Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913."Er ist ein orientalischer Priester," erklärte Susanna, "und es gehört dazu, daß er uns nicht kennt. -- Überhaupt zu seinem Stil; er gilt gerne für verschlossen und herrisch." Es war schon spät; in der Mitte des Zimmers begann jetzt ein weibliches Wesen, anscheinend eine Mänade, die fast nur in rote Schleier gehüllt war und Hörner auf dem Kopfe trug, Solo zu tanzen, -- alles schob sich zur Seite, um zuzuschauen. Delius in seinem schwarzen Gewande schritt um die Tanzenden herum und ließ leise seinen Triangel ertönen. Ich erkannte die schwarze Malerin, die ich bei Heinz gesehen. "Das ist die ,Murra'," sagte Susanna leise, "ich weiß nicht, wie sie sonst heißt. Der Petersen ist Bildhauer und hat sie kürzlich als ,erdhaftes Weib' modelliert -- es ist nur ein Kopf, der nicht recht aus dem Stein heraus will. Er sollte eigentlich die Urzeit heißen, aber irgend etwas stimmte nicht, und er taufte es dann die ,Murra'. Der Name soll eben das Dunkle, Erdhafte wiedergeben. Man fand es enorm, und das Mädchen ist sehr stolz darauf." Der Panther hörte aufmerksam zu und schien sich nicht besonders zu wundern, -- er muß doch nicht ganz fremd in Wahnmoching sein. Die "Murra" tanzte und bog sich in verzückter Gelenkigkeit vorwärts -- rückwärts, -- man hatte manchmal Angst, sie könnte ohne weiteres durchbrechen. „Er ist ein orientalischer Priester,“ erklärte Susanna, „und es gehört dazu, daß er uns nicht kennt. — Überhaupt zu seinem Stil; er gilt gerne für verschlossen und herrisch.“ Es war schon spät; in der Mitte des Zimmers begann jetzt ein weibliches Wesen, anscheinend eine Mänade, die fast nur in rote Schleier gehüllt war und Hörner auf dem Kopfe trug, Solo zu tanzen, — alles schob sich zur Seite, um zuzuschauen. Delius in seinem schwarzen Gewande schritt um die Tanzenden herum und ließ leise seinen Triangel ertönen. Ich erkannte die schwarze Malerin, die ich bei Heinz gesehen. „Das ist die ‚Murra‘,“ sagte Susanna leise, „ich weiß nicht, wie sie sonst heißt. Der Petersen ist Bildhauer und hat sie kürzlich als ‚erdhaftes Weib‘ modelliert — es ist nur ein Kopf, der nicht recht aus dem Stein heraus will. Er sollte eigentlich die Urzeit heißen, aber irgend etwas stimmte nicht, und er taufte es dann die ‚Murra‘. Der Name soll eben das Dunkle, Erdhafte wiedergeben. Man fand es enorm, und das Mädchen ist sehr stolz darauf.“ Der Panther hörte aufmerksam zu und schien sich nicht besonders zu wundern, — er muß doch nicht ganz fremd in Wahnmoching sein. Die „Murra“ tanzte und bog sich in verzückter Gelenkigkeit vorwärts — rückwärts, — man hatte manchmal Angst, sie könnte ohne weiteres durchbrechen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <pb facs="#f0133" n="129"/> <p>„Er ist ein orientalischer Priester,“ erklärte Susanna, „und es gehört dazu, daß er uns nicht kennt. — Überhaupt zu seinem Stil; er gilt gerne für verschlossen und herrisch.“</p> <p>Es war schon spät; in der Mitte des Zimmers begann jetzt ein weibliches Wesen, anscheinend eine Mänade, die fast nur in rote Schleier gehüllt war und Hörner auf dem Kopfe trug, Solo zu tanzen, — alles schob sich zur Seite, um zuzuschauen. Delius in seinem schwarzen Gewande schritt um die Tanzenden herum und ließ leise seinen Triangel ertönen. Ich erkannte die schwarze Malerin, die ich bei Heinz gesehen.</p> <p>„Das ist die ‚Murra‘,“ sagte Susanna leise, „ich weiß nicht, wie sie sonst heißt. Der Petersen ist Bildhauer und hat sie kürzlich als ‚erdhaftes Weib‘ modelliert — es ist nur ein Kopf, der nicht recht aus dem Stein heraus will. Er sollte eigentlich die Urzeit heißen, aber irgend etwas stimmte nicht, und er taufte es dann die ‚Murra‘. Der Name soll eben das Dunkle, Erdhafte wiedergeben. Man fand es enorm, und das Mädchen ist sehr stolz darauf.“</p> <p>Der Panther hörte aufmerksam zu und schien sich nicht besonders zu wundern, — er muß doch nicht ganz fremd in Wahnmoching sein.</p> <p>Die „Murra“ tanzte und bog sich in verzückter Gelenkigkeit vorwärts — rückwärts, — man hatte manchmal Angst, sie könnte ohne weiteres durchbrechen. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0133]
„Er ist ein orientalischer Priester,“ erklärte Susanna, „und es gehört dazu, daß er uns nicht kennt. — Überhaupt zu seinem Stil; er gilt gerne für verschlossen und herrisch.“
Es war schon spät; in der Mitte des Zimmers begann jetzt ein weibliches Wesen, anscheinend eine Mänade, die fast nur in rote Schleier gehüllt war und Hörner auf dem Kopfe trug, Solo zu tanzen, — alles schob sich zur Seite, um zuzuschauen. Delius in seinem schwarzen Gewande schritt um die Tanzenden herum und ließ leise seinen Triangel ertönen. Ich erkannte die schwarze Malerin, die ich bei Heinz gesehen.
„Das ist die ‚Murra‘,“ sagte Susanna leise, „ich weiß nicht, wie sie sonst heißt. Der Petersen ist Bildhauer und hat sie kürzlich als ‚erdhaftes Weib‘ modelliert — es ist nur ein Kopf, der nicht recht aus dem Stein heraus will. Er sollte eigentlich die Urzeit heißen, aber irgend etwas stimmte nicht, und er taufte es dann die ‚Murra‘. Der Name soll eben das Dunkle, Erdhafte wiedergeben. Man fand es enorm, und das Mädchen ist sehr stolz darauf.“
Der Panther hörte aufmerksam zu und schien sich nicht besonders zu wundern, — er muß doch nicht ganz fremd in Wahnmoching sein.
Die „Murra“ tanzte und bog sich in verzückter Gelenkigkeit vorwärts — rückwärts, — man hatte manchmal Angst, sie könnte ohne weiteres durchbrechen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/133 |
Zitationshilfe: | Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/133>, abgerufen am 23.07.2024. |