Anfangs gab niemand auf das Wunderwerk die- ses Wagens Achtung, aber Victorin mit einigen gu- ten Freunden erwartete ihn an den lebhaftesten Orte der Stadt, und machte sie auf diese Erscheinung aufmerksam. Sie nähern sich und folgen dem Wa- gen, um ihn zu sehen.
Der Pöbel läuft zusammen, alles drängt sich, mit allem seinen Schwören kann der Petitmaitre den Haufen nicht zertrennen: endlich findet er einen Aus- gang und fährt durch zwey Reihen Bewunderer im Genusse seines völligen Ruhms. Welcher Augen- blick für einen Thoren! Seiner selbst nicht mächtig schwärmt er für Freuden, Ruhm, Narrheit und Vergnügen.
Als er lange genug herum spazirt war, kehrt er nach Hause abgemattet vor Müdigkeit, die er der Bewegung der Füße, wodurch er den Wagen in Gang bringen mußte, zu danken hatte. Jch ver- gaß noch zu erinnern, daß er die Pferde abnehmen ließ, eh' er in seinen Hof fuhr, und dadurch, daß die Bewegung, ungeachtet ihrer Abwesenheit, immer fortdauerte, die Ungläubigen vollends überzeugte.
Ein Theil der Zuschauer gieng mit der größten Verwunderung nach Hause; und der andere -- dies war der unwissende Pöbel -- mit der völligen Ueberzeugung, daß der Petitmaitre einen Bund mit dem Teufel gemacht habe.
Man kann leicht urtheilen, welche Fragen der Besitzer eines so schönen Geheimnisses in den gesell-
schaft-
Anfangs gab niemand auf das Wunderwerk die- ſes Wagens Achtung, aber Victorin mit einigen gu- ten Freunden erwartete ihn an den lebhafteſten Orte der Stadt, und machte ſie auf dieſe Erſcheinung aufmerkſam. Sie naͤhern ſich und folgen dem Wa- gen, um ihn zu ſehen.
Der Poͤbel laͤuft zuſammen, alles draͤngt ſich, mit allem ſeinen Schwoͤren kann der Petitmaitre den Haufen nicht zertrennen: endlich findet er einen Aus- gang und faͤhrt durch zwey Reihen Bewunderer im Genuſſe ſeines voͤlligen Ruhms. Welcher Augen- blick fuͤr einen Thoren! Seiner ſelbſt nicht maͤchtig ſchwaͤrmt er fuͤr Freuden, Ruhm, Narrheit und Vergnuͤgen.
Als er lange genug herum ſpazirt war, kehrt er nach Hauſe abgemattet vor Muͤdigkeit, die er der Bewegung der Fuͤße, wodurch er den Wagen in Gang bringen mußte, zu danken hatte. Jch ver- gaß noch zu erinnern, daß er die Pferde abnehmen ließ, eh’ er in ſeinen Hof fuhr, und dadurch, daß die Bewegung, ungeachtet ihrer Abweſenheit, immer fortdauerte, die Unglaͤubigen vollends uͤberzeugte.
Ein Theil der Zuſchauer gieng mit der groͤßten Verwunderung nach Hauſe; und der andere — dies war der unwiſſende Poͤbel — mit der voͤlligen Ueberzeugung, daß der Petitmaitre einen Bund mit dem Teufel gemacht habe.
Man kann leicht urtheilen, welche Fragen der Beſitzer eines ſo ſchoͤnen Geheimniſſes in den geſell-
ſchaft-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0053"n="45"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Anfangs gab niemand auf das Wunderwerk die-<lb/>ſes Wagens Achtung, aber Victorin mit einigen gu-<lb/>
ten Freunden erwartete ihn an den lebhafteſten Orte<lb/>
der Stadt, und machte ſie auf dieſe Erſcheinung<lb/>
aufmerkſam. Sie naͤhern ſich und folgen dem Wa-<lb/>
gen, um ihn zu ſehen.</p><lb/><p>Der Poͤbel laͤuft zuſammen, alles draͤngt ſich,<lb/>
mit allem ſeinen Schwoͤren kann der Petitmaitre den<lb/>
Haufen nicht zertrennen: endlich findet er einen Aus-<lb/>
gang und faͤhrt durch zwey Reihen Bewunderer im<lb/>
Genuſſe ſeines voͤlligen Ruhms. Welcher Augen-<lb/>
blick fuͤr einen Thoren! Seiner ſelbſt nicht maͤchtig<lb/>ſchwaͤrmt er fuͤr Freuden, Ruhm, Narrheit und<lb/>
Vergnuͤgen.</p><lb/><p>Als er lange genug herum ſpazirt war, kehrt<lb/>
er nach Hauſe abgemattet vor Muͤdigkeit, die er der<lb/>
Bewegung der Fuͤße, wodurch er den Wagen in<lb/>
Gang bringen mußte, zu danken hatte. Jch ver-<lb/>
gaß noch zu erinnern, daß er die Pferde abnehmen<lb/>
ließ, eh’ er in ſeinen Hof fuhr, und dadurch, daß<lb/>
die Bewegung, ungeachtet ihrer Abweſenheit, immer<lb/>
fortdauerte, die Unglaͤubigen vollends uͤberzeugte.</p><lb/><p>Ein Theil der Zuſchauer gieng mit der groͤßten<lb/>
Verwunderung nach Hauſe; und der andere —<lb/>
dies war der unwiſſende Poͤbel — mit der voͤlligen<lb/>
Ueberzeugung, daß der Petitmaitre einen Bund mit<lb/>
dem Teufel gemacht habe.</p><lb/><p>Man kann leicht urtheilen, welche Fragen der<lb/>
Beſitzer eines ſo ſchoͤnen Geheimniſſes in den geſell-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchaft-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0053]
Anfangs gab niemand auf das Wunderwerk die-
ſes Wagens Achtung, aber Victorin mit einigen gu-
ten Freunden erwartete ihn an den lebhafteſten Orte
der Stadt, und machte ſie auf dieſe Erſcheinung
aufmerkſam. Sie naͤhern ſich und folgen dem Wa-
gen, um ihn zu ſehen.
Der Poͤbel laͤuft zuſammen, alles draͤngt ſich,
mit allem ſeinen Schwoͤren kann der Petitmaitre den
Haufen nicht zertrennen: endlich findet er einen Aus-
gang und faͤhrt durch zwey Reihen Bewunderer im
Genuſſe ſeines voͤlligen Ruhms. Welcher Augen-
blick fuͤr einen Thoren! Seiner ſelbſt nicht maͤchtig
ſchwaͤrmt er fuͤr Freuden, Ruhm, Narrheit und
Vergnuͤgen.
Als er lange genug herum ſpazirt war, kehrt
er nach Hauſe abgemattet vor Muͤdigkeit, die er der
Bewegung der Fuͤße, wodurch er den Wagen in
Gang bringen mußte, zu danken hatte. Jch ver-
gaß noch zu erinnern, daß er die Pferde abnehmen
ließ, eh’ er in ſeinen Hof fuhr, und dadurch, daß
die Bewegung, ungeachtet ihrer Abweſenheit, immer
fortdauerte, die Unglaͤubigen vollends uͤberzeugte.
Ein Theil der Zuſchauer gieng mit der groͤßten
Verwunderung nach Hauſe; und der andere —
dies war der unwiſſende Poͤbel — mit der voͤlligen
Ueberzeugung, daß der Petitmaitre einen Bund mit
dem Teufel gemacht habe.
Man kann leicht urtheilen, welche Fragen der
Beſitzer eines ſo ſchoͤnen Geheimniſſes in den geſell-
ſchaft-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/53>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.