Sobald sie an die neue Jnsel kamen, entdeck- te Alexander deren Bewohner -- Parbleu! sagt' er zu seinem Vater, das sind häßliche Menschen. Aber lassen sie uns solche doch sehn! Wir wollen uns auf der Ebene dort, bedeckt mit umgeworfe- nen und vermoderten Bäumen, niederlassen und die- se Herrn betrachten! Dies geschah. Der erste Gegenstand, den sie unter den umgeworfenen Bäumen entdeckten, war ein an dem Stamme eines solchen Bau- mes sitzendes Frauenzimmer, welches sechs Brüste und an ieder ein Kind hatte, die nicht übel den kleinen Ferkeln glichen; weiter hin einen Schweinmann mit sehr mürrischen Gesichte. Alexander fing an zu lachen. Victorin betrachtete sie mit Verwun- derung und hörte die Frau ungefähr wie eine grun- zende Sau ihre säugenden Kinder liebkosen. Das sind hier sicher Schweinmenschen, sprach er zu seinem Sohn: sie müssen wild aber wenig bösar- tig seyn. Hiermit näherten sie sich dem Sauwei- be, welches bei Vernehmung ihrer Ankunft den Kopf, der etwas von dem Gesichte einer Frau und von dem Rüssel eines Schweins hatte, in die Hö- he hob, einen Schrei that, und weil sie ihre sie- ben Kinder mitnahm, ziemlich langsam davon lief. Die Flucht des Mannes war weit geschwinder. Alexander verrannte ihr den Weg, stellte sich vor ihr, und bot ihr mit einer freundschaftlichen Mie- ne Lebensmittel an. Die Frau machte eine demü- thige Bewegung und schien ihr Leben für die Er-
haltung
Sechſte Jnſel.
Sobald ſie an die neue Jnſel kamen, entdeck- te Alexander deren Bewohner — Parbleu! ſagt’ er zu ſeinem Vater, das ſind haͤßliche Menſchen. Aber laſſen ſie uns ſolche doch ſehn! Wir wollen uns auf der Ebene dort, bedeckt mit umgeworfe- nen und vermoderten Baͤumen, niederlaſſen und die- ſe Herrn betrachten! Dies geſchah. Der erſte Gegenſtand, den ſie unter den umgeworfenen Baͤumen entdeckten, war ein an dem Stamme eines ſolchen Bau- mes ſitzendes Frauenzimmer, welches ſechs Bruͤſte und an ieder ein Kind hatte, die nicht uͤbel den kleinen Ferkeln glichen; weiter hin einen Schweinmann mit ſehr muͤrriſchen Geſichte. Alexander fing an zu lachen. Victorin betrachtete ſie mit Verwun- derung und hoͤrte die Frau ungefaͤhr wie eine grun- zende Sau ihre ſaͤugenden Kinder liebkoſen. Das ſind hier ſicher Schweinmenſchen, ſprach er zu ſeinem Sohn: ſie muͤſſen wild aber wenig boͤsar- tig ſeyn. Hiermit naͤherten ſie ſich dem Sauwei- be, welches bei Vernehmung ihrer Ankunft den Kopf, der etwas von dem Geſichte einer Frau und von dem Ruͤſſel eines Schweins hatte, in die Hoͤ- he hob, einen Schrei that, und weil ſie ihre ſie- ben Kinder mitnahm, ziemlich langſam davon lief. Die Flucht des Mannes war weit geſchwinder. Alexander verrannte ihr den Weg, ſtellte ſich vor ihr, und bot ihr mit einer freundſchaftlichen Mie- ne Lebensmittel an. Die Frau machte eine demuͤ- thige Bewegung und ſchien ihr Leben fuͤr die Er-
haltung
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Sechſte Jnſel.
Sobald ſie an die neue Jnſel kamen, entdeck-
te Alexander deren Bewohner — Parbleu! ſagt’
er zu ſeinem Vater, das ſind haͤßliche Menſchen.
Aber laſſen ſie uns ſolche doch ſehn! Wir wollen
uns auf der Ebene dort, bedeckt mit umgeworfe-
nen und vermoderten Baͤumen, niederlaſſen und die-
ſe Herrn betrachten! Dies geſchah. Der erſte
Gegenſtand, den ſie unter den umgeworfenen Baͤumen
entdeckten, war ein an dem Stamme eines ſolchen Bau-
mes ſitzendes Frauenzimmer, welches ſechs Bruͤſte und
an ieder ein Kind hatte, die nicht uͤbel den kleinen
Ferkeln glichen; weiter hin einen Schweinmann
mit ſehr muͤrriſchen Geſichte. Alexander fing an
zu lachen. Victorin betrachtete ſie mit Verwun-
derung und hoͤrte die Frau ungefaͤhr wie eine grun-
zende Sau ihre ſaͤugenden Kinder liebkoſen. Das
ſind hier ſicher Schweinmenſchen, ſprach er zu
ſeinem Sohn: ſie muͤſſen wild aber wenig boͤsar-
tig ſeyn. Hiermit naͤherten ſie ſich dem Sauwei-
be, welches bei Vernehmung ihrer Ankunft den
Kopf, der etwas von dem Geſichte einer Frau und
von dem Ruͤſſel eines Schweins hatte, in die Hoͤ-
he hob, einen Schrei that, und weil ſie ihre ſie-
ben Kinder mitnahm, ziemlich langſam davon lief.
Die Flucht des Mannes war weit geſchwinder.
Alexander verrannte ihr den Weg, ſtellte ſich vor
ihr, und bot ihr mit einer freundſchaftlichen Mie-
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/196>, abgerufen am 22.11.2024.
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