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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
ist aber zur Zeit heftiger, anhaltender Regen oft tagelang unterbrochen,
weil dann die zu starken Strömen angeschwollenen Gebirgsbäche nur
allzu häufig die leichten Holzbrücken und Stege mit sich fortreissen
und kein Schiffer sein Boot in den Fluthen lenken kann.

Den Seiten der japanischen Landstrassen entlang hat man viel-
fach immergrüne Nadelhölzer angepflanzt, vor allem den beliebtesten
Baum des Landes, die Kiefer (matsu). Ihre Stämme haben oft 5--6
Meter Umfang und 25--30 Meter Höhe. Seltener trifft man die Cy-
presse (Chamaecyparis), sowie die noch viel stattlicheren Cryptome-
rien (Sugi) als Alleebäume an (siehe Abbildung: Imaichi).

Auf dem Gebiete des Unterrichtes und der Gesundheitspflege
sind die grossen Fortschritte unverkennbar, wenn auch selbst bezüg-
lich der Leistungen der "Tokio-University" (Kaisei-Gakko) und der
von Deutschen geleiteten blühenden medicinischen Schule man aus
mancherlei Gründen bescheidenere Anforderungen stellen muss, als an
unsere höchsten Bildungsanstalten.

Erinnern wir uns ferner bei Aufzählung der grossen socialen
Veränderungen während der Regierung Meiji nochmals, dass das
Harakiri als Strafe und das Schwertertragen als Auszeichnung des
Samurai beseitigt und der letztere gleich dem Heimin der allgemeinen
Wehrpflicht unterworfen ist und aufgehört hat, der privilegierte Soldat
zu sein. Mehr und mehr erkennt er die Nothwendigkeit und das
Ehrenvolle der Arbeit an, ob sie geistiger oder körperlicher Natur
sei, und schämt sich weder des Handels, noch des Gewerbes. Das
Schwinden seines hoffärtigen Wesens hält gleichen Schritt mit dem
wachsenden Selbstbewusstsein des Volkes. Der alte Bann ist gelöst,
überall herrscht freiere Bewegung. Japan ist in den Weltverkehr
eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandtschaften und
Consulate und betheiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen
Ausstellungen. Es interessiert sich für die Vorgänge in der grossen
Welt. Auf seinen Landstrassen reist der Fremde sicherer wie in
manchem europäischen Lande und ohne von Bettlern belästigt zu
werden; seine Briefe vermittelt die wohlorganisierte Post eben so
sicher wie in der Heimath. Dies Alles sind fürwahr grosse Fort-
schritte während einer verhältnissmässig so kurzen Zeit! Aber wenn
der moderne Verkehr dem Lande auch nur die Petroleumlampe und
den Impfzwang *) gebracht hätte, so wären dies allein schon Wohl-

*) Die Vaccination hatte zwar schon Dr. Mohnike um das Jahr 1850 in
Nagasaki eingeführt, doch fand dieselbe erst unter der jetzigen Regierung ihre
rechte Würdigung und Verbreitung. Wer noch bei uns ihren Werth bezweifelt,
möge über die Enge von Gibraltar nach Marokko oder zu den Japanern gehen

7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
ist aber zur Zeit heftiger, anhaltender Regen oft tagelang unterbrochen,
weil dann die zu starken Strömen angeschwollenen Gebirgsbäche nur
allzu häufig die leichten Holzbrücken und Stege mit sich fortreissen
und kein Schiffer sein Boot in den Fluthen lenken kann.

Den Seiten der japanischen Landstrassen entlang hat man viel-
fach immergrüne Nadelhölzer angepflanzt, vor allem den beliebtesten
Baum des Landes, die Kiefer (matsu). Ihre Stämme haben oft 5—6
Meter Umfang und 25—30 Meter Höhe. Seltener trifft man die Cy-
presse (Chamaecyparis), sowie die noch viel stattlicheren Cryptome-
rien (Sugi) als Alleebäume an (siehe Abbildung: Imaichi).

Auf dem Gebiete des Unterrichtes und der Gesundheitspflege
sind die grossen Fortschritte unverkennbar, wenn auch selbst bezüg-
lich der Leistungen der »Tôkio-University« (Kaisei-Gakko) und der
von Deutschen geleiteten blühenden medicinischen Schule man aus
mancherlei Gründen bescheidenere Anforderungen stellen muss, als an
unsere höchsten Bildungsanstalten.

