Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.wohl eine "kultliche" Krawatte -- und der antwortete: Violett -- natürlich ist das kultlich.) Dieser junge Mensch also bezeichnete ihn ausschließlich als den Meister. Ich hatte bisher nur gehört, daß man in Bayreuth so redet, und es befremdete mich ein wenig. Überhaupt redete er mit einem Pathos, das mir im Kaffeehaus nicht ganz angebracht schien und sicher auch jenen "Meister" unangenehm berühren würde, wenn er es zufällig hörte -- und war sichtlich verstimmt über einige Bemerkungen der anderen Herren, besonders des Philosophen, der sich etwas ironisch über Heldenverehrung und Personenkultus äußerte. Merkwürdige Dinge kamen da zur Sprache -- eine ältere Dame erzählte: man (anscheinend Mitglieder jenes Kreises) wäre bei einer Art Wahrsager -- einem sogenannten Psychometer -- gewesen, und es sei unbegreiflich, wie dieser Mann durch bloßes Befühlen von Gegenständen den Charakter und das Schicksal ihrer Besitzer zu erkennen wisse -- ja, bei Verstorbenen sogar die Todesart. "Es ist ganz ausgeschlossen," so sagte sie, "daß er über irgend etwas Persönliches im voraus orientiert sein konnte und -- --" "Aber Sie müssen doch zugeben, daß er manchmal versagt," fiel der Dichter mit der violetten Krawatte ihr ins Wort -- -- "in bezug auf den Meister hat er sich schwer geirrt. Und gerade das ist sehr interessant und bedeutungsvoll, denn es wohl eine „kultliche“ Krawatte — und der antwortete: Violett — natürlich ist das kultlich.) Dieser junge Mensch also bezeichnete ihn ausschließlich als den Meister. Ich hatte bisher nur gehört, daß man in Bayreuth so redet, und es befremdete mich ein wenig. Überhaupt redete er mit einem Pathos, das mir im Kaffeehaus nicht ganz angebracht schien und sicher auch jenen „Meister“ unangenehm berühren würde, wenn er es zufällig hörte — und war sichtlich verstimmt über einige Bemerkungen der anderen Herren, besonders des Philosophen, der sich etwas ironisch über Heldenverehrung und Personenkultus äußerte. Merkwürdige Dinge kamen da zur Sprache — eine ältere Dame erzählte: man (anscheinend Mitglieder jenes Kreises) wäre bei einer Art Wahrsager — einem sogenannten Psychometer — gewesen, und es sei unbegreiflich, wie dieser Mann durch bloßes Befühlen von Gegenständen den Charakter und das Schicksal ihrer Besitzer zu erkennen wisse — ja, bei Verstorbenen sogar die Todesart. „Es ist ganz ausgeschlossen,“ so sagte sie, „daß er über irgend etwas Persönliches im voraus orientiert sein konnte und — —“ „Aber Sie müssen doch zugeben, daß er manchmal versagt,“ fiel der Dichter mit der violetten Krawatte ihr ins Wort — — „in bezug auf den Meister hat er sich schwer geirrt. Und gerade das ist sehr interessant und bedeutungsvoll, denn es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0020" n="16"/> wohl eine „kultliche“ Krawatte — und der antwortete: Violett — natürlich ist das kultlich.) Dieser junge Mensch also bezeichnete ihn ausschließlich als den Meister. Ich hatte bisher nur gehört, daß man in Bayreuth so redet, und es befremdete mich ein wenig. Überhaupt redete er mit einem Pathos, das mir im Kaffeehaus nicht ganz angebracht schien und sicher auch jenen „Meister“ unangenehm berühren würde, wenn er es zufällig hörte — und war sichtlich verstimmt über einige Bemerkungen der anderen Herren, besonders des Philosophen, der sich etwas ironisch über Heldenverehrung und Personenkultus äußerte.</p> <p>Merkwürdige Dinge kamen da zur Sprache — eine ältere Dame erzählte: man (anscheinend Mitglieder jenes Kreises) wäre bei einer Art Wahrsager — einem sogenannten Psychometer — gewesen, und es sei unbegreiflich, wie dieser Mann durch bloßes Befühlen von Gegenständen den Charakter und das Schicksal ihrer Besitzer zu erkennen wisse — ja, bei Verstorbenen sogar die Todesart.</p> <p>„Es ist ganz ausgeschlossen,“ so sagte sie, „daß er über irgend etwas Persönliches im voraus orientiert sein konnte und — —“ „Aber Sie müssen doch zugeben, daß er manchmal versagt,“ fiel der Dichter mit der violetten Krawatte ihr ins Wort — — „in bezug auf den Meister hat er sich schwer geirrt. Und gerade das ist sehr interessant und bedeutungsvoll, denn es </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
wohl eine „kultliche“ Krawatte — und der antwortete: Violett — natürlich ist das kultlich.) Dieser junge Mensch also bezeichnete ihn ausschließlich als den Meister. Ich hatte bisher nur gehört, daß man in Bayreuth so redet, und es befremdete mich ein wenig. Überhaupt redete er mit einem Pathos, das mir im Kaffeehaus nicht ganz angebracht schien und sicher auch jenen „Meister“ unangenehm berühren würde, wenn er es zufällig hörte — und war sichtlich verstimmt über einige Bemerkungen der anderen Herren, besonders des Philosophen, der sich etwas ironisch über Heldenverehrung und Personenkultus äußerte.
Merkwürdige Dinge kamen da zur Sprache — eine ältere Dame erzählte: man (anscheinend Mitglieder jenes Kreises) wäre bei einer Art Wahrsager — einem sogenannten Psychometer — gewesen, und es sei unbegreiflich, wie dieser Mann durch bloßes Befühlen von Gegenständen den Charakter und das Schicksal ihrer Besitzer zu erkennen wisse — ja, bei Verstorbenen sogar die Todesart.
„Es ist ganz ausgeschlossen,“ so sagte sie, „daß er über irgend etwas Persönliches im voraus orientiert sein konnte und — —“ „Aber Sie müssen doch zugeben, daß er manchmal versagt,“ fiel der Dichter mit der violetten Krawatte ihr ins Wort — — „in bezug auf den Meister hat er sich schwer geirrt. Und gerade das ist sehr interessant und bedeutungsvoll, denn es
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