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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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durch Stollen oder Ogiri, die je nach dem Streichen des Ganges bald
an-, bald abstiegen, aber auch durch das Quergestein getrieben wur-
den, um einen Aufschluss zu bewirken. Die Förderung fand theils
auf demselben Wege, theils durch die sogenannten Schornsteine oder
Kemuri-dashi statt, welche aber nicht mit der unbekannten Schacht-
anlage zu verwechseln sind. Es sind diese Kemuri nämlich nicht etwa
einfache glatte Oeffnungen, welche direct zur Teufe führen, sondern
eigenthümliche Stollenanlagen, welche steigen und fallen, sich winden,
erweitern oder verengern, je nachdem ihnen festes Gestein entgegen-
tritt und umgangen wird, oder taubes Gestein, abbaufähige Gänge und
Lager sich finden, die weggeräumt werden. In vieler Hinsicht erin-
nert dies an die irrationelle beschwerliche Betriebsweise des Bergbaues
der Römer, aber während diese dazu Gefangene und Sclaven verwendeten,
wird noch jetzt in Japan ein Theil der beschwerlichen Arbeit, nämlich
die Förderung, von Frauen und halberwachsenen Kindern verrichtet.
In den römischen und karthagischen Bergwerken kamen wenigstens
Haspelvorrichtungen zur Hülfe; in Japan wurde dagegen das ganze Ma-
terial, Erz oder Kohle und taubes Gestein, in Körben oder Strohsäcken,
auf mühevolle Weise auf dem Rücken zur Halde getragen. Der Name Ke-
muri-dashi -- Schornstein -- für diesen obersten Förderungsstollen deutet
übrigens darauf hin, dass er auch als Wetterführung dient und durch
ihn die Ventilation vor sich geht. In gleicher Weise dient der un-
terste, tiefste Stollen vornehmlich zur Entfernung des Grubenwassers
und wird desshalb gewöhnlich Midzu-nuki, Wasserabfluss, genannt.
Von der Stollensohle aus wurde seit- und abwärts weiter gearbeitet,
so lange das gesuchte Mineral sich vorfand und die Bergwasser es
zuliessen. Da bei diesem Bergbau keinerlei Maschinen mit Ausnahme
sehr unzweckmässiger Handpumpen zur Verwendung kamen und auch
die Werkzeuge und sonstigen Hülfsmittel auf wenige beschränkt blie-
ben, so muss die Tiefe von 700--800 Fuss (212,3--242,6 m) und die
Stollenlänge von 10000 Fuss oder 3033 m, bis zu denen man vorge-
drungen ist, immerhin überraschen.

Bei den Arbeiten fehlten die eigentlichen Schlegel vollständig;
dieselben wurden fast nur mit Hülfe der Spitzhacke, Brechstange und
stählerner Keile ausgeführt und beschränkten sich -- da auch Spreng-
mittel nicht in Anwendung kamen -- natürlich auf die nothwendigsten
engen Räume. So sind denn die meisten Stollen und kurzen Strecken
sehr eng und niedrig. In früherer Zeit, als die Umgebungen der Berg-
werke noch Holz in Fülle lieferten, pflegte man den Abbau durch
das Feuersetzen zu fördern, wie dies vor 20 Jahren noch in den nor-
wegischen Gruben, z. B. in Kongsberg, geschah. Nach Netto soll jetzt

II. Montanindustrie.
durch Stollen oder Ogiri, die je nach dem Streichen des Ganges bald
an-, bald abstiegen, aber auch durch das Quergestein getrieben wur-
den, um einen Aufschluss zu bewirken. Die Förderung fand theils
auf demselben Wege, theils durch die sogenannten Schornsteine oder
Kemuri-dashi statt, welche aber nicht mit der unbekannten Schacht-
anlage zu verwechseln sind. Es sind diese Kemuri nämlich nicht etwa
einfache glatte Oeffnungen, welche direct zur Teufe führen, sondern
eigenthümliche Stollenanlagen, welche steigen und fallen, sich winden,
erweitern oder verengern, je nachdem ihnen festes Gestein entgegen-
tritt und umgangen wird, oder taubes Gestein, abbaufähige Gänge und
Lager sich finden, die weggeräumt werden. In vieler Hinsicht erin-
nert dies an die irrationelle beschwerliche Betriebsweise des Bergbaues
der Römer, aber während diese dazu Gefangene und Sclaven verwendeten,
wird noch jetzt in Japan ein Theil der beschwerlichen Arbeit, nämlich
die Förderung, von Frauen und halberwachsenen Kindern verrichtet.
In den römischen und karthagischen Bergwerken kamen wenigstens
Haspelvorrichtungen zur Hülfe; in Japan wurde dagegen das ganze Ma-
terial, Erz oder Kohle und taubes Gestein, in Körben oder Strohsäcken,
auf mühevolle Weise auf dem Rücken zur Halde getragen. Der Name Ke-
muri-dashi — Schornstein — für diesen obersten Förderungsstollen deutet
übrigens darauf hin, dass er auch als Wetterführung dient und durch
ihn die Ventilation vor sich geht. In gleicher Weise dient der un-
terste, tiefste Stollen vornehmlich zur Entfernung des Grubenwassers
und wird desshalb gewöhnlich Midzu-nuki, Wasserabfluss, genannt.
Von der Stollensohle aus wurde seit- und abwärts weiter gearbeitet,
so lange das gesuchte Mineral sich vorfand und die Bergwasser es
zuliessen. Da bei diesem Bergbau keinerlei Maschinen mit Ausnahme
sehr unzweckmässiger Handpumpen zur Verwendung kamen und auch
die Werkzeuge und sonstigen Hülfsmittel auf wenige beschränkt blie-
ben, so muss die Tiefe von 700—800 Fuss (212,3—242,6 m) und die
Stollenlänge von 10000 Fuss oder 3033 m, bis zu denen man vorge-
drungen ist, immerhin überraschen.

