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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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sung war. Aber was vermag nicht die Liebe! Nur
sie allein ist die Erfinderinn aller Künste. -- --

Endlich brachte Victorin die Erfindung des Jo-
hann Vezinier zu einiger Vollkommenheit; Seine
Maschine verschaft' ihm, mittelst schneller Bewegung
der Räder, den Flug einer Rebhenne, um sich von
der Erde zu erheben, und durch eine noch gelindere
Bewegung erhielt' er den Flug der größern Zugvö-
gel, welche die Luft blos zu gewissen abgesetzten Zei-
ten schlagen. Er machte sich Flügel aus dem leich-
testen seidenen Zeuge, und zog ihn über Fischbein-
stabe, welche oben stark, und nach und nach schwächer
zuliefen, ziemlich wie die Seiten der Vogelfedern.

Mit diesen seinen verbesserten Flügeln begab er
sich auf ein einsames Feld, um einen neuen Versuch
im Großen anzustellen; schon vorher hatte er sie
in seines Vaters Hofe, Sonntags während des Got-
tesdienstes, wenn alle Leute in der Kirche waren,
versucht. Er hatte sich aber nicht in die Höhe ge-
wagt; entweder um nicht von den Kindern gesehen
zu werden, oder aus Furcht für einen Zufall, wo
er Hülfe bedürfen und sein Geheimniß verrathen
mußte. Gleich des Morgens gieng er an diesen ein-
samen Ort. Entschlossen alles zu wagen, und sich
so hoch als möglich zu erheben, sollt' ihm auch die-
ser Versuch sein Leben kosten. -- Christinen zu ver-
lieren war freylich ein größeres Unglück!

Als er auf einen entlegenen Hügel kam, legt' er
seine Flügel an. Mit einem breiten und starken vom
Täschner verfertigten Riemen umgürtete er seine Len-

den,
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ſung war. Aber was vermag nicht die Liebe! Nur
ſie allein iſt die Erfinderinn aller Kuͤnſte. — —

Endlich brachte Victorin die Erfindung des Jo-
hann Vezinier zu einiger Vollkommenheit; Seine
Maſchine verſchaft’ ihm, mittelſt ſchneller Bewegung
der Raͤder, den Flug einer Rebhenne, um ſich von
der Erde zu erheben, und durch eine noch gelindere
Bewegung erhielt’ er den Flug der groͤßern Zugvoͤ-
gel, welche die Luft blos zu gewiſſen abgeſetzten Zei-
ten ſchlagen. Er machte ſich Fluͤgel aus dem leich-
teſten ſeidenen Zeuge, und zog ihn uͤber Fiſchbein-
ſtabe, welche oben ſtark, und nach und nach ſchwaͤcher
zuliefen, ziemlich wie die Seiten der Vogelfedern.

Mit dieſen ſeinen verbeſſerten Fluͤgeln begab er
ſich auf ein einſames Feld, um einen neuen Verſuch
im Großen anzuſtellen; ſchon vorher hatte er ſie
in ſeines Vaters Hofe, Sonntags waͤhrend des Got-
tesdienſtes, wenn alle Leute in der Kirche waren,
verſucht. Er hatte ſich aber nicht in die Hoͤhe ge-
wagt; entweder um nicht von den Kindern geſehen
zu werden, oder aus Furcht fuͤr einen Zufall, wo
er Huͤlfe beduͤrfen und ſein Geheimniß verrathen
mußte. Gleich des Morgens gieng er an dieſen ein-
ſamen Ort. Entſchloſſen alles zu wagen, und ſich
ſo hoch als moͤglich zu erheben, ſollt’ ihm auch die-
ſer Verſuch ſein Leben koſten. — Chriſtinen zu ver-
lieren war freylich ein groͤßeres Ungluͤck!

Als er auf einen entlegenen Huͤgel kam, legt’ er
ſeine Fluͤgel an. Mit einem breiten und ſtarken vom
Taͤſchner verfertigten Riemen umguͤrtete er ſeine Len-

den,
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[21/0029] ſung war. Aber was vermag nicht die Liebe! Nur ſie allein iſt die Erfinderinn aller Kuͤnſte. — — Endlich brachte Victorin die Erfindung des Jo- hann Vezinier zu einiger Vollkommenheit; Seine Maſchine verſchaft’ ihm, mittelſt ſchneller Bewegung der Raͤder, den Flug einer Rebhenne, um ſich von der Erde zu erheben, und durch eine noch gelindere Bewegung erhielt’ er den Flug der groͤßern Zugvoͤ- gel, welche die Luft blos zu gewiſſen abgeſetzten Zei- ten ſchlagen. Er machte ſich Fluͤgel aus dem leich- teſten ſeidenen Zeuge, und zog ihn uͤber Fiſchbein- ſtabe, welche oben ſtark, und nach und nach ſchwaͤcher zuliefen, ziemlich wie die Seiten der Vogelfedern. Mit dieſen ſeinen verbeſſerten Fluͤgeln begab er ſich auf ein einſames Feld, um einen neuen Verſuch im Großen anzuſtellen; ſchon vorher hatte er ſie in ſeines Vaters Hofe, Sonntags waͤhrend des Got- tesdienſtes, wenn alle Leute in der Kirche waren, verſucht. Er hatte ſich aber nicht in die Hoͤhe ge- wagt; entweder um nicht von den Kindern geſehen zu werden, oder aus Furcht fuͤr einen Zufall, wo er Huͤlfe beduͤrfen und ſein Geheimniß verrathen mußte. Gleich des Morgens gieng er an dieſen ein- ſamen Ort. Entſchloſſen alles zu wagen, und ſich ſo hoch als moͤglich zu erheben, ſollt’ ihm auch die- ſer Verſuch ſein Leben koſten. — Chriſtinen zu ver- lieren war freylich ein groͤßeres Ungluͤck! Als er auf einen entlegenen Huͤgel kam, legt’ er ſeine Fluͤgel an. Mit einem breiten und ſtarken vom Taͤſchner verfertigten Riemen umguͤrtete er ſeine Len- den, B 3

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/29>, abgerufen am 22.11.2024.