Sendai, Nambu. Fast alle Daimios nahmen den Titel Kami *), Herr, an und lehnten ihn an den Namen einer Provinz an, die ihnen meist nicht gehörte. So nannte sich z. B. der Daimio Matsudaira, welcher in Matsumaye auf Yezo residierte, Matsudaira Idzu no Kami, Matsu- daira, Herr von Idzu; Omura Tango no Kami besass die Herrschaft Omura in Hizen, Nambu die Herrschaft gleichen Namens mit der Residenz Morioka. Derselbe nannte sich aber Herr von Mino (Nambu Mino no Kami). Von den drei Provinzen Kadsusa, Hitachi und Kotsuke durfte kein Daimio seinen Titel nehmen, noch war es gestattet, dass zwei gleichzeitig sich Mutsu-, Mikawa-, Musashi- oder Echigo-no- Kami nannten.
Iyeyasu gab seinen drei jüngsten Söhnen die reichsten Lehen, mit Ausnahme von Kaga, Satsuma, Mutsu und einigen anderen, mächtigen Daimios gehörigen, deren Länder er Klugheits halber nicht antastete und deren Lehnstreue er nur durch Verständigung mit denselben ge- winnen konnte. Jene drei Söhne des Iyeyasu erhielten die Provinzen Owari, Kii und Mito und bildeten drei Familien, welche unter dem Titel Sanke (drei Herren) oder Gosanke (drei erhabene Herren oder Familien) an der Spitze der Daimios und in hohen Ehren stan- den. Oft werden dieselben nach ihren Hauptstädten Nagoya, Waka- yama und Mito genannt. Ihre relativen Einkünfte betrugen 610 500, 555 000 und 350 000 Koku. Wenn ein Shogun ohne directen Erben starb, so hatten die Sanke von Owari und Ki unter ihren Söhnen einen Nachfolger im Shogunat zu bestimmen; auch führten sie gleich dem Shogun selbst das Familienwappen der Tokugawa. Dasselbe bestand in drei herzförmigen Blättern des Awoi, einer Malvenart (Alcea rosea?), in einem Kreise, deren Spitzen sich im Centrum be- rühren. Dieses Wappen der Tokugawa findet man noch vielfach an den Tempeln und ihren Thoren zu Shiba, Uyeno, Nikko und ander- wärts, sowie auf mancherlei Gegenständen, welche der Familie ge- hörten (siehe pag. 366).
Die Kokushiu (Herren von Provinzen) waren grösstentheils aus den Gouverneuren unter Yoritomo hervorgegangen, einige auch aus Familiengliedern und Vasallen des Iyeyasu. Die Kenntniss ihrer Namen, Besitzungen und Hauptstädte ist zum besseren Verständniss mancher späteren Ereignisse und Erscheinungen von Bedeutung; dess- halb folgt hier ein Verzeichniss derselben.
*) Das Wort Kami hat in der japanischen Sprache mancherlei Bedeutung. Hier als Titel eines Feudalherrn ist es nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung für Gott (Shin).
I. Geschichte des japanischen Volkes.
Sendai, Nambu. Fast alle Daimios nahmen den Titel Kami *), Herr, an und lehnten ihn an den Namen einer Provinz an, die ihnen meist nicht gehörte. So nannte sich z. B. der Daimio Matsudaira, welcher in Matsumaye auf Yezo residierte, Matsudaira Idzu no Kami, Matsu- daira, Herr von Idzu; Ômura Tango no Kami besass die Herrschaft Ômura in Hizen, Nambu die Herrschaft gleichen Namens mit der Residenz Morioka. Derselbe nannte sich aber Herr von Mino (Nambu Mino no Kami). Von den drei Provinzen Kadsusa, Hitachi und Kôtsuke durfte kein Daimio seinen Titel nehmen, noch war es gestattet, dass zwei gleichzeitig sich Mutsu-, Mikawa-, Musashi- oder Echigo-no- Kami nannten.
