Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



den, zwey kleinere an den Halbstiefeln befestigt, lie-
fen an beyden Seiten des Fußes und der Schenkel
hinauf, und vereinigten sich in eine lederne Kugel,
die er am Lendengürtel trug; zwey sehr breite Strei-
fen giengen ferner an den Seiten hin, und schlossen
sich an eine Kappe, welche die Schultern mittelst
vier Streifen, wodurch die Arme giengen, bedeckte.
Zwey starke bewegliche Fischbeinstäbe, davon das
Ende auf den Halbstiefeln aufstand, um durch die
Füße in Bewegung gesetzt zu werden, befanden sich
auf beyden Seiten; waren mit kleinen Ringen von
geölten Buchsbaum befestigt, und erstreckten sich bis
über den Kopf hinaus, damit der Taffet von den
Flügeln bis dahin reichen möchte. Diese Flügel
waren an den beyden äußern Seitenbändern befestigt,
und so angebracht, daß sie einen Menschen der Länge
nach trugen, den Kopf und die Hälfte der Füße ein-
geschlossen. Eine Art von sehr spitzigem Sonnen-
schirm, der, wenn er ausgespannt war, von sechs
seidenen Leinen gehalten ward, diente darzu, weiter
zu kommen, den Kopf zu erheben, oder eine völlig
senkrechte Lage anzunehmen. Weil der fliegende
Mensch von seinen beyden Händen Gebrauch machen
mußte; so ward die Feder, welche die Flügel in
Bewegung setzte, durch zwey Riemen, welche unter
jeder Fußsohle weggiengen, getrieben, so daß man,
um zu fliegen, nur die Füße auf gewöhnliche Art
fortsetzen durste -- eine Bewegung, die man folg-
lich, nach Belieben, geschwinder oder langsamer
machen konnte. Die beyden Füße setzten jeder die
beyden Flügel hinlänglich in Bewegung: sie spann-

