Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



haltung ihrer Jungen darzubieten. Aber Alexan-
der macht' ihr durch Ueberreichung einer Brod-
frucht, die sie beschnoperte und aß, wieder Muth.
Drauf ließ er ihr freien Weg und entfernte sich.
Sie schien darüber sehr zufrieden und ging ganz
gelassen fort, sahe sich iedoch öfter um. Sobald
sie einen Wald mit noch stehenden Bäumen, die
eine Art von Eichen zu seyn schienen, erreichte, grunz-
te sie heftig. Die Mannsperson, welche sie verlas-
sen hatte, kam wieder zu ihr und nun hörte man
ein entsetzliches Gegrunze. An die sechshundert
Schweinmenschen kamen aus dem Holze nach den
zwei fliegenden Männern zu. Sie gingen auf vier
Füssen, traten aber sehr oft auf zweien in die
Höhe, nm sich umzusehn und zu schnopern. Vic-
torin und sein Sohn flohen auf einen Baum und
setzten sich. Die Schweinmenschen kamen bis zum
Fuß desselben und fingen sogleich an die Erde mit
ihrer Nase, die wie ein Hauer geformt war, zu
untergraben, in der Absicht diesen Zufluchtsort der
beiden unbekannten Wesen niederzustürzen. Um ih-
nen aber diese Mühe zu ersparen; erhoben sich die
fliegenden Menschen und schwebten über dem Hau-
fen, der seine Arbeit unterließ, sich aufrichtete und
stillschweigend sie betrachtete. Drauf fingen sie
an gegen einander zu grunzen. Jhre sehr langen
ziemlich weißen aber ein wenig dünnstehenden Bor-
sten traten hervor und zeigten, daß sie nicht ganz
kaltblütig wären. Endlich machte einer von ihnen
mit einem Schwanzdrehen einen Sprung, grunz-
te auf eine fürchterliche Art und flohe davon. Alle

übri-



haltung ihrer Jungen darzubieten. Aber Alexan-
der macht’ ihr durch Ueberreichung einer Brod-
frucht, die ſie beſchnoperte und aß, wieder Muth.
Drauf ließ er ihr freien Weg und entfernte ſich.
Sie ſchien daruͤber ſehr zufrieden und ging ganz
gelaſſen fort, ſahe ſich iedoch oͤfter um. Sobald
ſie einen Wald mit noch ſtehenden Baͤumen, die
eine Art von Eichen zu ſeyn ſchienen, erreichte, grunz-
te ſie heftig. Die Mannsperſon, welche ſie verlaſ-
ſen hatte, kam wieder zu ihr und nun hoͤrte man
ein entſetzliches Gegrunze. An die ſechshundert
Schweinmenſchen kamen aus dem Holze nach den
zwei fliegenden Maͤnnern zu. Sie gingen auf vier
Fuͤſſen, traten aber ſehr oft auf zweien in die
Hoͤhe, nm ſich umzuſehn und zu ſchnopern. Vic-
torin und ſein Sohn flohen auf einen Baum und
ſetzten ſich. Die Schweinmenſchen kamen bis zum
Fuß deſſelben und fingen ſogleich an die Erde mit
ihrer Naſe, die wie ein Hauer geformt war, zu
untergraben, in der Abſicht dieſen Zufluchtsort der
beiden unbekannten Weſen niederzuſtuͤrzen. Um ih-
nen aber dieſe Muͤhe zu erſparen; erhoben ſich die
fliegenden Menſchen und ſchwebten uͤber dem Hau-
fen, der ſeine Arbeit unterließ, ſich aufrichtete und
ſtillſchweigend ſie betrachtete. Drauf fingen ſie
an gegen einander zu grunzen. Jhre ſehr langen
ziemlich weißen aber ein wenig duͤnnſtehenden Bor-
ſten traten hervor und zeigten, daß ſie nicht ganz
kaltbluͤtig waͤren. Endlich machte einer von ihnen
mit einem Schwanzdrehen einen Sprung, grunz-
te auf eine fuͤrchterliche Art und flohe davon. Alle

