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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Tokio mit allen grösseren Städten des Landes. Von Nagasaki, be-
ziehungsweise Shimonoseki, führen submarine Verbindungen nach
Shanghai und Wladiwostok, so dass die Hauptstadt Japans mit allen
grösseren Orten der civilisierten Welt telegraphisch verkehren kann.
Nicht minder gut geregelt ist der Postdienst. Zu der Eisenbahn von
Tokio nach Yokohama kam zwei Jahre später eine zweite von Hiogo
nach Osaka, welche jetzt weiter bis Kioto und Otsu am Biwasee
führt und in nicht langer Zeit der Ostseite dieses Sees entlang nach
Tsuruga gehen wird.

Der Entwickelung eines guten Strassennetzes und der Einführung
von Post- und Lastwagen für den Binnenverkehr hat man dagegen
bislang nicht die Aufmerksamkeit zugewendet, deren sie im Interesse
des Verkehres im Innern bedürfen. Die alten japanischen do oder
Landstrassen, welche wie der Tokaido, Nakasendo und andere zum
Theil schon über tausend Jahre bestehen, waren und sind keine
Kunststrassen, wie bei uns. Macadamisierte Strecken kommen auf
denselben gar nicht, gepflasterte nur ausnahmsweise vor, wo die
Steilheit wichtiger Gebirgspässe es nöthig machte. Militärische Rück-
sichten waren bei ihrer Anlage allein massgebend, und da man Last-
wagen nicht kannte, der Mensch zu Fuss ging, ritt oder sich in einer
Sänfte (Norimono, Kago) tragen liess, Gepäck und Waaren bis in die
neueste Zeit fast ausschliesslich durch Träger oder Lastthiere (Pferde
und Ochsen) befördert wurden, waren auch die Anforderungen an
einen soliden Untergrund und grössere Breite nicht vorhanden. Noch
jetzt gibt es ausser den zahlreichen Jinrikishas *), einigen Postkutschen,
welche von Tokio aus die besseren Strecken des Tokaido, Nakasendo,
Oshiukaido befahren, und schwerfälligen Karren in den grösseren
Städten kaum ein anderes Fuhrwerk auf den Landstrassen. Dieselbe
Strasse hat eine wechselnde Breite, ist auf einer Strecke eingeengt
zum blossen Pfade, auf einer anderen bis 10 und mehr Meter breit:
hier führt sie über soliden felsigen oder kiesigen Untergrund hin,
dort über Alluvialboden zwischen Reisfeldern, die zur Regenzeit leicht
einen Theil ihres Wasserüberflusses an sie abtreten. Der Uebergang
über die Flüsse wird durch Stege, Brücken und Fähren vermittelt,

*) Sprich Tschinrikscha. Es ist ein Verkehrsmittel der neuesten Zeit, das
von einem Amerikaner eingeführt und rasch sehr beliebt wurde. Dasselbe be-
steht in einem leichten, zweiräderigen Karren, mit einem für 1--2 Personen be-
rechneten Lehnsitze über der Achse. Dies Vehikel dient nur dem Personenver-
kehr, zumal in den Städten. Es wird von einem Manne gezogen, der an Stelle
eines Pferdes in die Scheere tritt, daher der Name Jinrikisha, d. h. "eines
Mannes-Kraft-Wagen".

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Tôkio mit allen grösseren Städten des Landes. Von Nagasaki, be-
ziehungsweise Shimonoseki, führen submarine Verbindungen nach
Shanghai und Wladiwostok, so dass die Hauptstadt Japans mit allen
grösseren Orten der civilisierten Welt telegraphisch verkehren kann.
Nicht minder gut geregelt ist der Postdienst. Zu der Eisenbahn von
Tôkio nach Yokohama kam zwei Jahre später eine zweite von Hiogo
nach Ôsaka, welche jetzt weiter bis Kiôto und Ôtsu am Biwasee
führt und in nicht langer Zeit der Ostseite dieses Sees entlang nach
Tsuruga gehen wird.

