Nach den ältesten japanischen Angaben wurden um's Jahr 799 die ersten Versuche mit dem Anbau der Baumwolle in Dai Nippon ge- macht, und zwar mit Samen, den der Zufall in einem Boote von In- dien her dem Lande zugeführt haben soll. Die Cultur fasste aber da- mals noch keinen Boden und scheint erst im Jahre 1570 von neuem versucht worden zu sein. Eine grössere Ausdehnung gewann sie je- doch erst nach Befestigung der Tokugawa-Herrschaft im folgenden Jahrhundert. Es scheint, dass die Production den Bedarf zu keiner Zeit völlig befriedigt und China, wie in neuerer Zeit, so auch früher Zuschüsse an Rohbaumwolle für die einheimische Industrie geliefert hat. Bei den jetzigen Verkehrserleichterungen und den billigen Preisen der englischen und indischen Baumwollwaaren sind auch kaum für eine weitere Ausdehnung des japanischen Baumwollbaues die Verhält- nisse günstig.
Derselbe erreicht mit dem 38. Parallel so ziemlich seine Nord- grenze. Wahrscheinlich lernten ihn die Japaner erst durch die Por- tugiesen kennen, wie auch den Namen Wata für Baumwolle, da sie weder eine eigene, noch eine chinesische Bezeichnung für die Pflanze haben und diese selbst im südlichen China erst im 11. Jahrhundert Eingang gefunden haben soll.
Die krautartige Baumwollstaude kommt in Japan in drei Varie- täten mit gelben, weissen und rothen Blüthen vor, von denen jedoch die gelbblühende weitaus vorwiegt. Anfang Mai legt man die Samen 3--4 cm von einander in Reihen, welche etwa 40 cm Abstand von ein- ander haben, in das zubereitete Land und umgibt sie mit etwas Reis- strohasche. In der Regel folgt aber die Cultur einer Winterfrucht, insbesondere Gerste und Weizen, und dann wird in kurzem Ab- stande neben jeder Reihe reifender Halme eine Reihe Baumwollsamen in den etwas gelockerten Boden gelegt. Da dieselben einen Tag lang zuvor in Wasser geweicht wurden, folgt die Keimung bald. Sobald die ersten eigentlichen Blätter sich zeigen, gibt man kräftigen Dünger, wie Oelkuchen oder Fischguano, letzteren jedoch nur in einer Kreis- furche, die 6--9 cm von der Pflanze läuft, damit diese durch die Schärfe des Düngers nicht zerstört werde. Gewöhnlich aber wird eine Art Compost angewandt, den man langer Hand vorbereitet hat, be- stehend aus einem Gemisch gleicher Theile Schlamm, Strohasche, zer- hacktem Unkraut, Oelkuchen und Fischguano. Sobald die Halmfrucht geerntet ist, folgt eine sorgfältige Umarbeitung und Lockerung des Bodens und eine neue Gabe von Dünger, wozu diesmal wohl auch flüssige Latrinenstoffe verwendet werden. Gegen den 20. Juni findet das Ausjäten der überzähligen Pflanzen statt, indem man nur noch
I. Land- und Forstwirthschaft.
Nach den ältesten japanischen Angaben wurden um’s Jahr 799 die ersten Versuche mit dem Anbau der Baumwolle in Dai Nippon ge- macht, und zwar mit Samen, den der Zufall in einem Boote von In- dien her dem Lande zugeführt haben soll. Die Cultur fasste aber da- mals noch keinen Boden und scheint erst im Jahre 1570 von neuem versucht worden zu sein. Eine grössere Ausdehnung gewann sie je- doch erst nach Befestigung der Tokugawa-Herrschaft im folgenden Jahrhundert. Es scheint, dass die Production den Bedarf zu keiner Zeit völlig befriedigt und China, wie in neuerer Zeit, so auch früher Zuschüsse an Rohbaumwolle für die einheimische Industrie geliefert hat. Bei den jetzigen Verkehrserleichterungen und den billigen Preisen der englischen und indischen Baumwollwaaren sind auch kaum für eine weitere Ausdehnung des japanischen Baumwollbaues die Verhält- nisse günstig.
Derselbe erreicht mit dem 38. Parallel so ziemlich seine Nord- grenze. Wahrscheinlich lernten ihn die Japaner erst durch die Por- tugiesen kennen, wie auch den Namen Wata für Baumwolle, da sie weder eine eigene, noch eine chinesische Bezeichnung für die Pflanze haben und diese selbst im südlichen China erst im 11. Jahrhundert Eingang gefunden haben soll.
