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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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II. Montanindustrie.
kommen des Schwefels nicht überraschen. Zuweilen deutet der Bei-
name "Iwo" eines Berges oder einer Insel sein Vorhandensein an.

Nach Kämpfer war früher Satsuma der vornehmste Schwefellie-
ferant. Das kleine Inselchen Iwo-shimo im Süden desselben liefert
noch Schwefel. Ebenso gewinnt man solchen am Iwo-dake und Yadake
in Hida, vom Shirane-san an der Grenze zwischen Kotsuke und Shi-
nano. Als Pumpelly im Jahre 1864 Yezo besuchte, bestieg er von
Iwanai an der Südwestküste aus den Iwaounobori. Er sah hier
verschiedene Solfataren und deren Wirkungen und gibt an, dass die
monatliche Production des Berges 6400 Pfund, also die jährliche
38400 kg oder 38,4 Tonnen betrage. Unsere Tabelle führt jedoch
als bedeutendste Schwefellieferanten zwei andere Orte im Hokkaido an,
nämlich Tonebetsu in Kitami und Tofutsu auf der nicht weit ent-
fernten Insel Kunashir.

Salz, jap. Shiwo oder Shio wurde bis jetzt weder als
Steinsalz, noch in verwendbarer Sole*) gefunden, vielmehr aus-
schliesslich dem Meerwasser entnommen. Das japanische Verfahren
der Seesalzgewinnung stimmt mit dem in China angewandten, wie es
z. B. von Fortune**) beschrieben wird, vollständig überein. Auf der
Seite 11 gegebenen Uebersicht der japanischen Bodenbenutzung be-
findet sich auch eine Terraingruppe mit der Bezeichnung "Shio-
hama
", welche wir mit "Salz-Küste" verdeutschen können. Es sind
dies flache, sandige Küstenstreifen von zusammen 6364 cho oder Hek-
taren Fläche, welche der Seesalzgewinnung dienen.

Die zu Salzgärten umzuwandelnde sandige Flachküste muss ausser
dem Bereich der Flut liegen. Man theilt sie in der Regel in Felder
von 21/2 Tan oder 25 Are ein, welche je 2 Mann bearbeiten. Diese

*) Bei der grossen Zahl von Thermen, welche über das ganze japanische Reich
verbreitet sind, ist die Armut an Soolquellen besonders auffallend. Die einzige
bemerkenswerthe Ausnahme scheint Oshio in Aidzu (Iwashiro) zu sein. Der Ort,
den ich am 4. October 1874 auf dem Wege von Wakamatsu nach Yonezawa be-
rührte, liegt 6 ri von ersterem in einer altvulkanischen Gebirgsmulde, deren vor-
herrschendes Gestein grauer Andesit zu sein scheint. Beim Durchschreiten der-
selben gelangt man zu einem kleinen Bach, auf dessen rechtem Ufer, rechts von
der Strasse, zwei warme Quellen nahe bei einander sich befinden. Ich bestimmte
ihre Temperaturen zu 39° C. und 38° C. und fand, dass jede in 4--5 Secunden 1 Sho
(etwa 1,8 Liter) Wasser lieferte. Das Wasser ist eine eisenreiche schwache Sole,
aus der grosse Mengen Kohlensäure entweichen und viel Eisenoxydhydrat nieder-
fällt. Viele Jahrhunderte lang soll es zur Kochsalzgewinnung gedient haben. Seit
etwa 20 Jahren fliesst es aber unbenutzt in den Bach. Weiter ansteigend mit dem
Wege befindet sich eine dritte schwächere Salzquelle mit 20° Wärme, deren Ver-
änderung von hinzufliessendem kaltem Wasser herrührt.
**) "A Residence among the Chinese" pg. 305--306.

II. Montanindustrie.
kommen des Schwefels nicht überraschen. Zuweilen deutet der Bei-
name »Iwô« eines Berges oder einer Insel sein Vorhandensein an.

Nach Kämpfer war früher Satsuma der vornehmste Schwefellie-
ferant. Das kleine Inselchen Iwô-shimo im Süden desselben liefert
noch Schwefel. Ebenso gewinnt man solchen am Iwô-dake und Yadake
in Hida, vom Shirane-san an der Grenze zwischen Kotsuke und Shi-
nano. Als Pumpelly im Jahre 1864 Yezo besuchte, bestieg er von
Iwanai an der Südwestküste aus den Iwaounobori. Er sah hier
verschiedene Solfataren und deren Wirkungen und gibt an, dass die
monatliche Production des Berges 6400 Pfund, also die jährliche
38400 kg oder 38,4 Tonnen betrage. Unsere Tabelle führt jedoch
als bedeutendste Schwefellieferanten zwei andere Orte im Hokkaidô an,
nämlich Tonebetsu in Kitami und Tôfutsu auf der nicht weit ent-
fernten Insel Kunashir.

Salz, jap. Shiwo oder Shio wurde bis jetzt weder als
Steinsalz, noch in verwendbarer Sole*) gefunden, vielmehr aus-
schliesslich dem Meerwasser entnommen. Das japanische Verfahren
der Seesalzgewinnung stimmt mit dem in China angewandten, wie es
z. B. von Fortune**) beschrieben wird, vollständig überein. Auf der
Seite 11 gegebenen Uebersicht der japanischen Bodenbenutzung be-
findet sich auch eine Terraingruppe mit der Bezeichnung »Shio-
hama
«, welche wir mit »Salz-Küste« verdeutschen können. Es sind
dies flache, sandige Küstenstreifen von zusammen 6364 chô oder Hek-
taren Fläche, welche der Seesalzgewinnung dienen.

