Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



gespäht. Durch Hülfe seiner vom Himmel ihm
verliehenen großen Einsichten in der Mechanik
erfand er das Geheimniß, sich Flügel zu ma-
chen, um dem Großvogel zu folgen und seinen
Aufenthalt zu entdecken. Er langte daher den
Tag meiner Entführung, fast eben so geschwind,
als ich, hier an, und er hat mit solchem Muth
gegen den Großvogel gestritten, daß es ihm ge-
glückt denselben von dem unbesteiglichen Berge,
wo er uns alle hingebracht hat und wo wir in
Ansehung des Lebensunterhalts ganz gut einge-
richtet sind, zu verjagen. Jch für mein Theil
bin von allen wie eine Königinn verehrt; Vic-
torin ist mein erster Unterthan, und ich bin
überzeugt, daß ich bloß ihn mein Ansehn zu
verdanken habe. Uebrigens dürfen sie, vereh-
rungswürdiger und geliebter Vater, sich keine
Sorgen machen; Victorin behauptet seinen
Platz, und ihre Tochter weiß was sie sich selbst
schuldig ist. Dieser liebenswürdige Jüngling
besitzt allein das Vermögen von dem unbesteigli-
chen Berge herunter zu kommen, und thut es
bloß zu meinen Diensten. Auch er wird ihnen
diesen Brief überbringen. Jch bitte sie in stän-
digst, vielgeliebter Vater, die Antwort an eben
denselben Ort hinzulegen, damit Victorin sie
abholen kann; denn er wagt' es nicht mit ihnen

zu
E 4



geſpaͤht. Durch Huͤlfe ſeiner vom Himmel ihm
verliehenen großen Einſichten in der Mechanik
erfand er das Geheimniß, ſich Fluͤgel zu ma-
chen, um dem Großvogel zu folgen und ſeinen
Aufenthalt zu entdecken. Er langte daher den
Tag meiner Entfuͤhrung, faſt eben ſo geſchwind,
als ich, hier an, und er hat mit ſolchem Muth
gegen den Großvogel geſtritten, daß es ihm ge-
gluͤckt denſelben von dem unbeſteiglichen Berge,
wo er uns alle hingebracht hat und wo wir in
Anſehung des Lebensunterhalts ganz gut einge-
richtet ſind, zu verjagen. Jch fuͤr mein Theil
bin von allen wie eine Koͤniginn verehrt; Vic-
torin iſt mein erſter Unterthan, und ich bin
uͤberzeugt, daß ich bloß ihn mein Anſehn zu
verdanken habe. Uebrigens duͤrfen ſie, vereh-
rungswuͤrdiger und geliebter Vater, ſich keine
Sorgen machen; Victorin behauptet ſeinen
Platz, und ihre Tochter weiß was ſie ſich ſelbſt
ſchuldig iſt. Dieſer liebenswuͤrdige Juͤngling
beſitzt allein das Vermoͤgen von dem unbeſteigli-
chen Berge herunter zu kommen, und thut es
bloß zu meinen Dienſten. Auch er wird ihnen
dieſen Brief uͤberbringen. Jch bitte ſie in ſtaͤn-
digſt, vielgeliebter Vater, die Antwort an eben
denſelben Ort hinzulegen, damit Victorin ſie
abholen kann; denn er wagt’ es nicht mit ihnen

zu
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0079" n="71"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ge&#x017F;pa&#x0364;ht. Durch Hu&#x0364;lfe &#x017F;einer vom Himmel ihm<lb/>
verliehenen großen Ein&#x017F;ichten in der Mechanik<lb/>
erfand er das Geheimniß, &#x017F;ich Flu&#x0364;gel zu ma-<lb/>
chen, um dem Großvogel zu folgen und &#x017F;einen<lb/>
Aufenthalt zu entdecken. Er langte daher den<lb/>
Tag meiner Entfu&#x0364;hrung, fa&#x017F;t eben &#x017F;o ge&#x017F;chwind,<lb/>
als ich, hier an, und er hat mit &#x017F;olchem Muth<lb/>
gegen den Großvogel ge&#x017F;tritten, daß es ihm ge-<lb/>
glu&#x0364;ckt den&#x017F;elben von dem unbe&#x017F;teiglichen Berge,<lb/>
wo er uns alle hingebracht hat und wo wir in<lb/>
An&#x017F;ehung des Lebensunterhalts ganz gut einge-<lb/>
richtet &#x017F;ind, zu verjagen. Jch fu&#x0364;r mein Theil<lb/>
bin von allen wie eine Ko&#x0364;niginn verehrt; Vic-<lb/>
torin i&#x017F;t mein er&#x017F;ter Unterthan, und ich bin<lb/>
u&#x0364;berzeugt, daß ich bloß ihn mein An&#x017F;ehn zu<lb/>
verdanken habe. Uebrigens du&#x0364;rfen &#x017F;ie, vereh-<lb/>
rungswu&#x0364;rdiger und geliebter Vater, &#x017F;ich keine<lb/>
Sorgen machen; Victorin behauptet &#x017F;einen<lb/>
Platz, und ihre Tochter weiß was &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chuldig i&#x017F;t. Die&#x017F;er liebenswu&#x0364;rdige Ju&#x0364;ngling<lb/>
be&#x017F;itzt allein das Vermo&#x0364;gen von dem unbe&#x017F;teigli-<lb/>
chen Berge herunter zu kommen, und thut es<lb/>
bloß zu meinen Dien&#x017F;ten. Auch er wird ihnen<lb/>
die&#x017F;en Brief u&#x0364;berbringen. Jch bitte &#x017F;ie in &#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig&#x017F;t, vielgeliebter Vater, die Antwort an eben<lb/>
den&#x017F;elben Ort hinzulegen, damit Victorin &#x017F;ie<lb/>
abholen kann; denn er wagt&#x2019; es nicht mit ihnen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] geſpaͤht. Durch Huͤlfe ſeiner vom Himmel ihm verliehenen großen Einſichten in der Mechanik erfand er das Geheimniß, ſich Fluͤgel zu ma- chen, um dem Großvogel zu folgen und ſeinen Aufenthalt zu entdecken. Er langte daher den Tag meiner Entfuͤhrung, faſt eben ſo geſchwind, als ich, hier an, und er hat mit ſolchem Muth gegen den Großvogel geſtritten, daß es ihm ge- gluͤckt denſelben von dem unbeſteiglichen Berge, wo er uns alle hingebracht hat und wo wir in Anſehung des Lebensunterhalts ganz gut einge- richtet ſind, zu verjagen. Jch fuͤr mein Theil bin von allen wie eine Koͤniginn verehrt; Vic- torin iſt mein erſter Unterthan, und ich bin uͤberzeugt, daß ich bloß ihn mein Anſehn zu verdanken habe. Uebrigens duͤrfen ſie, vereh- rungswuͤrdiger und geliebter Vater, ſich keine Sorgen machen; Victorin behauptet ſeinen Platz, und ihre Tochter weiß was ſie ſich ſelbſt ſchuldig iſt. Dieſer liebenswuͤrdige Juͤngling beſitzt allein das Vermoͤgen von dem unbeſteigli- chen Berge herunter zu kommen, und thut es bloß zu meinen Dienſten. Auch er wird ihnen dieſen Brief uͤberbringen. Jch bitte ſie in ſtaͤn- digſt, vielgeliebter Vater, die Antwort an eben denſelben Ort hinzulegen, damit Victorin ſie abholen kann; denn er wagt’ es nicht mit ihnen zu E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/79
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/79>, abgerufen am 27.11.2024.