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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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3. Handelsgewächse.
27--28 auf den Ken (1,80 m) stehen lässt. Eine nochmalige Lichtung
wird 14 Tage später vorgenommen. Während der heissesten Tage
(20. Juli--7. August) erscheinen Knospen an den verästelten Stengeln.
Die Blüthezeit ist der August, die Ernte fällt in den September. Sie
wird als eine ergiebige angesehen, wenn 300 Tsubo = 9,92 Are, 250 Kin
oder 150,261 kg Baumwolle liefern.

3) Boehmeria nivea Hooker & Arn. (Urtica nivea L.), jap. Mao,
Kusa-mao
und Kara-mushi, chin. Tschou-ma. Diese Pflanze,
welche sich namentlich durch die weisse Unterseite der Blätter von
allen verwandten Nesselarten unterscheidet, wächst in Cochinchina,
China und Japan wild, wird aber daselbst, und ebenso im südlichen
Monsungebiete auch angebaut. Sie liefert in ihrem Baste das vielge-
priesene Chinagrass der Engländer, aus welchem die Chinesen das
feine Nesseltuch bereiten. Eine verwandte Art mit höheren Stengeln
und beiderseits grünen Blättern ist Boehmeria tenacissima Gaud. (B.
utilis Bl.), deren Bast Ramie (engl. Ramee) oder Rheea-Faser ge-
nannt wird. Sie gehört dem tropischen Monsungebiete an und kommt
in Japan nicht vor. Indess wird auch der Chinagrass-Bast oft Ramee
genannt, ebenso die Fasern anderer Boehmeria-Arten, sowie auch der
japanischen Urtica Thunbergiana S. & Z. oder Schi-kusa.

Boehmeria nivea bedarf zu ihrem Gedeihen eines feuchten, frucht-
baren Bodens und kräftiger Düngung; dagegen reicht dazu unsere
Sommerwärme aus, wie manche Versuche in botanischen Gärten längst
dargethan haben.*) Gleich ihren Verwandten treibt sie jeden Sommer
aus perennierenden Wurzelstöcken krautartige steife Stengel von 11/2
bis 2 m Höhe, welche gegen Ende August oder im September über der
Erde abgeschnitten und behufs Gewinnung des Bastes einer kurzen
Maceration in Wasser unterworfen werden.**)

Die technische Verwerthung der Boehmeria nivea, sowie verschie-
dener andern Nesselarten bietet einige besondere Schwierigkeiten und
entspricht bis jetzt bei weitem nicht den grossen Bemühungen und
Aufmunterungen zur Förderung derselben, noch den übertriebenen
Hoffnungen, welche von verschiedenen Seiten daran geknüpft wurden.
Es handelt sich vor allem um die Erfindung einer zweckmässigen Ma-
schine zur Lostrennung und Zubereitung des Bastes. Die indische

*) Im botanischen Garten zu Marburg erreichten ihre Stengel 1877 eine Höhe von
1,31 m, während diejenigen von B. utilis Bl. dicht daneben in gleicher Zeit 1,90 m
hoch und entsprechend dicker geworden waren. Erstere wurde unter dem Namen
Chinese oder Whiteleaved nettle schon 1739 in England eingeführt.
**) Die Angabe bei St. Julien in "Industries de L'Empire Chinois etc." pg. 166,
"Chaque annee on peut faire trois recoltes", beruht auf Irrthum.

3. Handelsgewächse.
27—28 auf den Ken (1,80 m) stehen lässt. Eine nochmalige Lichtung
wird 14 Tage später vorgenommen. Während der heissesten Tage
(20. Juli—7. August) erscheinen Knospen an den verästelten Stengeln.
Die Blüthezeit ist der August, die Ernte fällt in den September. Sie
wird als eine ergiebige angesehen, wenn 300 Tsubo = 9,92 Are, 250 Kin
oder 150,261 kg Baumwolle liefern.

3) Boehmeria nivea Hooker & Arn. (Urtica nivea L.), jap. Mao,
Kusa-mao
und Kara-mushi, chin. Tschou-ma. Diese Pflanze,
welche sich namentlich durch die weisse Unterseite der Blätter von
allen verwandten Nesselarten unterscheidet, wächst in Cochinchina,
China und Japan wild, wird aber daselbst, und ebenso im südlichen
Monsungebiete auch angebaut. Sie liefert in ihrem Baste das vielge-
priesene Chinagrass der Engländer, aus welchem die Chinesen das
feine Nesseltuch bereiten. Eine verwandte Art mit höheren Stengeln
und beiderseits grünen Blättern ist Boehmeria tenacissima Gaud. (B.
utilis Bl.), deren Bast Ramie (engl. Ramee) oder Rheea-Faser ge-
nannt wird. Sie gehört dem tropischen Monsungebiete an und kommt
in Japan nicht vor. Indess wird auch der Chinagrass-Bast oft Ramee
genannt, ebenso die Fasern anderer Boehmeria-Arten, sowie auch der
japanischen Urtica Thunbergiana S. & Z. oder Schi-kusa.

