Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

6. Periode. Das Shogunat der Tokugawa etc.
ernähren und zu erziehen und desshalb befiehlt derselbe den Buke,
für die Ruhe und das Wohl des Landes Sorge zu tragen".

So gingen denn schon zur Zeit des Yoritomo die Ländereien, aus
welchen der Hofadel bisher seine Einkünfte gezogen hatte, rasch in
die Hände der Militärhäuptlinge über, und diese theilten sie wieder
mit denen, durch deren Arme und scharfe Schwerter sie dieselben
errungen hatten. Unter den Hojo, Ashikaga und Tokugawa blieb
dieses Verhältniss im wesentlichen dasselbe, nur dass die Besitzer
der Lehen häufig wechselten, bis mit Iyeyasu die Ordnung stabil
wurde. Nach Allem war der Mikado der eigentliche Oberlehnsherr
und der Shogun nur primus inter pares, doch hatte der letztere diese
Herrschaft usurpiert und übte sie den Buke gegenüber in Allem, ausser
dem Namen. Die Gliederung des Wehrstandes ist zugleich die der
Feudalherrschaft. Obenan steht der Shogun, dann folgen gegen 250
Daimios und endlich deren und des Shoguns Vasallen, die Samurai
im engeren Sinne. Die Daimio *) oder Buke bildeten den Militär-
oder Landadel. Jedes einzelne Daimiat war ein Feudalreich im
Kleinen. Die Mittel zu seiner Existenz zog es aus der Landtaxe der
Hiyakusho oder Bauern. Die Erträge des Landes waren auf Koku **)
Reis berechnet, wovon etwa die Hälfte in Natur den Rentereien der
Feudalherren zufloss, das übrige aber dem Erzeuger verblieb. Ein
jeder Daimio hatte mindestens 10 000 Koku Revenüen, d. h. (nach
der Erklärung in der Anmerkung) eine Herrschaft, welche als Mini-
mum 10 000 Koku Reis oder das Aequivalent in anderen Feldfrüchten
eintrug. Iyeyasu theilte die ganze Classe dieses Feudal- oder
Yedo-Adels in Sanke, Kokushiu, Tozama und Fudai. Im
Bukan (Bu-Kuwan, Militärliste oder Militärspiegel) von 1862 werden
aufgezählt: 3 Sanke, 36 Kokushiu, 75 Tozama und 141 Fudai, zu-
sammen also 255 Daimios. Die Sanke und Kokushiu wurden gewöhn-
lich nach den Provinzen genannt, welche ganz oder zum grössten Theil
unter ihrer Herrschaft standen, z. B. Satsuma, Hizen, Choshiu, Owari,

*) Daimio, richtiger Dai-miyo, bedeutet "grosser Name" und Buke Militär-
führer.
**) Das Koku ist ein Hohlmaass, welches 180,39 Liter gleicht. Der Werth
eines Koku Reis wechselt zwischen 21/2 und 5 Dollars. In der früheren Schätzung
der Einkünfte des Mikado von 10 000 Koku = 60 000 Thalern ist das Koku zu
6 Thalern oder 4 1/5 Dollar angenommen worden. Die Schätzung der Einkünfte
nach Koku ging von dem Bakufu oder der Regierung des Shogun in Yedo aus.
Ein Daimio von 60 000 Koku war ein solcher, dessen Gebiet so viel Reis oder
dessen Aequivalent eintrug, also im allgemeinen sechsmal so bedeutend war, als
das des Feudalherrn von 10 000 Koku.
Rein, Japan I. 24

6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
ernähren und zu erziehen und desshalb befiehlt derselbe den Buke,
für die Ruhe und das Wohl des Landes Sorge zu tragen«.

So gingen denn schon zur Zeit des Yoritomo die Ländereien, aus
welchen der Hofadel bisher seine Einkünfte gezogen hatte, rasch in
die Hände der Militärhäuptlinge über, und diese theilten sie wieder
mit denen, durch deren Arme und scharfe Schwerter sie dieselben
errungen hatten. Unter den Hôjô, Ashikaga und Tokugawa blieb
dieses Verhältniss im wesentlichen dasselbe, nur dass die Besitzer
der Lehen häufig wechselten, bis mit Iyeyasu die Ordnung stabil
wurde. Nach Allem war der Mikado der eigentliche Oberlehnsherr
und der Shôgun nur primus inter pares, doch hatte der letztere diese
Herrschaft usurpiert und übte sie den Buke gegenüber in Allem, ausser
dem Namen. Die Gliederung des Wehrstandes ist zugleich die der
Feudalherrschaft. Obenan steht der Shôgun, dann folgen gegen 250
Daimios und endlich deren und des Shôguns Vasallen, die Samurai
im engeren Sinne. Die Daimio *) oder Buke bildeten den Militär-
oder Landadel. Jedes einzelne Daimiat war ein Feudalreich im
Kleinen. Die Mittel zu seiner Existenz zog es aus der Landtaxe der
Hiyakushô oder Bauern. Die Erträge des Landes waren auf Koku **)
Reis berechnet, wovon etwa die Hälfte in Natur den Rentereien der
Feudalherren zufloss, das übrige aber dem Erzeuger verblieb. Ein
jeder Daimio hatte mindestens 10 000 Koku Revenüen, d. h. (nach
der Erklärung in der Anmerkung) eine Herrschaft, welche als Mini-
mum 10 000 Koku Reis oder das Aequivalent in anderen Feldfrüchten
eintrug. Iyeyasu theilte die ganze Classe dieses Feudal- oder
Yedo-Adels in Sanke, Kokushiu, Tozama und Fudai. Im
Bukan (Bu-Kuwan, Militärliste oder Militärspiegel) von 1862 werden
aufgezählt: 3 Sanke, 36 Kokushiu, 75 Tozama und 141 Fudai, zu-
sammen also 255 Daimios. Die Sanke und Kokushiu wurden gewöhn-
lich nach den Provinzen genannt, welche ganz oder zum grössten Theil
unter ihrer Herrschaft standen, z. B. Satsuma, Hizen, Chôshiu, Owari,

