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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
quente Durchführung eines solchen. Dem entsprechend zeigt die
lange Geschichte dieser Versuche eine unverantwortliche Geldver-
schwendung auf der einen Seite und ein meist jämmerliches Resultat
auf der andern.

Insbesondere gilt dies vom Kaitakushi (sprich Kaitakshi, d. h.
Entwickelung), dem Colonialamte zur Entwickelung der Hülfsquellen
der Insel Yezo, welches 1869 eingesetzt wurde und vor mehreren
Jahren ein ruhmloses Ende fand. An die Spitze wurde Gouverneur
Kuroda mit dem Rang eines Ministers gestellt, und da man von der
raschen Entwickelung des Acker- und Bergbaues in verschiedenen
Theilen der Vereinigten Staaten gehört hatte, so nahm man sich diese
zum Muster und bezog die Berather und Beamten von dort. Zum
Organisator oder "Commishoner" wurde General Capron eingesetzt.
Unter ihm arbeiteten verschiedene seiner amerikanischen Landsleute
als Geologen, Ingenieure, Landwirthe, Gärtner und Andere mehr, dazu
ein Heer junger Japaner, welche hier ihre Lehre durchmachen sollten.
Sicher waren verschiedene der amerikanischen Beamten tüchtige
Männer, an denen es nicht gelegen hat, dass der Gesammterfolg
den Erwartungen in keiner Weise entsprach und deren Leistungen mit
denen des General Capron nicht zu identificieren sind.

Auf Betrieb des letzteren legte das Kaitakushi auf dem Yashiki-
Grund mehrerer früheren Daimio's bei Tokio drei sogenannte Muster-
farmen von zusammen etwa 90 ha an. Sie sollten als Versuchsstationen
und Vorschulen für Yezo dienen, die eine zur Aufnahme des aus Nord-
amerika und England importirten Zuchtviehs und zum Anbau von
Futterpflanzen, die zweite für Gemüse und Getreidebau, die dritte zur
Einführung fremder Obstbäume, Beerensträucher und sonstiger Nutz-
pflanzen. Von dem mit grossen Kosten aus genannten Ländern be-
zogenen Vieh wurde ein ansehnlicher Theil durch Krankheiten dahin-
gerafft, der Rest ging theilweise durch ungeeignetes Futter und
ungenügende Pflege zu Grunde. Auf Yezo selbst wurden weitere
Musterfarmen in Hakodate und der neuen Hauptstadt Sapporo ange-
legt. Hier eröffnete man auch 1876 eine landwirthschaftliche Schule,
"the Agricultural College of Sapporo", nach dem Muster einer Anstalt
in Massachusetts, nachdem man früher mit einer andern in Tokio für
Ainos bestimmten Anstalt Fiasco gemacht hatte. Die geologische Auf-
nahme von Yezo, die Anlage einer Strasse von Hakodate nach Sapporo,
von Sägemühlen und viele andere Dinge verschlangen ebenfalls viel
Geld. Kann man auch nicht sagen, dass sämmtliche Unternehmungen
des Kaitakushi verfehlt waren, vernachlässigt und zu Grunde gegangen
sind, so gilt dies doch von vielen. Die allgemeine Meinung der

I. Land- und Forstwirthschaft.
quente Durchführung eines solchen. Dem entsprechend zeigt die
lange Geschichte dieser Versuche eine unverantwortliche Geldver-
schwendung auf der einen Seite und ein meist jämmerliches Resultat
auf der andern.

Insbesondere gilt dies vom Kaitakushi (sprich Kaitákshi, d. h.
Entwickelung), dem Colonialamte zur Entwickelung der Hülfsquellen
der Insel Yezo, welches 1869 eingesetzt wurde und vor mehreren
Jahren ein ruhmloses Ende fand. An die Spitze wurde Gouverneur
Kuroda mit dem Rang eines Ministers gestellt, und da man von der
raschen Entwickelung des Acker- und Bergbaues in verschiedenen
Theilen der Vereinigten Staaten gehört hatte, so nahm man sich diese
zum Muster und bezog die Berather und Beamten von dort. Zum
Organisator oder »Commishoner« wurde General Capron eingesetzt.
Unter ihm arbeiteten verschiedene seiner amerikanischen Landsleute
als Geologen, Ingenieure, Landwirthe, Gärtner und Andere mehr, dazu
ein Heer junger Japaner, welche hier ihre Lehre durchmachen sollten.
Sicher waren verschiedene der amerikanischen Beamten tüchtige
Männer, an denen es nicht gelegen hat, dass der Gesammterfolg
den Erwartungen in keiner Weise entsprach und deren Leistungen mit
denen des General Capron nicht zu identificieren sind.