Der Entwickelung eines guten Strassennetzes und der Einführung
von Post- und Lastwagen für den Binnenverkehr hat man dagegen
bislang nicht die Aufmerksamkeit zugewendet, deren sie im Interesse
des Verkehres im Innern bedürfen. Die alten japanischen dô oder
Landstrassen, welche wie der Tôkaidô, Nakasendô und andere zum
Theil schon über tausend Jahre bestehen, waren und sind keine
Kunststrassen, wie bei uns. Macadamisierte Strecken kommen auf
denselben gar nicht, gepflasterte nur ausnahmsweise vor, wo die
Steilheit wichtiger Gebirgspässe es nöthig machte. Militärische Rück-
sichten waren bei ihrer Anlage allein massgebend, und da man Last-
wagen nicht kannte, der Mensch zu Fuss ging, ritt oder sich in einer
Sänfte (Norimono, Kago) tragen liess, Gepäck und Waaren bis in die
neueste Zeit fast ausschliesslich durch Träger oder Lastthiere (Pferde
und Ochsen) befördert wurden, waren auch die Anforderungen an
einen soliden Untergrund und grössere Breite nicht vorhanden. Noch
jetzt gibt es ausser den zahlreichen Jinrikishas *), einigen Postkutschen,
welche von Tôkio aus die besseren Strecken des Tôkaidô, Nakasendô,
Ôshiukaidô befahren, und schwerfälligen Karren in den grösseren
Städten kaum ein anderes Fuhrwerk auf den Landstrassen. Dieselbe
Strasse hat eine wechselnde Breite, ist auf einer Strecke eingeengt
zum blossen Pfade, auf einer anderen bis 10 und mehr Meter breit:
hier führt sie über soliden felsigen oder kiesigen Untergrund hin,
dort über Alluvialboden zwischen Reisfeldern, die zur Regenzeit leicht
einen Theil ihres Wasserüberflusses an sie abtreten. Der Uebergang
über die Flüsse wird durch Stege, Brücken und Fähren vermittelt,

*) Sprich Tschinrikscha. Es ist ein Verkehrsmittel der neuesten Zeit, das
von einem Amerikaner eingeführt und rasch sehr beliebt wurde. Dasselbe be-
steht in einem leichten, zweiräderigen Karren, mit einem für 1—2 Personen be-
rechneten Lehnsitze über der Achse. Dies Vehikel dient nur dem Personenver-
kehr, zumal in den Städten. Es wird von einem Manne gezogen, der an Stelle
eines Pferdes in die Scheere tritt, daher der Name Jinrikisha, d. h. »eines
Mannes-Kraft-Wagen«.
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[440/0468] I. Geschichte des japanischen Volkes. Tôkio mit allen grösseren Städten des Landes. Von Nagasaki, be- ziehungsweise Shimonoseki, führen submarine Verbindungen nach Shanghai und Wladiwostok, so dass die Hauptstadt Japans mit allen grösseren Orten der civilisierten Welt telegraphisch verkehren kann. Nicht minder gut geregelt ist der Postdienst. Zu der Eisenbahn von Tôkio nach Yokohama kam zwei Jahre später eine zweite von Hiogo nach Ôsaka, welche jetzt weiter bis Kiôto und Ôtsu am Biwasee führt und in nicht langer Zeit der Ostseite dieses Sees entlang nach Tsuruga gehen wird. Der Entwickelung eines guten Strassennetzes und der Einführung von Post- und Lastwagen für den Binnenverkehr hat man dagegen bislang nicht die Aufmerksamkeit zugewendet, deren sie im Interesse des Verkehres im Innern bedürfen. Die alten japanischen dô oder Landstrassen, welche wie der Tôkaidô, Nakasendô und andere zum Theil schon über tausend Jahre bestehen, waren und sind keine Kunststrassen, wie bei uns. Macadamisierte Strecken kommen auf denselben gar nicht, gepflasterte nur ausnahmsweise vor, wo die Steilheit wichtiger Gebirgspässe es nöthig machte. Militärische Rück- sichten waren bei ihrer Anlage allein massgebend, und da man Last- wagen nicht kannte, der Mensch zu Fuss ging, ritt oder sich in einer Sänfte (Norimono, Kago) tragen liess, Gepäck und Waaren bis in die neueste Zeit fast ausschliesslich durch Träger oder Lastthiere (Pferde und Ochsen) befördert wurden, waren auch die Anforderungen an einen soliden Untergrund und grössere Breite nicht vorhanden. Noch jetzt gibt es ausser den zahlreichen Jinrikishas *), einigen Postkutschen, welche von Tôkio aus die besseren Strecken des Tôkaidô, Nakasendô, Ôshiukaidô befahren, und schwerfälligen Karren in den grösseren Städten kaum ein anderes Fuhrwerk auf den Landstrassen. Dieselbe Strasse hat eine wechselnde Breite, ist auf einer Strecke eingeengt zum blossen Pfade, auf einer anderen bis 10 und mehr Meter breit: hier führt sie über soliden felsigen oder kiesigen Untergrund hin, dort über Alluvialboden zwischen Reisfeldern, die zur Regenzeit leicht einen Theil ihres Wasserüberflusses an sie abtreten. Der Uebergang über die Flüsse wird durch Stege, Brücken und Fähren vermittelt, *) Sprich Tschinrikscha. Es ist ein Verkehrsmittel der neuesten Zeit, das von einem Amerikaner eingeführt und rasch sehr beliebt wurde. Dasselbe be- steht in einem leichten, zweiräderigen Karren, mit einem für 1—2 Personen be- rechneten Lehnsitze über der Achse. Dies Vehikel dient nur dem Personenver- kehr, zumal in den Städten. Es wird von einem Manne gezogen, der an Stelle eines Pferdes in die Scheere tritt, daher der Name Jinrikisha, d. h. »eines Mannes-Kraft-Wagen«.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/468>, abgerufen am 24.08.2024.