Die krautartige Baumwollstaude kommt in Japan in drei Varie- täten mit gelben, weissen und rothen Blüthen vor, von denen jedoch die gelbblühende weitaus vorwiegt. Anfang Mai legt man die Samen 3—4 cm von einander in Reihen, welche etwa 40 cm Abstand von ein- ander haben, in das zubereitete Land und umgibt sie mit etwas Reis- strohasche. In der Regel folgt aber die Cultur einer Winterfrucht, insbesondere Gerste und Weizen, und dann wird in kurzem Ab- stande neben jeder Reihe reifender Halme eine Reihe Baumwollsamen in den etwas gelockerten Boden gelegt. Da dieselben einen Tag lang zuvor in Wasser geweicht wurden, folgt die Keimung bald. Sobald die ersten eigentlichen Blätter sich zeigen, gibt man kräftigen Dünger, wie Oelkuchen oder Fischguano, letzteren jedoch nur in einer Kreis- furche, die 6—9 cm von der Pflanze läuft, damit diese durch die Schärfe des Düngers nicht zerstört werde. Gewöhnlich aber wird eine Art Compost angewandt, den man langer Hand vorbereitet hat, be- stehend aus einem Gemisch gleicher Theile Schlamm, Strohasche, zer- hacktem Unkraut, Oelkuchen und Fischguano. Sobald die Halmfrucht geerntet ist, folgt eine sorgfältige Umarbeitung und Lockerung des Bodens und eine neue Gabe von Dünger, wozu diesmal wohl auch flüssige Latrinenstoffe verwendet werden. Gegen den 20. Juni findet das Ausjäten der überzähligen Pflanzen statt, indem man nur noch
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I. Land- und Forstwirthschaft.
Nach den ältesten japanischen Angaben wurden um’s Jahr 799 die
ersten Versuche mit dem Anbau der Baumwolle in Dai Nippon ge-
macht, und zwar mit Samen, den der Zufall in einem Boote von In-
dien her dem Lande zugeführt haben soll. Die Cultur fasste aber da-
mals noch keinen Boden und scheint erst im Jahre 1570 von neuem
versucht worden zu sein. Eine grössere Ausdehnung gewann sie je-
doch erst nach Befestigung der Tokugawa-Herrschaft im folgenden
Jahrhundert. Es scheint, dass die Production den Bedarf zu keiner
Zeit völlig befriedigt und China, wie in neuerer Zeit, so auch früher
Zuschüsse an Rohbaumwolle für die einheimische Industrie geliefert
hat. Bei den jetzigen Verkehrserleichterungen und den billigen Preisen
der englischen und indischen Baumwollwaaren sind auch kaum für
eine weitere Ausdehnung des japanischen Baumwollbaues die Verhält-
nisse günstig.
Derselbe erreicht mit dem 38. Parallel so ziemlich seine Nord-
grenze. Wahrscheinlich lernten ihn die Japaner erst durch die Por-
tugiesen kennen, wie auch den Namen Wata für Baumwolle, da sie
weder eine eigene, noch eine chinesische Bezeichnung für die Pflanze
haben und diese selbst im südlichen China erst im 11. Jahrhundert
Eingang gefunden haben soll.
Die krautartige Baumwollstaude kommt in Japan in drei Varie-
täten mit gelben, weissen und rothen Blüthen vor, von denen jedoch
die gelbblühende weitaus vorwiegt. Anfang Mai legt man die Samen
3—4 cm von einander in Reihen, welche etwa 40 cm Abstand von ein-
ander haben, in das zubereitete Land und umgibt sie mit etwas Reis-
strohasche. In der Regel folgt aber die Cultur einer Winterfrucht,
insbesondere Gerste und Weizen, und dann wird in kurzem Ab-
stande neben jeder Reihe reifender Halme eine Reihe Baumwollsamen
in den etwas gelockerten Boden gelegt. Da dieselben einen Tag lang
zuvor in Wasser geweicht wurden, folgt die Keimung bald. Sobald
die ersten eigentlichen Blätter sich zeigen, gibt man kräftigen Dünger,
wie Oelkuchen oder Fischguano, letzteren jedoch nur in einer Kreis-
furche, die 6—9 cm von der Pflanze läuft, damit diese durch die
Schärfe des Düngers nicht zerstört werde. Gewöhnlich aber wird eine
Art Compost angewandt, den man langer Hand vorbereitet hat, be-
stehend aus einem Gemisch gleicher Theile Schlamm, Strohasche, zer-
hacktem Unkraut, Oelkuchen und Fischguano. Sobald die Halmfrucht
geerntet ist, folgt eine sorgfältige Umarbeitung und Lockerung des
Bodens und eine neue Gabe von Dünger, wozu diesmal wohl auch
flüssige Latrinenstoffe verwendet werden. Gegen den 20. Juni findet
das Ausjäten der überzähligen Pflanzen statt, indem man nur noch
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/218>, abgerufen am 22.11.2024.
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