Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

ist und fügte dann ganz unerwartet mit einem jähen Auflachen im höchsten Diskant hinzu:

"-- -- wenn nur um Gottes willen der Mond nicht dazwischen kommt."

Dann war er verschwunden, wir sahen uns an; ich glaube, uns war einen Moment ganz spukhaft zumut, selbst der allzeit mokante Sonnenknabe war verstummt. Man hatte das Gefühl: was ist das? ist er ein Mensch wie wir anderen -- lebt er wirklich zwischen uns hier auf der Welt -- in einer modernen, europäischen Stadt? -- oder spielt sein Dasein sich in ganz anderen, unwahrscheinlichen Regionen ab? Und wiederum: ist er fremd und unwahrscheinlich -- oder sind wir es?

Ich suchte diese Empfindung in Worten auszudrücken, -- Susanna nahm freundlich meine Hand, als wollte sie mir den Puls fühlen, und sagte beschwichtigend:

"Lieber Dame, Sie wissen doch, in welchem Stadtteil wir leben, und daß hier vieles unwahrscheinlich ist -- Aber eigentlich geht es mir ebenso wie Ihnen -- --"

Orlonski, der schweigend in einer Ecke saß und ein verrostetes altes Schwert blank rieb, fiel ihr ins Wort:

"Nun fangt ihr ja glücklich alle an verrückt zu werden, -- gratuliere."

"Onski, das verstehst du nicht, -- du bist ja selbst aus dem Mittelalter, und willst es bloß nicht zugeben. -- Es ist hier schon viel dummes Zeug -- aber Delius

ist und fügte dann ganz unerwartet mit einem jähen Auflachen im höchsten Diskant hinzu:

„— — wenn nur um Gottes willen der Mond nicht dazwischen kommt.“

Dann war er verschwunden, wir sahen uns an; ich glaube, uns war einen Moment ganz spukhaft zumut, selbst der allzeit mokante Sonnenknabe war verstummt. Man hatte das Gefühl: was ist das? ist er ein Mensch wie wir anderen — lebt er wirklich zwischen uns hier auf der Welt — in einer modernen, europäischen Stadt? — oder spielt sein Dasein sich in ganz anderen, unwahrscheinlichen Regionen ab? Und wiederum: ist er fremd und unwahrscheinlich — oder sind wir es?

Ich suchte diese Empfindung in Worten auszudrücken, — Susanna nahm freundlich meine Hand, als wollte sie mir den Puls fühlen, und sagte beschwichtigend:

„Lieber Dame, Sie wissen doch, in welchem Stadtteil wir leben, und daß hier vieles unwahrscheinlich ist — Aber eigentlich geht es mir ebenso wie Ihnen — —“

Orlonski, der schweigend in einer Ecke saß und ein verrostetes altes Schwert blank rieb, fiel ihr ins Wort:

„Nun fangt ihr ja glücklich alle an verrückt zu werden, — gratuliere.“

„Onski, das verstehst du nicht, — du bist ja selbst aus dem Mittelalter, und willst es bloß nicht zugeben. — Es ist hier schon viel dummes Zeug — aber Delius

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0119" n="115"/>
ist und fügte dann ganz unerwartet mit einem jähen Auflachen im höchsten Diskant hinzu:</p>
          <p>&#x201E;&#x2014; &#x2014; wenn nur um Gottes willen der Mond nicht dazwischen kommt.&#x201C;</p>
          <p>Dann war er verschwunden, wir sahen uns an; ich glaube, uns war einen Moment ganz spukhaft zumut, selbst der allzeit mokante Sonnenknabe war verstummt. Man hatte das Gefühl: was ist das? ist er ein Mensch wie wir anderen &#x2014; lebt er wirklich zwischen uns hier auf der Welt &#x2014; in einer modernen, europäischen Stadt? &#x2014; oder spielt sein Dasein sich in ganz anderen, unwahrscheinlichen Regionen ab? Und wiederum: ist er fremd und unwahrscheinlich &#x2014; oder sind wir es?</p>
          <p>Ich suchte diese Empfindung in Worten auszudrücken, &#x2014; Susanna nahm freundlich meine Hand, als wollte sie mir den Puls fühlen, und sagte beschwichtigend:</p>
          <p>&#x201E;Lieber Dame, Sie wissen doch, in welchem Stadtteil wir leben, und daß hier vieles unwahrscheinlich ist &#x2014; Aber eigentlich geht es mir ebenso wie Ihnen &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p>
          <p>Orlonski, der schweigend in einer Ecke saß und ein verrostetes altes Schwert blank rieb, fiel ihr ins Wort:</p>
          <p>&#x201E;Nun fangt ihr ja glücklich alle an verrückt zu werden, &#x2014; gratuliere.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Onski, das verstehst du nicht, &#x2014; du bist ja selbst aus dem Mittelalter, und willst es bloß nicht zugeben. &#x2014; Es ist hier schon viel dummes Zeug &#x2014; aber Delius
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0119] ist und fügte dann ganz unerwartet mit einem jähen Auflachen im höchsten Diskant hinzu: „— — wenn nur um Gottes willen der Mond nicht dazwischen kommt.“ Dann war er verschwunden, wir sahen uns an; ich glaube, uns war einen Moment ganz spukhaft zumut, selbst der allzeit mokante Sonnenknabe war verstummt. Man hatte das Gefühl: was ist das? ist er ein Mensch wie wir anderen — lebt er wirklich zwischen uns hier auf der Welt — in einer modernen, europäischen Stadt? — oder spielt sein Dasein sich in ganz anderen, unwahrscheinlichen Regionen ab? Und wiederum: ist er fremd und unwahrscheinlich — oder sind wir es? Ich suchte diese Empfindung in Worten auszudrücken, — Susanna nahm freundlich meine Hand, als wollte sie mir den Puls fühlen, und sagte beschwichtigend: „Lieber Dame, Sie wissen doch, in welchem Stadtteil wir leben, und daß hier vieles unwahrscheinlich ist — Aber eigentlich geht es mir ebenso wie Ihnen — —“ Orlonski, der schweigend in einer Ecke saß und ein verrostetes altes Schwert blank rieb, fiel ihr ins Wort: „Nun fangt ihr ja glücklich alle an verrückt zu werden, — gratuliere.“ „Onski, das verstehst du nicht, — du bist ja selbst aus dem Mittelalter, und willst es bloß nicht zugeben. — Es ist hier schon viel dummes Zeug — aber Delius

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/119
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/119>, abgerufen am 02.05.2024.