ten



den, zwey kleinere an den Halbſtiefeln befeſtigt, lie-
fen an beyden Seiten des Fußes und der Schenkel
hinauf, und vereinigten ſich in eine lederne Kugel,
die er am Lendenguͤrtel trug; zwey ſehr breite Strei-
fen giengen ferner an den Seiten hin, und ſchloſſen
ſich an eine Kappe, welche die Schultern mittelſt
vier Streifen, wodurch die Arme giengen, bedeckte.
Zwey ſtarke bewegliche Fiſchbeinſtaͤbe, davon das
Ende auf den Halbſtiefeln aufſtand, um durch die
Fuͤße in Bewegung geſetzt zu werden, befanden ſich
auf beyden Seiten; waren mit kleinen Ringen von
geoͤlten Buchsbaum befeſtigt, und erſtreckten ſich bis
uͤber den Kopf hinaus, damit der Taffet von den
Fluͤgeln bis dahin reichen moͤchte. Dieſe Fluͤgel
waren an den beyden aͤußern Seitenbaͤndern befeſtigt,
und ſo angebracht, daß ſie einen Menſchen der Laͤnge
nach trugen, den Kopf und die Haͤlfte der Fuͤße ein-
geſchloſſen. Eine Art von ſehr ſpitzigem Sonnen-
ſchirm, der, wenn er ausgeſpannt war, von ſechs
ſeidenen Leinen gehalten ward, diente darzu, weiter
zu kommen, den Kopf zu erheben, oder eine voͤllig
ſenkrechte Lage anzunehmen. Weil der fliegende
Menſch von ſeinen beyden Haͤnden Gebrauch machen
mußte; ſo ward die Feder, welche die Fluͤgel in
Bewegung ſetzte, durch zwey Riemen, welche unter
jeder Fußſohle weggiengen, getrieben, ſo daß man,
um zu fliegen, nur die Fuͤße auf gewoͤhnliche Art
fortſetzen durſte — eine Bewegung, die man folg-
lich, nach Belieben, geſchwinder oder langſamer
machen konnte. Die beyden Fuͤße ſetzten jeder die
beyden Fluͤgel hinlaͤnglich in Bewegung: ſie ſpann-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="22"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den, zwey kleinere an den Halb&#x017F;tiefeln befe&#x017F;tigt, lie-<lb/>
fen an beyden Seiten des Fußes und der Schenkel<lb/>
hinauf, und vereinigten &#x017F;ich in eine lederne Kugel,<lb/>
die er am Lendengu&#x0364;rtel trug; zwey &#x017F;ehr breite Strei-<lb/>
fen giengen ferner an den Seiten hin, und &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich an eine Kappe, welche die Schultern mittel&#x017F;t<lb/>
vier Streifen, wodurch die Arme giengen, bedeckte.<lb/>
Zwey &#x017F;tarke bewegliche Fi&#x017F;chbein&#x017F;ta&#x0364;be, davon das<lb/>
Ende auf den Halb&#x017F;tiefeln auf&#x017F;tand, um durch die<lb/>
Fu&#x0364;ße in Bewegung ge&#x017F;etzt zu werden, befanden &#x017F;ich<lb/>
auf beyden Seiten; waren mit kleinen Ringen von<lb/>
geo&#x0364;lten Buchsbaum befe&#x017F;tigt, und er&#x017F;treckten &#x017F;ich bis<lb/>
u&#x0364;ber den Kopf hinaus, damit der Taffet von den<lb/>
Flu&#x0364;geln bis dahin reichen mo&#x0364;chte. Die&#x017F;e Flu&#x0364;gel<lb/>
waren an den beyden a&#x0364;ußern Seitenba&#x0364;ndern befe&#x017F;tigt,<lb/>
und &#x017F;o angebracht, daß &#x017F;ie einen Men&#x017F;chen der La&#x0364;nge<lb/>
nach trugen, den Kopf und die Ha&#x0364;lfte der Fu&#x0364;ße ein-<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Eine Art von &#x017F;ehr &#x017F;pitzigem Sonnen-<lb/>
&#x017F;chirm, der, wenn er ausge&#x017F;pannt war, von &#x017F;echs<lb/>
&#x017F;eidenen Leinen gehalten ward, diente darzu, weiter<lb/>
zu kommen, den Kopf zu erheben, oder eine vo&#x0364;llig<lb/>
&#x017F;enkrechte Lage anzunehmen. Weil der fliegende<lb/>
Men&#x017F;ch von &#x017F;einen beyden Ha&#x0364;nden Gebrauch machen<lb/>
mußte; &#x017F;o ward die Feder, welche die Flu&#x0364;gel in<lb/>
Bewegung &#x017F;etzte, durch zwey Riemen, welche unter<lb/>
jeder Fuß&#x017F;ohle weggiengen, getrieben, &#x017F;o daß man,<lb/>
um zu fliegen, nur die Fu&#x0364;ße auf gewo&#x0364;hnliche Art<lb/>
fort&#x017F;etzen dur&#x017F;te &#x2014; eine Bewegung, die man folg-<lb/>
lich, nach Belieben, ge&#x017F;chwinder oder lang&#x017F;amer<lb/>
machen konnte. Die beyden Fu&#x0364;ße &#x017F;etzten jeder die<lb/>
beyden Flu&#x0364;gel hinla&#x0364;nglich in Bewegung: &#x017F;ie &#x017F;pann-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0030] den, zwey kleinere an den Halbſtiefeln befeſtigt, lie- fen an beyden Seiten des Fußes und der Schenkel hinauf, und vereinigten ſich in eine lederne Kugel, die er am Lendenguͤrtel trug; zwey ſehr breite Strei- fen giengen ferner an den Seiten hin, und ſchloſſen ſich an eine Kappe, welche die Schultern mittelſt vier Streifen, wodurch die Arme giengen, bedeckte. Zwey ſtarke bewegliche Fiſchbeinſtaͤbe, davon das Ende auf den Halbſtiefeln aufſtand, um durch die Fuͤße in Bewegung geſetzt zu werden, befanden ſich auf beyden Seiten; waren mit kleinen Ringen von geoͤlten Buchsbaum befeſtigt, und erſtreckten ſich bis uͤber den Kopf hinaus, damit der Taffet von den Fluͤgeln bis dahin reichen moͤchte. Dieſe Fluͤgel waren an den beyden aͤußern Seitenbaͤndern befeſtigt, und ſo angebracht, daß ſie einen Menſchen der Laͤnge nach trugen, den Kopf und die Haͤlfte der Fuͤße ein- geſchloſſen. Eine Art von ſehr ſpitzigem Sonnen- ſchirm, der, wenn er ausgeſpannt war, von ſechs ſeidenen Leinen gehalten ward, diente darzu, weiter zu kommen, den Kopf zu erheben, oder eine voͤllig ſenkrechte Lage anzunehmen. Weil der fliegende Menſch von ſeinen beyden Haͤnden Gebrauch machen mußte; ſo ward die Feder, welche die Fluͤgel in Bewegung ſetzte, durch zwey Riemen, welche unter jeder Fußſohle weggiengen, getrieben, ſo daß man, um zu fliegen, nur die Fuͤße auf gewoͤhnliche Art fortſetzen durſte — eine Bewegung, die man folg- lich, nach Belieben, geſchwinder oder langſamer machen konnte. Die beyden Fuͤße ſetzten jeder die beyden Fluͤgel hinlaͤnglich in Bewegung: ſie ſpann- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/30
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/30>, abgerufen am 28.03.2024.