Bei den Arbeiten fehlten die eigentlichen Schlegel vollständig;
dieselben wurden fast nur mit Hülfe der Spitzhacke, Brechstange und
stählerner Keile ausgeführt und beschränkten sich — da auch Spreng-
mittel nicht in Anwendung kamen — natürlich auf die nothwendigsten
engen Räume. So sind denn die meisten Stollen und kurzen Strecken
sehr eng und niedrig. In früherer Zeit, als die Umgebungen der Berg-
werke noch Holz in Fülle lieferten, pflegte man den Abbau durch
das Feuersetzen zu fördern, wie dies vor 20 Jahren noch in den nor-
wegischen Gruben, z. B. in Kongsberg, geschah. Nach Netto soll jetzt

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[350/0374] II. Montanindustrie. durch Stollen oder Ogiri, die je nach dem Streichen des Ganges bald an-, bald abstiegen, aber auch durch das Quergestein getrieben wur- den, um einen Aufschluss zu bewirken. Die Förderung fand theils auf demselben Wege, theils durch die sogenannten Schornsteine oder Kemuri-dashi statt, welche aber nicht mit der unbekannten Schacht- anlage zu verwechseln sind. Es sind diese Kemuri nämlich nicht etwa einfache glatte Oeffnungen, welche direct zur Teufe führen, sondern eigenthümliche Stollenanlagen, welche steigen und fallen, sich winden, erweitern oder verengern, je nachdem ihnen festes Gestein entgegen- tritt und umgangen wird, oder taubes Gestein, abbaufähige Gänge und Lager sich finden, die weggeräumt werden. In vieler Hinsicht erin- nert dies an die irrationelle beschwerliche Betriebsweise des Bergbaues der Römer, aber während diese dazu Gefangene und Sclaven verwendeten, wird noch jetzt in Japan ein Theil der beschwerlichen Arbeit, nämlich die Förderung, von Frauen und halberwachsenen Kindern verrichtet. In den römischen und karthagischen Bergwerken kamen wenigstens Haspelvorrichtungen zur Hülfe; in Japan wurde dagegen das ganze Ma- terial, Erz oder Kohle und taubes Gestein, in Körben oder Strohsäcken, auf mühevolle Weise auf dem Rücken zur Halde getragen. Der Name Ke- muri-dashi — Schornstein — für diesen obersten Förderungsstollen deutet übrigens darauf hin, dass er auch als Wetterführung dient und durch ihn die Ventilation vor sich geht. In gleicher Weise dient der un- terste, tiefste Stollen vornehmlich zur Entfernung des Grubenwassers und wird desshalb gewöhnlich Midzu-nuki, Wasserabfluss, genannt. Von der Stollensohle aus wurde seit- und abwärts weiter gearbeitet, so lange das gesuchte Mineral sich vorfand und die Bergwasser es zuliessen. Da bei diesem Bergbau keinerlei Maschinen mit Ausnahme sehr unzweckmässiger Handpumpen zur Verwendung kamen und auch die Werkzeuge und sonstigen Hülfsmittel auf wenige beschränkt blie- ben, so muss die Tiefe von 700—800 Fuss (212,3—242,6 m) und die Stollenlänge von 10000 Fuss oder 3033 m, bis zu denen man vorge- drungen ist, immerhin überraschen. Bei den Arbeiten fehlten die eigentlichen Schlegel vollständig; dieselben wurden fast nur mit Hülfe der Spitzhacke, Brechstange und stählerner Keile ausgeführt und beschränkten sich — da auch Spreng- mittel nicht in Anwendung kamen — natürlich auf die nothwendigsten engen Räume. So sind denn die meisten Stollen und kurzen Strecken sehr eng und niedrig. In früherer Zeit, als die Umgebungen der Berg- werke noch Holz in Fülle lieferten, pflegte man den Abbau durch das Feuersetzen zu fördern, wie dies vor 20 Jahren noch in den nor- wegischen Gruben, z. B. in Kongsberg, geschah. Nach Netto soll jetzt

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/374>, abgerufen am 27.04.2024.