Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.zeigte deutlich, daß er die Substanz des Meisters wohl fühlte, nicht aber beurteilen konnte -- --" "Wieso?" fragte einer von den Herren, der nicht dabei gewesen war. Der Dichter maß ihn mit einem überlegenen Blick und wandte sich wieder an die Dame, die zuerst gesprochen hatte: "Sie haben es ja selbst gehört -- er bezeichnete sie als unecht und theatralisch -- und weshalb -- weil er eben nicht ahnte, um wen es sich hier handelt -- weil er sich die hier verwirklichte Größe aus seinem engen Gesichtskreis heraus nicht vorstellen konnte. So half er sich mit der These des Theatralischen darüber hinweg. -- Für uns nur wieder eine neue Bestätigung, wie wenige der Erkenntnis des einzig und wahrhaft Großen würdig sind." Die Dame hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und hörte mit leuchtendem Blick zu: "Ja, ja, so ist's, wir fühlten es ja auch alle -- aber wie klar und schön Sie es jetzt ausgelegt haben." "Es ist so klar, daß es kaum noch einer Auslegung bedurfte -- zudem hatte der Meister den bewußten Ring erst seit einem Jahr getragen, und seine Substanz war zweifellos noch mit fremden früheren Substanzen gemischt -- das mußte die Beurteilung bedeutend erschweren." Darauf entstand eine Pause, und dann sagte die Dame sehr nachdenklich: zeigte deutlich, daß er die Substanz des Meisters wohl fühlte, nicht aber beurteilen konnte — —“ „Wieso?“ fragte einer von den Herren, der nicht dabei gewesen war. Der Dichter maß ihn mit einem überlegenen Blick und wandte sich wieder an die Dame, die zuerst gesprochen hatte: „Sie haben es ja selbst gehört — er bezeichnete sie als unecht und theatralisch — und weshalb — weil er eben nicht ahnte, um wen es sich hier handelt — weil er sich die hier verwirklichte Größe aus seinem engen Gesichtskreis heraus nicht vorstellen konnte. So half er sich mit der These des Theatralischen darüber hinweg. — Für uns nur wieder eine neue Bestätigung, wie wenige der Erkenntnis des einzig und wahrhaft Großen würdig sind.“ Die Dame hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und hörte mit leuchtendem Blick zu: „Ja, ja, so ist’s, wir fühlten es ja auch alle — aber wie klar und schön Sie es jetzt ausgelegt haben.“ „Es ist so klar, daß es kaum noch einer Auslegung bedurfte — zudem hatte der Meister den bewußten Ring erst seit einem Jahr getragen, und seine Substanz war zweifellos noch mit fremden früheren Substanzen gemischt — das mußte die Beurteilung bedeutend erschweren.“ Darauf entstand eine Pause, und dann sagte die Dame sehr nachdenklich: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="17"/> zeigte deutlich, daß er die Substanz des Meisters wohl fühlte, nicht aber beurteilen konnte — —“</p> <p>„Wieso?“ fragte einer von den Herren, der nicht dabei gewesen war. Der Dichter maß ihn mit einem überlegenen Blick und wandte sich wieder an die Dame, die zuerst gesprochen hatte:</p> <p>„Sie haben es ja selbst gehört — er bezeichnete sie als unecht und theatralisch — und weshalb — weil er eben nicht ahnte, um wen es sich hier handelt — weil er sich die hier verwirklichte Größe aus seinem engen Gesichtskreis heraus nicht vorstellen konnte. So half er sich mit der These des Theatralischen darüber hinweg. — Für <hi rendition="#g">uns</hi> nur wieder eine neue Bestätigung, wie wenige der Erkenntnis des einzig und wahrhaft Großen würdig sind.“</p> <p>Die Dame hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und hörte mit leuchtendem Blick zu:</p> <p>„Ja, ja, so ist’s, wir fühlten es ja auch alle — aber wie klar und schön Sie es jetzt ausgelegt haben.“</p> <p>„Es ist so klar, daß es kaum noch einer Auslegung bedurfte — zudem hatte der Meister den bewußten Ring erst seit einem Jahr getragen, und seine Substanz war zweifellos noch mit fremden früheren Substanzen gemischt — das mußte die Beurteilung bedeutend erschweren.“</p> <p>Darauf entstand eine Pause, und dann sagte die Dame sehr nachdenklich:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0021]
zeigte deutlich, daß er die Substanz des Meisters wohl fühlte, nicht aber beurteilen konnte — —“
„Wieso?“ fragte einer von den Herren, der nicht dabei gewesen war. Der Dichter maß ihn mit einem überlegenen Blick und wandte sich wieder an die Dame, die zuerst gesprochen hatte:
„Sie haben es ja selbst gehört — er bezeichnete sie als unecht und theatralisch — und weshalb — weil er eben nicht ahnte, um wen es sich hier handelt — weil er sich die hier verwirklichte Größe aus seinem engen Gesichtskreis heraus nicht vorstellen konnte. So half er sich mit der These des Theatralischen darüber hinweg. — Für uns nur wieder eine neue Bestätigung, wie wenige der Erkenntnis des einzig und wahrhaft Großen würdig sind.“
Die Dame hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und hörte mit leuchtendem Blick zu:
„Ja, ja, so ist’s, wir fühlten es ja auch alle — aber wie klar und schön Sie es jetzt ausgelegt haben.“
„Es ist so klar, daß es kaum noch einer Auslegung bedurfte — zudem hatte der Meister den bewußten Ring erst seit einem Jahr getragen, und seine Substanz war zweifellos noch mit fremden früheren Substanzen gemischt — das mußte die Beurteilung bedeutend erschweren.“
Darauf entstand eine Pause, und dann sagte die Dame sehr nachdenklich:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |