor, daß ſeine
Guͤter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund
mehr Pacht geben koͤnnten, und daß er dieſes von
dem Lord M. gehoͤrt haͤtte. Er antwortete aber:
„ſeine Paͤchter haͤtten bisher die Pacht richtig be-
„zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit ſeiner
„Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren
„Kindern die Pacht nicht ſo aufzutreiben, daß
„ſie Bettler werden muͤſten. Er habe ſeine
„Freude daran, wenn alle ſeine Paͤchter dick
„und fett wuͤrden, und vergnuͤgt ausſaͤhen.

Jch ſelbſt habe eben dergleichen einmal aus
ſeinem Munde gehoͤrt: und mir hat er nie beſ-
ſer gefallen, als da er es ſagte, nur ein eintziges
mahl ausgenommen.

Ein ungluͤcklich gewordener Paͤchter ſuchte bey
meinem Onckle Anton um Nachſicht an, als Herr
Lovelace eben zugegen war: er muſte aber mit
einer abſchlaͤgigen Antwort weggehen. Herr
Lovelace ſtellete hierauf ſeine Sache ſo gut und
nachdruͤcklich vor, daß mein Onckle ihn wieder
herein ruffen ließ, und ihm ſeine Bitte zugeſtand:

darauf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p>
          <pb facs="#f0145" n="125"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi> </hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">glauben ko&#x0364;nnte/ daß er &#x017F;ich gebe&#x017F;&#x017F;ert ha&#x0364;t-<lb/>
te/ oder &#x017F;ich wenig&#x017F;tens durch ihr Exem-<lb/>
pel gewinnen la&#x017F;&#x017F;e und be&#x017F;&#x017F;ern wu&#x0364;rde.</hi> </p><lb/>
        <p>Meine Ba&#x017F;e erzehlet mir, daß er hiebey eine<lb/>
Probe von Herrn <hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> Grosmuth ange-<lb/>
fu&#x0364;hret habe, um zu bewei&#x017F;en, daß er &#x017F;o &#x017F;chwartz<lb/>
nicht &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, als man ihn vorzu&#x017F;tellen pfieg-<lb/>
te, und daß er (wie mein Onckle es ausdru&#x0364;ckte)<lb/>
etwas gleiches mit mir im Gemu&#x0364;th ha&#x0364;tte. Mein<lb/>
Onckle &#x017F;tellete ihm nemlich einmal vor, daß &#x017F;eine<lb/>
Gu&#x0364;ter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund<lb/>
mehr Pacht geben ko&#x0364;nnten, und daß er die&#x017F;es von<lb/>
dem Lord M. geho&#x0364;rt ha&#x0364;tte. Er antwortete aber:<lb/>
&#x201E;&#x017F;eine Pa&#x0364;chter ha&#x0364;tten bisher die Pacht richtig be-<lb/>
&#x201E;zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit &#x017F;einer<lb/>
&#x201E;Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren<lb/>
&#x201E;Kindern die Pacht nicht &#x017F;o aufzutreiben, daß<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie Bettler werden mu&#x0364;&#x017F;ten. Er habe &#x017F;eine<lb/>
&#x201E;Freude daran, wenn alle &#x017F;eine Pa&#x0364;chter dick<lb/>
&#x201E;und fett wu&#x0364;rden, und vergnu&#x0364;gt aus&#x017F;a&#x0364;hen.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;elb&#x017F;t habe eben dergleichen einmal aus<lb/>
&#x017F;einem Munde geho&#x0364;rt: und mir hat er nie be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er gefallen, als da er es &#x017F;agte, nur ein eintziges<lb/>
mahl ausgenommen.</p><lb/>
        <p>Ein unglu&#x0364;cklich gewordener Pa&#x0364;chter &#x017F;uchte bey<lb/>
meinem Onckle <hi rendition="#fr">Anton</hi> um Nach&#x017F;icht an, als Herr<lb/><hi rendition="#fr">Lovelace</hi> eben zugegen war: er mu&#x017F;te aber mit<lb/>
einer ab&#x017F;chla&#x0364;gigen Antwort weggehen. Herr<lb/><hi rendition="#fr">Lovelace</hi> &#x017F;tellete hierauf &#x017F;eine Sache &#x017F;o gut und<lb/>
nachdru&#x0364;cklich vor, daß mein Onckle ihn wieder<lb/>
herein ruffen ließ, und ihm &#x017F;eine Bitte zuge&#x017F;tand:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">darauf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0145] der Clariſſa. glauben koͤnnte/ daß er ſich gebeſſert haͤt- te/ oder ſich wenigſtens durch ihr Exem- pel gewinnen laſſe und beſſern wuͤrde. Meine Baſe erzehlet mir, daß er hiebey eine Probe von Herrn Lovelaces Grosmuth ange- fuͤhret habe, um zu beweiſen, daß er ſo ſchwartz nicht ſeyn koͤnnte, als man ihn vorzuſtellen pfieg- te, und daß er (wie mein Onckle es ausdruͤckte) etwas gleiches mit mir im Gemuͤth haͤtte. Mein Onckle ſtellete ihm nemlich einmal vor, daß ſeine Guͤter des Jahrs drey bis vier hundert Pfund mehr Pacht geben koͤnnten, und daß er dieſes von dem Lord M. gehoͤrt haͤtte. Er antwortete aber: „ſeine Paͤchter haͤtten bisher die Pacht richtig be- „zahlt: und er wollte bey der Gewohnheit ſeiner „Familie bleiben, den alten Pachtern und ihren „Kindern die Pacht nicht ſo aufzutreiben, daß „ſie Bettler werden muͤſten. Er habe ſeine „Freude daran, wenn alle ſeine Paͤchter dick „und fett wuͤrden, und vergnuͤgt ausſaͤhen. Jch ſelbſt habe eben dergleichen einmal aus ſeinem Munde gehoͤrt: und mir hat er nie beſ- ſer gefallen, als da er es ſagte, nur ein eintziges mahl ausgenommen. Ein ungluͤcklich gewordener Paͤchter ſuchte bey meinem Onckle Anton um Nachſicht an, als Herr Lovelace eben zugegen war: er muſte aber mit einer abſchlaͤgigen Antwort weggehen. Herr Lovelace ſtellete hierauf ſeine Sache ſo gut und nachdruͤcklich vor, daß mein Onckle ihn wieder herein ruffen ließ, und ihm ſeine Bitte zugeſtand: darauf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/145
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/145>, abgerufen am 23.11.2024.