Die zu Salzgärten umzuwandelnde sandige Flachküste muss ausser
dem Bereich der Flut liegen. Man theilt sie in der Regel in Felder
von 2½ Tan oder 25 Are ein, welche je 2 Mann bearbeiten. Diese

*) Bei der grossen Zahl von Thermen, welche über das ganze japanische Reich
verbreitet sind, ist die Armut an Soolquellen besonders auffallend. Die einzige
bemerkenswerthe Ausnahme scheint Ôshio in Aidzu (Iwashiro) zu sein. Der Ort,
den ich am 4. October 1874 auf dem Wege von Wakamatsu nach Yonezawa be-
rührte, liegt 6 ri von ersterem in einer altvulkanischen Gebirgsmulde, deren vor-
herrschendes Gestein grauer Andesit zu sein scheint. Beim Durchschreiten der-
selben gelangt man zu einem kleinen Bach, auf dessen rechtem Ufer, rechts von
der Strasse, zwei warme Quellen nahe bei einander sich befinden. Ich bestimmte
ihre Temperaturen zu 39° C. und 38° C. und fand, dass jede in 4—5 Secunden 1 Shô
(etwa 1,8 Liter) Wasser lieferte. Das Wasser ist eine eisenreiche schwache Sole,
aus der grosse Mengen Kohlensäure entweichen und viel Eisenoxydhydrat nieder-
fällt. Viele Jahrhunderte lang soll es zur Kochsalzgewinnung gedient haben. Seit
etwa 20 Jahren fliesst es aber unbenutzt in den Bach. Weiter ansteigend mit dem
Wege befindet sich eine dritte schwächere Salzquelle mit 20° Wärme, deren Ver-
änderung von hinzufliessendem kaltem Wasser herrührt.
**) »A Residence among the Chinese« pg. 305—306.
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[368/0392] II. Montanindustrie. kommen des Schwefels nicht überraschen. Zuweilen deutet der Bei- name »Iwô« eines Berges oder einer Insel sein Vorhandensein an. Nach Kämpfer war früher Satsuma der vornehmste Schwefellie- ferant. Das kleine Inselchen Iwô-shimo im Süden desselben liefert noch Schwefel. Ebenso gewinnt man solchen am Iwô-dake und Yadake in Hida, vom Shirane-san an der Grenze zwischen Kotsuke und Shi- nano. Als Pumpelly im Jahre 1864 Yezo besuchte, bestieg er von Iwanai an der Südwestküste aus den Iwaounobori. Er sah hier verschiedene Solfataren und deren Wirkungen und gibt an, dass die monatliche Production des Berges 6400 Pfund, also die jährliche 38400 kg oder 38,4 Tonnen betrage. Unsere Tabelle führt jedoch als bedeutendste Schwefellieferanten zwei andere Orte im Hokkaidô an, nämlich Tonebetsu in Kitami und Tôfutsu auf der nicht weit ent- fernten Insel Kunashir. Salz, jap. Shiwo oder Shio wurde bis jetzt weder als Steinsalz, noch in verwendbarer Sole *) gefunden, vielmehr aus- schliesslich dem Meerwasser entnommen. Das japanische Verfahren der Seesalzgewinnung stimmt mit dem in China angewandten, wie es z. B. von Fortune **) beschrieben wird, vollständig überein. Auf der Seite 11 gegebenen Uebersicht der japanischen Bodenbenutzung be- findet sich auch eine Terraingruppe mit der Bezeichnung »Shio- hama«, welche wir mit »Salz-Küste« verdeutschen können. Es sind dies flache, sandige Küstenstreifen von zusammen 6364 chô oder Hek- taren Fläche, welche der Seesalzgewinnung dienen. Die zu Salzgärten umzuwandelnde sandige Flachküste muss ausser dem Bereich der Flut liegen. Man theilt sie in der Regel in Felder von 2½ Tan oder 25 Are ein, welche je 2 Mann bearbeiten. Diese *) Bei der grossen Zahl von Thermen, welche über das ganze japanische Reich verbreitet sind, ist die Armut an Soolquellen besonders auffallend. Die einzige bemerkenswerthe Ausnahme scheint Ôshio in Aidzu (Iwashiro) zu sein. Der Ort, den ich am 4. October 1874 auf dem Wege von Wakamatsu nach Yonezawa be- rührte, liegt 6 ri von ersterem in einer altvulkanischen Gebirgsmulde, deren vor- herrschendes Gestein grauer Andesit zu sein scheint. Beim Durchschreiten der- selben gelangt man zu einem kleinen Bach, auf dessen rechtem Ufer, rechts von der Strasse, zwei warme Quellen nahe bei einander sich befinden. Ich bestimmte ihre Temperaturen zu 39° C. und 38° C. und fand, dass jede in 4—5 Secunden 1 Shô (etwa 1,8 Liter) Wasser lieferte. Das Wasser ist eine eisenreiche schwache Sole, aus der grosse Mengen Kohlensäure entweichen und viel Eisenoxydhydrat nieder- fällt. Viele Jahrhunderte lang soll es zur Kochsalzgewinnung gedient haben. Seit etwa 20 Jahren fliesst es aber unbenutzt in den Bach. Weiter ansteigend mit dem Wege befindet sich eine dritte schwächere Salzquelle mit 20° Wärme, deren Ver- änderung von hinzufliessendem kaltem Wasser herrührt. **) »A Residence among the Chinese« pg. 305—306.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/392>, abgerufen am 27.04.2024.