Boehmeria nivea bedarf zu ihrem Gedeihen eines feuchten, frucht-
baren Bodens und kräftiger Düngung; dagegen reicht dazu unsere
Sommerwärme aus, wie manche Versuche in botanischen Gärten längst
dargethan haben.*) Gleich ihren Verwandten treibt sie jeden Sommer
aus perennierenden Wurzelstöcken krautartige steife Stengel von 1½
bis 2 m Höhe, welche gegen Ende August oder im September über der
Erde abgeschnitten und behufs Gewinnung des Bastes einer kurzen
Maceration in Wasser unterworfen werden.**)

Die technische Verwerthung der Boehmeria nivea, sowie verschie-
dener andern Nesselarten bietet einige besondere Schwierigkeiten und
entspricht bis jetzt bei weitem nicht den grossen Bemühungen und
Aufmunterungen zur Förderung derselben, noch den übertriebenen
Hoffnungen, welche von verschiedenen Seiten daran geknüpft wurden.
Es handelt sich vor allem um die Erfindung einer zweckmässigen Ma-
schine zur Lostrennung und Zubereitung des Bastes. Die indische

*) Im botanischen Garten zu Marburg erreichten ihre Stengel 1877 eine Höhe von
1,31 m, während diejenigen von B. utilis Bl. dicht daneben in gleicher Zeit 1,90 m
hoch und entsprechend dicker geworden waren. Erstere wurde unter dem Namen
Chinese oder Whiteleaved nettle schon 1739 in England eingeführt.
**) Die Angabe bei St. Julien in »Industries de L’Empire Chinois etc.« pg. 166,
»Chaque année on peut faire trois récoltes«, beruht auf Irrthum.
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[197/0219] 3. Handelsgewächse. 27—28 auf den Ken (1,80 m) stehen lässt. Eine nochmalige Lichtung wird 14 Tage später vorgenommen. Während der heissesten Tage (20. Juli—7. August) erscheinen Knospen an den verästelten Stengeln. Die Blüthezeit ist der August, die Ernte fällt in den September. Sie wird als eine ergiebige angesehen, wenn 300 Tsubo = 9,92 Are, 250 Kin oder 150,261 kg Baumwolle liefern. 3) Boehmeria nivea Hooker & Arn. (Urtica nivea L.), jap. Mao, Kusa-mao und Kara-mushi, chin. Tschou-ma. Diese Pflanze, welche sich namentlich durch die weisse Unterseite der Blätter von allen verwandten Nesselarten unterscheidet, wächst in Cochinchina, China und Japan wild, wird aber daselbst, und ebenso im südlichen Monsungebiete auch angebaut. Sie liefert in ihrem Baste das vielge- priesene Chinagrass der Engländer, aus welchem die Chinesen das feine Nesseltuch bereiten. Eine verwandte Art mit höheren Stengeln und beiderseits grünen Blättern ist Boehmeria tenacissima Gaud. (B. utilis Bl.), deren Bast Ramie (engl. Ramee) oder Rheea-Faser ge- nannt wird. Sie gehört dem tropischen Monsungebiete an und kommt in Japan nicht vor. Indess wird auch der Chinagrass-Bast oft Ramee genannt, ebenso die Fasern anderer Boehmeria-Arten, sowie auch der japanischen Urtica Thunbergiana S. & Z. oder Schi-kusa. Boehmeria nivea bedarf zu ihrem Gedeihen eines feuchten, frucht- baren Bodens und kräftiger Düngung; dagegen reicht dazu unsere Sommerwärme aus, wie manche Versuche in botanischen Gärten längst dargethan haben. *) Gleich ihren Verwandten treibt sie jeden Sommer aus perennierenden Wurzelstöcken krautartige steife Stengel von 1½ bis 2 m Höhe, welche gegen Ende August oder im September über der Erde abgeschnitten und behufs Gewinnung des Bastes einer kurzen Maceration in Wasser unterworfen werden. **) Die technische Verwerthung der Boehmeria nivea, sowie verschie- dener andern Nesselarten bietet einige besondere Schwierigkeiten und entspricht bis jetzt bei weitem nicht den grossen Bemühungen und Aufmunterungen zur Förderung derselben, noch den übertriebenen Hoffnungen, welche von verschiedenen Seiten daran geknüpft wurden. Es handelt sich vor allem um die Erfindung einer zweckmässigen Ma- schine zur Lostrennung und Zubereitung des Bastes. Die indische *) Im botanischen Garten zu Marburg erreichten ihre Stengel 1877 eine Höhe von 1,31 m, während diejenigen von B. utilis Bl. dicht daneben in gleicher Zeit 1,90 m hoch und entsprechend dicker geworden waren. Erstere wurde unter dem Namen Chinese oder Whiteleaved nettle schon 1739 in England eingeführt. **) Die Angabe bei St. Julien in »Industries de L’Empire Chinois etc.« pg. 166, »Chaque année on peut faire trois récoltes«, beruht auf Irrthum.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/219>, abgerufen am 19.04.2024.