Iyeyasu gab seinen drei jüngsten Söhnen die reichsten Lehen, mit Ausnahme von Kaga, Satsuma, Mutsu und einigen anderen, mächtigen Daimios gehörigen, deren Länder er Klugheits halber nicht antastete und deren Lehnstreue er nur durch Verständigung mit denselben ge- winnen konnte. Jene drei Söhne des Iyeyasu erhielten die Provinzen Owari, Kii und Mito und bildeten drei Familien, welche unter dem Titel Sanke (drei Herren) oder Gosanke (drei erhabene Herren oder Familien) an der Spitze der Daimios und in hohen Ehren stan- den. Oft werden dieselben nach ihren Hauptstädten Nagoya, Waka- yama und Mito genannt. Ihre relativen Einkünfte betrugen 610 500, 555 000 und 350 000 Koku. Wenn ein Shôgun ohne directen Erben starb, so hatten die Sanke von Owari und Ki unter ihren Söhnen einen Nachfolger im Shôgunat zu bestimmen; auch führten sie gleich dem Shôgun selbst das Familienwappen der Tokugawa. Dasselbe bestand in drei herzförmigen Blättern des Awoï, einer Malvenart (Alcea rosea?), in einem Kreise, deren Spitzen sich im Centrum be- rühren. Dieses Wappen der Tokugawa findet man noch vielfach an den Tempeln und ihren Thoren zu Shiba, Uyeno, Nikkô und ander- wärts, sowie auf mancherlei Gegenständen, welche der Familie ge- hörten (siehe pag. 366).
Die Kokushiu (Herren von Provinzen) waren grösstentheils aus den Gouverneuren unter Yoritomo hervorgegangen, einige auch aus Familiengliedern und Vasallen des Iyeyasu. Die Kenntniss ihrer Namen, Besitzungen und Hauptstädte ist zum besseren Verständniss mancher späteren Ereignisse und Erscheinungen von Bedeutung; dess- halb folgt hier ein Verzeichniss derselben.
*) Das Wort Kami hat in der japanischen Sprache mancherlei Bedeutung. Hier als Titel eines Feudalherrn ist es nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung für Gott (Shin).
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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Sendai, Nambu. Fast alle Daimios nahmen den Titel Kami *), Herr,
an und lehnten ihn an den Namen einer Provinz an, die ihnen meist
nicht gehörte. So nannte sich z. B. der Daimio Matsudaira, welcher
in Matsumaye auf Yezo residierte, Matsudaira Idzu no Kami, Matsu-
daira, Herr von Idzu; Ômura Tango no Kami besass die Herrschaft
Ômura in Hizen, Nambu die Herrschaft gleichen Namens mit der
Residenz Morioka. Derselbe nannte sich aber Herr von Mino (Nambu
Mino no Kami). Von den drei Provinzen Kadsusa, Hitachi und Kôtsuke
durfte kein Daimio seinen Titel nehmen, noch war es gestattet, dass
zwei gleichzeitig sich Mutsu-, Mikawa-, Musashi- oder Echigo-no-
Kami nannten.
Iyeyasu gab seinen drei jüngsten Söhnen die reichsten Lehen, mit
Ausnahme von Kaga, Satsuma, Mutsu und einigen anderen, mächtigen
Daimios gehörigen, deren Länder er Klugheits halber nicht antastete
und deren Lehnstreue er nur durch Verständigung mit denselben ge-
winnen konnte. Jene drei Söhne des Iyeyasu erhielten die Provinzen
Owari, Kii und Mito und bildeten drei Familien, welche unter dem
Titel Sanke (drei Herren) oder Gosanke (drei erhabene Herren
oder Familien) an der Spitze der Daimios und in hohen Ehren stan-
den. Oft werden dieselben nach ihren Hauptstädten Nagoya, Waka-
yama und Mito genannt. Ihre relativen Einkünfte betrugen 610 500,
555 000 und 350 000 Koku. Wenn ein Shôgun ohne directen Erben
starb, so hatten die Sanke von Owari und Ki unter ihren Söhnen
einen Nachfolger im Shôgunat zu bestimmen; auch führten sie gleich
dem Shôgun selbst das Familienwappen der Tokugawa. Dasselbe
bestand in drei herzförmigen Blättern des Awoï, einer Malvenart
(Alcea rosea?), in einem Kreise, deren Spitzen sich im Centrum be-
rühren. Dieses Wappen der Tokugawa findet man noch vielfach an
den Tempeln und ihren Thoren zu Shiba, Uyeno, Nikkô und ander-
wärts, sowie auf mancherlei Gegenständen, welche der Familie ge-
hörten (siehe pag. 366).
Die Kokushiu (Herren von Provinzen) waren grösstentheils aus
den Gouverneuren unter Yoritomo hervorgegangen, einige auch aus
Familiengliedern und Vasallen des Iyeyasu. Die Kenntniss ihrer
Namen, Besitzungen und Hauptstädte ist zum besseren Verständniss
mancher späteren Ereignisse und Erscheinungen von Bedeutung; dess-
halb folgt hier ein Verzeichniss derselben.
*) Das Wort Kami hat in der japanischen Sprache mancherlei Bedeutung.
Hier als Titel eines Feudalherrn ist es nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/396>, abgerufen am 23.11.2024.
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