uͤbri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0197" n="189"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
haltung ihrer Jungen darzubieten. Aber Alexan-<lb/>
der macht&#x2019; ihr durch Ueberreichung einer Brod-<lb/>
frucht, die &#x017F;ie be&#x017F;chnoperte und aß, wieder Muth.<lb/>
Drauf ließ er ihr freien Weg und entfernte &#x017F;ich.<lb/>
Sie &#x017F;chien daru&#x0364;ber &#x017F;ehr zufrieden und ging ganz<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en fort, &#x017F;ahe &#x017F;ich iedoch o&#x0364;fter um. Sobald<lb/>
&#x017F;ie einen Wald mit noch &#x017F;tehenden Ba&#x0364;umen, die<lb/>
eine Art von Eichen zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen, erreichte, grunz-<lb/>
te &#x017F;ie heftig. Die Mannsper&#x017F;on, welche &#x017F;ie verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hatte, kam wieder zu ihr und nun ho&#x0364;rte man<lb/>
ein ent&#x017F;etzliches Gegrunze. An die &#x017F;echshundert<lb/>
Schweinmen&#x017F;chen kamen aus dem Holze nach den<lb/>
zwei fliegenden Ma&#x0364;nnern zu. Sie gingen auf vier<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, traten aber &#x017F;ehr oft auf zweien in die<lb/>
Ho&#x0364;he, nm &#x017F;ich umzu&#x017F;ehn und zu &#x017F;chnopern. Vic-<lb/>
torin und &#x017F;ein Sohn flohen auf einen Baum und<lb/>
&#x017F;etzten &#x017F;ich. Die Schweinmen&#x017F;chen kamen bis zum<lb/>
Fuß de&#x017F;&#x017F;elben und fingen &#x017F;ogleich an die Erde mit<lb/>
ihrer Na&#x017F;e, die wie ein Hauer geformt war, zu<lb/>
untergraben, in der Ab&#x017F;icht die&#x017F;en Zufluchtsort der<lb/>
beiden unbekannten We&#x017F;en niederzu&#x017F;tu&#x0364;rzen. Um ih-<lb/>
nen aber die&#x017F;e Mu&#x0364;he zu er&#x017F;paren; erhoben &#x017F;ich die<lb/>
fliegenden Men&#x017F;chen und &#x017F;chwebten u&#x0364;ber dem Hau-<lb/>
fen, der &#x017F;eine Arbeit unterließ, &#x017F;ich aufrichtete und<lb/>
&#x017F;till&#x017F;chweigend &#x017F;ie betrachtete. Drauf fingen &#x017F;ie<lb/>
an gegen einander zu grunzen. Jhre &#x017F;ehr langen<lb/>
ziemlich weißen aber ein wenig du&#x0364;nn&#x017F;tehenden Bor-<lb/>
&#x017F;ten traten hervor und zeigten, daß &#x017F;ie nicht ganz<lb/>
kaltblu&#x0364;tig wa&#x0364;ren. Endlich machte einer von ihnen<lb/>
mit einem Schwanzdrehen einen Sprung, grunz-<lb/>
te auf eine fu&#x0364;rchterliche Art und flohe davon. Alle<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u&#x0364;bri-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0197] haltung ihrer Jungen darzubieten. Aber Alexan- der macht’ ihr durch Ueberreichung einer Brod- frucht, die ſie beſchnoperte und aß, wieder Muth. Drauf ließ er ihr freien Weg und entfernte ſich. Sie ſchien daruͤber ſehr zufrieden und ging ganz gelaſſen fort, ſahe ſich iedoch oͤfter um. Sobald ſie einen Wald mit noch ſtehenden Baͤumen, die eine Art von Eichen zu ſeyn ſchienen, erreichte, grunz- te ſie heftig. Die Mannsperſon, welche ſie verlaſ- ſen hatte, kam wieder zu ihr und nun hoͤrte man ein entſetzliches Gegrunze. An die ſechshundert Schweinmenſchen kamen aus dem Holze nach den zwei fliegenden Maͤnnern zu. Sie gingen auf vier Fuͤſſen, traten aber ſehr oft auf zweien in die Hoͤhe, nm ſich umzuſehn und zu ſchnopern. Vic- torin und ſein Sohn flohen auf einen Baum und ſetzten ſich. Die Schweinmenſchen kamen bis zum Fuß deſſelben und fingen ſogleich an die Erde mit ihrer Naſe, die wie ein Hauer geformt war, zu untergraben, in der Abſicht dieſen Zufluchtsort der beiden unbekannten Weſen niederzuſtuͤrzen. Um ih- nen aber dieſe Muͤhe zu erſparen; erhoben ſich die fliegenden Menſchen und ſchwebten uͤber dem Hau- fen, der ſeine Arbeit unterließ, ſich aufrichtete und ſtillſchweigend ſie betrachtete. Drauf fingen ſie an gegen einander zu grunzen. Jhre ſehr langen ziemlich weißen aber ein wenig duͤnnſtehenden Bor- ſten traten hervor und zeigten, daß ſie nicht ganz kaltbluͤtig waͤren. Endlich machte einer von ihnen mit einem Schwanzdrehen einen Sprung, grunz- te auf eine fuͤrchterliche Art und flohe davon. Alle uͤbri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/197
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/197>, abgerufen am 22.11.2024.