Auf Betrieb des letzteren legte das Kaitakushi auf dem Yashiki-
Grund mehrerer früheren Daimiô’s bei Tôkio drei sogenannte Muster-
farmen von zusammen etwa 90 ha an. Sie sollten als Versuchsstationen
und Vorschulen für Yezo dienen, die eine zur Aufnahme des aus Nord-
amerika und England importirten Zuchtviehs und zum Anbau von
Futterpflanzen, die zweite für Gemüse und Getreidebau, die dritte zur
Einführung fremder Obstbäume, Beerensträucher und sonstiger Nutz-
pflanzen. Von dem mit grossen Kosten aus genannten Ländern be-
zogenen Vieh wurde ein ansehnlicher Theil durch Krankheiten dahin-
gerafft, der Rest ging theilweise durch ungeeignetes Futter und
ungenügende Pflege zu Grunde. Auf Yezo selbst wurden weitere
Musterfarmen in Hakodate und der neuen Hauptstadt Sapporo ange-
legt. Hier eröffnete man auch 1876 eine landwirthschaftliche Schule,
»the Agricultural College of Sapporo«, nach dem Muster einer Anstalt
in Massachusetts, nachdem man früher mit einer andern in Tôkio für
Ainos bestimmten Anstalt Fiasco gemacht hatte. Die geologische Auf-
nahme von Yezo, die Anlage einer Strasse von Hakodate nach Sapporo,
von Sägemühlen und viele andere Dinge verschlangen ebenfalls viel
Geld. Kann man auch nicht sagen, dass sämmtliche Unternehmungen
des Kaitakushi verfehlt waren, vernachlässigt und zu Grunde gegangen
sind, so gilt dies doch von vielen. Die allgemeine Meinung der

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[20/0040] I. Land- und Forstwirthschaft. quente Durchführung eines solchen. Dem entsprechend zeigt die lange Geschichte dieser Versuche eine unverantwortliche Geldver- schwendung auf der einen Seite und ein meist jämmerliches Resultat auf der andern. Insbesondere gilt dies vom Kaitakushi (sprich Kaitákshi, d. h. Entwickelung), dem Colonialamte zur Entwickelung der Hülfsquellen der Insel Yezo, welches 1869 eingesetzt wurde und vor mehreren Jahren ein ruhmloses Ende fand. An die Spitze wurde Gouverneur Kuroda mit dem Rang eines Ministers gestellt, und da man von der raschen Entwickelung des Acker- und Bergbaues in verschiedenen Theilen der Vereinigten Staaten gehört hatte, so nahm man sich diese zum Muster und bezog die Berather und Beamten von dort. Zum Organisator oder »Commishoner« wurde General Capron eingesetzt. Unter ihm arbeiteten verschiedene seiner amerikanischen Landsleute als Geologen, Ingenieure, Landwirthe, Gärtner und Andere mehr, dazu ein Heer junger Japaner, welche hier ihre Lehre durchmachen sollten. Sicher waren verschiedene der amerikanischen Beamten tüchtige Männer, an denen es nicht gelegen hat, dass der Gesammterfolg den Erwartungen in keiner Weise entsprach und deren Leistungen mit denen des General Capron nicht zu identificieren sind. Auf Betrieb des letzteren legte das Kaitakushi auf dem Yashiki- Grund mehrerer früheren Daimiô’s bei Tôkio drei sogenannte Muster- farmen von zusammen etwa 90 ha an. Sie sollten als Versuchsstationen und Vorschulen für Yezo dienen, die eine zur Aufnahme des aus Nord- amerika und England importirten Zuchtviehs und zum Anbau von Futterpflanzen, die zweite für Gemüse und Getreidebau, die dritte zur Einführung fremder Obstbäume, Beerensträucher und sonstiger Nutz- pflanzen. Von dem mit grossen Kosten aus genannten Ländern be- zogenen Vieh wurde ein ansehnlicher Theil durch Krankheiten dahin- gerafft, der Rest ging theilweise durch ungeeignetes Futter und ungenügende Pflege zu Grunde. Auf Yezo selbst wurden weitere Musterfarmen in Hakodate und der neuen Hauptstadt Sapporo ange- legt. Hier eröffnete man auch 1876 eine landwirthschaftliche Schule, »the Agricultural College of Sapporo«, nach dem Muster einer Anstalt in Massachusetts, nachdem man früher mit einer andern in Tôkio für Ainos bestimmten Anstalt Fiasco gemacht hatte. Die geologische Auf- nahme von Yezo, die Anlage einer Strasse von Hakodate nach Sapporo, von Sägemühlen und viele andere Dinge verschlangen ebenfalls viel Geld. Kann man auch nicht sagen, dass sämmtliche Unternehmungen des Kaitakushi verfehlt waren, vernachlässigt und zu Grunde gegangen sind, so gilt dies doch von vielen. Die allgemeine Meinung der

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/40>, abgerufen am 19.04.2024.