zu nehmen, und ihren Geschmack zu erfahren, oder ihr welchen beizubringen.
Die Arbeitsleute wurden sehr gut aufgenom- men. Mit Hülfe kleiner Leitern, wie man sie in Bibliotheken hat, nahmen sie das Maas an dem weitumfangenden Körper der Schönen, wel- che in ihrem Alter von funfzehn Jahren bereits Dreiviertheil ihrer Grösse erlangt hatte, denn die Patagonen wachsen bis ins fünf und zwanzigste Jahr. Man fertigte ihr eine Haube in Gestalt einer Fregatte mit Thauwerken, Seilen, Kano- nen, Mastbäumen und Seegeln *) etc. die ihr un- gemein gut stand; denn da die Haube groß war, konnten die Gegenstände mit Anstand bes- ser auseinander gesezt werden. Man probirte ihr ein Kleid an, welches den jezigen Polonoisen vollkommen gleich kam, ohne etwas von der üblen Gestalt zu haben, welche ungeschickte Ar- beiter ihnen zu geben anfangen; und durch Hülfe der Bügungen und des falschen Rückens den man anbrachte, hätte die schöne Patagone- rin unter ihre Röcke ein ganz Regiment Solda- ten, preussisch gekleidet, verbergen können. Die größte Verlegenheit war um hinlänglich gros- se Federn, und die Modehändler gaben dies der Mutter der Verlobten zu erkennen.
Wenn
*) Vor kurzem hat man diese Art wieder erneuert unter dem Namen der Hauben a la belle poule.
K 4
zu nehmen, und ihren Geſchmack zu erfahren, oder ihr welchen beizubringen.
Die Arbeitsleute wurden ſehr gut aufgenom- men. Mit Huͤlfe kleiner Leitern, wie man ſie in Bibliotheken hat, nahmen ſie das Maas an dem weitumfangenden Koͤrper der Schoͤnen, wel- che in ihrem Alter von funfzehn Jahren bereits Dreiviertheil ihrer Groͤſſe erlangt hatte, denn die Patagonen wachſen bis ins fuͤnf und zwanzigſte Jahr. Man fertigte ihr eine Haube in Geſtalt einer Fregatte mit Thauwerken, Seilen, Kano- nen, Maſtbaͤumen und Seegeln *) ꝛc. die ihr un- gemein gut ſtand; denn da die Haube groß war, konnten die Gegenſtaͤnde mit Anſtand beſ- ſer auseinander geſezt werden. Man probirte ihr ein Kleid an, welches den jezigen Polonoiſen vollkommen gleich kam, ohne etwas von der uͤblen Geſtalt zu haben, welche ungeſchickte Ar- beiter ihnen zu geben anfangen; und durch Huͤlfe der Buͤgungen und des falſchen Ruͤckens den man anbrachte, haͤtte die ſchoͤne Patagone- rin unter ihre Roͤcke ein ganz Regiment Solda- ten, preuſſiſch gekleidet, verbergen koͤnnen. Die groͤßte Verlegenheit war um hinlaͤnglich groſ- ſe Federn, und die Modehaͤndler gaben dies der Mutter der Verlobten zu erkennen.
Wenn
*) Vor kurzem hat man dieſe Art wieder erneuert unter dem Namen der Hauben à la belle poule.
K 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0159"n="151"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zu nehmen, und ihren Geſchmack zu erfahren,<lb/>
oder ihr welchen beizubringen.</p><lb/><p>Die Arbeitsleute wurden ſehr gut aufgenom-<lb/>
men. Mit Huͤlfe kleiner Leitern, wie man ſie<lb/>
in Bibliotheken hat, nahmen ſie das Maas an<lb/>
dem weitumfangenden Koͤrper der Schoͤnen, wel-<lb/>
che in ihrem Alter von funfzehn Jahren bereits<lb/>
Dreiviertheil ihrer Groͤſſe erlangt hatte, denn die<lb/>
Patagonen wachſen bis ins fuͤnf und zwanzigſte<lb/>
Jahr. Man fertigte ihr eine Haube in Geſtalt<lb/>
einer Fregatte mit Thauwerken, Seilen, Kano-<lb/>
nen, Maſtbaͤumen und Seegeln <noteplace="foot"n="*)">Vor kurzem hat man dieſe Art wieder erneuert<lb/>
unter dem Namen der Hauben <hirendition="#aq">à la belle<lb/>
poule.</hi></note>ꝛc. die ihr un-<lb/>
gemein gut ſtand; denn da die Haube groß<lb/>
war, konnten die Gegenſtaͤnde mit Anſtand beſ-<lb/>ſer auseinander geſezt werden. Man probirte ihr<lb/>
ein Kleid an, welches den jezigen Polonoiſen<lb/>
vollkommen gleich kam, ohne etwas von der<lb/>
uͤblen Geſtalt zu haben, welche ungeſchickte Ar-<lb/>
beiter ihnen zu geben anfangen; und durch<lb/>
Huͤlfe der Buͤgungen und des falſchen Ruͤckens<lb/>
den man anbrachte, haͤtte die ſchoͤne Patagone-<lb/>
rin unter ihre Roͤcke ein ganz Regiment Solda-<lb/>
ten, preuſſiſch gekleidet, verbergen koͤnnen. Die<lb/>
groͤßte Verlegenheit war um hinlaͤnglich groſ-<lb/>ſe Federn, und die Modehaͤndler gaben dies der<lb/>
Mutter der Verlobten zu erkennen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wenn</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[151/0159]
zu nehmen, und ihren Geſchmack zu erfahren,
oder ihr welchen beizubringen.
Die Arbeitsleute wurden ſehr gut aufgenom-
men. Mit Huͤlfe kleiner Leitern, wie man ſie
in Bibliotheken hat, nahmen ſie das Maas an
dem weitumfangenden Koͤrper der Schoͤnen, wel-
che in ihrem Alter von funfzehn Jahren bereits
Dreiviertheil ihrer Groͤſſe erlangt hatte, denn die
Patagonen wachſen bis ins fuͤnf und zwanzigſte
Jahr. Man fertigte ihr eine Haube in Geſtalt
einer Fregatte mit Thauwerken, Seilen, Kano-
nen, Maſtbaͤumen und Seegeln *) ꝛc. die ihr un-
gemein gut ſtand; denn da die Haube groß
war, konnten die Gegenſtaͤnde mit Anſtand beſ-
ſer auseinander geſezt werden. Man probirte ihr
ein Kleid an, welches den jezigen Polonoiſen
vollkommen gleich kam, ohne etwas von der
uͤblen Geſtalt zu haben, welche ungeſchickte Ar-
beiter ihnen zu geben anfangen; und durch
Huͤlfe der Buͤgungen und des falſchen Ruͤckens
den man anbrachte, haͤtte die ſchoͤne Patagone-
rin unter ihre Roͤcke ein ganz Regiment Solda-
ten, preuſſiſch gekleidet, verbergen koͤnnen. Die
groͤßte Verlegenheit war um hinlaͤnglich groſ-
ſe Federn, und die Modehaͤndler gaben dies der
Mutter der Verlobten zu erkennen.
Wenn
*) Vor kurzem hat man dieſe Art wieder erneuert
unter dem Namen der Hauben à la belle
poule.
K 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/159>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.