Erinnern wir uns ferner bei Aufzählung der grossen socialen
Veränderungen während der Regierung Meiji nochmals, dass das
Harakiri als Strafe und das Schwertertragen als Auszeichnung des
Samurai beseitigt und der letztere gleich dem Heimin der allgemeinen
Wehrpflicht unterworfen ist und aufgehört hat, der privilegierte Soldat
zu sein. Mehr und mehr erkennt er die Nothwendigkeit und das
Ehrenvolle der Arbeit an, ob sie geistiger oder körperlicher Natur
sei, und schämt sich weder des Handels, noch des Gewerbes. Das
Schwinden seines hoffärtigen Wesens hält gleichen Schritt mit dem
wachsenden Selbstbewusstsein des Volkes. Der alte Bann ist gelöst,
überall herrscht freiere Bewegung. Japan ist in den Weltverkehr
eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandtschaften und
Consulate und betheiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen
Ausstellungen. Es interessiert sich für die Vorgänge in der grossen
Welt. Auf seinen Landstrassen reist der Fremde sicherer wie in
manchem europäischen Lande und ohne von Bettlern belästigt zu
werden; seine Briefe vermittelt die wohlorganisierte Post eben so
sicher wie in der Heimath. Dies Alles sind fürwahr grosse Fort-
schritte während einer verhältnissmässig so kurzen Zeit! Aber wenn
der moderne Verkehr dem Lande auch nur die Petroleumlampe und
den Impfzwang *) gebracht hätte, so wären dies allein schon Wohl-

*) Die Vaccination hatte zwar schon Dr. Mohnike um das Jahr 1850 in
Nagasaki eingeführt, doch fand dieselbe erst unter der jetzigen Regierung ihre
rechte Würdigung und Verbreitung. Wer noch bei uns ihren Werth bezweifelt,
möge über die Enge von Gibraltar nach Marokko oder zu den Japanern gehen
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[441/0469] 7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854. ist aber zur Zeit heftiger, anhaltender Regen oft tagelang unterbrochen, weil dann die zu starken Strömen angeschwollenen Gebirgsbäche nur allzu häufig die leichten Holzbrücken und Stege mit sich fortreissen und kein Schiffer sein Boot in den Fluthen lenken kann. Den Seiten der japanischen Landstrassen entlang hat man viel- fach immergrüne Nadelhölzer angepflanzt, vor allem den beliebtesten Baum des Landes, die Kiefer (matsu). Ihre Stämme haben oft 5—6 Meter Umfang und 25—30 Meter Höhe. Seltener trifft man die Cy- presse (Chamaecyparis), sowie die noch viel stattlicheren Cryptome- rien (Sugi) als Alleebäume an (siehe Abbildung: Imaichi). Auf dem Gebiete des Unterrichtes und der Gesundheitspflege sind die grossen Fortschritte unverkennbar, wenn auch selbst bezüg- lich der Leistungen der »Tôkio-University« (Kaisei-Gakko) und der von Deutschen geleiteten blühenden medicinischen Schule man aus mancherlei Gründen bescheidenere Anforderungen stellen muss, als an unsere höchsten Bildungsanstalten. Erinnern wir uns ferner bei Aufzählung der grossen socialen Veränderungen während der Regierung Meiji nochmals, dass das Harakiri als Strafe und das Schwertertragen als Auszeichnung des Samurai beseitigt und der letztere gleich dem Heimin der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen ist und aufgehört hat, der privilegierte Soldat zu sein. Mehr und mehr erkennt er die Nothwendigkeit und das Ehrenvolle der Arbeit an, ob sie geistiger oder körperlicher Natur sei, und schämt sich weder des Handels, noch des Gewerbes. Das Schwinden seines hoffärtigen Wesens hält gleichen Schritt mit dem wachsenden Selbstbewusstsein des Volkes. Der alte Bann ist gelöst, überall herrscht freiere Bewegung. Japan ist in den Weltverkehr eingetreten, unterhält in Europa und Amerika Gesandtschaften und Consulate und betheiligt sich mit Auszeichnung an den internationalen Ausstellungen. Es interessiert sich für die Vorgänge in der grossen Welt. Auf seinen Landstrassen reist der Fremde sicherer wie in manchem europäischen Lande und ohne von Bettlern belästigt zu werden; seine Briefe vermittelt die wohlorganisierte Post eben so sicher wie in der Heimath. Dies Alles sind fürwahr grosse Fort- schritte während einer verhältnissmässig so kurzen Zeit! Aber wenn der moderne Verkehr dem Lande auch nur die Petroleumlampe und den Impfzwang *) gebracht hätte, so wären dies allein schon Wohl- *) Die Vaccination hatte zwar schon Dr. Mohnike um das Jahr 1850 in Nagasaki eingeführt, doch fand dieselbe erst unter der jetzigen Regierung ihre rechte Würdigung und Verbreitung. Wer noch bei uns ihren Werth bezweifelt, möge über die Enge von Gibraltar nach Marokko oder zu den Japanern gehen

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/469>, abgerufen am 22.11.2024.