*) Daimio, richtiger Dai-miyô, bedeutet »grosser Name« und Buke Militär-
führer.
**) Das Koku ist ein Hohlmaass, welches 180,39 Liter gleicht. Der Werth
eines Koku Reis wechselt zwischen 2½ und 5 Dollars. In der früheren Schätzung
der Einkünfte des Mikado von 10 000 Koku = 60 000 Thalern ist das Koku zu
6 Thalern oder 4⅕ Dollar angenommen worden. Die Schätzung der Einkünfte
nach Koku ging von dem Bakufu oder der Regierung des Shôgun in Yedo aus.
Ein Daimio von 60 000 Koku war ein solcher, dessen Gebiet so viel Reis oder
dessen Aequivalent eintrug, also im allgemeinen sechsmal so bedeutend war, als
das des Feudalherrn von 10 000 Koku.
Rein, Japan I. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0395" n="369"/><fw place="top" type="header">6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.</fw><lb/>
ernähren und zu erziehen und desshalb befiehlt derselbe den Buke,<lb/>
für die Ruhe und das Wohl des Landes Sorge zu tragen«.</p><lb/>
              <p>So gingen denn schon zur Zeit des Yoritomo die Ländereien, aus<lb/>
welchen der Hofadel bisher seine Einkünfte gezogen hatte, rasch in<lb/>
die Hände der Militärhäuptlinge über, und diese theilten sie wieder<lb/>
mit denen, durch deren Arme und scharfe Schwerter sie dieselben<lb/>
errungen hatten. Unter den Hôjô, Ashikaga und Tokugawa blieb<lb/>
dieses Verhältniss im wesentlichen dasselbe, nur dass die Besitzer<lb/>
der Lehen häufig wechselten, bis mit Iyeyasu die Ordnung stabil<lb/>
wurde. Nach Allem war der Mikado der eigentliche Oberlehnsherr<lb/>
und der Shôgun nur primus inter pares, doch hatte der letztere diese<lb/>
Herrschaft usurpiert und übte sie den Buke gegenüber in Allem, ausser<lb/>
dem Namen. Die Gliederung des Wehrstandes ist zugleich die der<lb/>
Feudalherrschaft. Obenan steht der Shôgun, dann folgen gegen 250<lb/>
Daimios und endlich deren und des Shôguns Vasallen, die Samurai<lb/>
im engeren Sinne. Die <hi rendition="#g">Daimio</hi> <note place="foot" n="*)">Daimio, richtiger Dai-miyô, bedeutet »grosser Name« und <hi rendition="#g">Buke</hi> Militär-<lb/>
führer.</note> oder <hi rendition="#g">Buke</hi> bildeten den Militär-<lb/>
oder Landadel. Jedes einzelne Daimiat war ein Feudalreich im<lb/>
Kleinen. Die Mittel zu seiner Existenz zog es aus der Landtaxe der<lb/>
Hiyakushô oder Bauern. Die Erträge des Landes waren auf <hi rendition="#g">Koku</hi> <note place="foot" n="**)">Das Koku ist ein Hohlmaass, welches 180,39 Liter gleicht. Der Werth<lb/>
eines Koku Reis wechselt zwischen 2½ und 5 Dollars. In der früheren Schätzung<lb/>
der Einkünfte des Mikado von 10 000 Koku = 60 000 Thalern ist das Koku zu<lb/>
6 Thalern oder 4&#x2155; Dollar angenommen worden. Die Schätzung der Einkünfte<lb/>
nach Koku ging von dem <hi rendition="#g">Bakufu</hi> oder der Regierung des Shôgun in Yedo aus.<lb/>
Ein Daimio von 60 000 Koku war ein solcher, dessen Gebiet so viel Reis oder<lb/>
dessen Aequivalent eintrug, also im allgemeinen sechsmal so bedeutend war, als<lb/>
das des Feudalherrn von 10 000 Koku.</note><lb/>
Reis berechnet, wovon etwa die Hälfte in Natur den Rentereien der<lb/>
Feudalherren zufloss, das übrige aber dem Erzeuger verblieb. Ein<lb/>
jeder Daimio hatte mindestens 10 000 Koku Revenüen, d. h. (nach<lb/>
der Erklärung in der Anmerkung) eine Herrschaft, welche als Mini-<lb/>
mum 10 000 Koku Reis oder das Aequivalent in anderen Feldfrüchten<lb/>
eintrug. Iyeyasu theilte die ganze Classe dieses <hi rendition="#g">Feudal-</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Yedo-Adels</hi> in <hi rendition="#g">Sanke, Kokushiu, Tozama</hi> und <hi rendition="#g">Fudai</hi>. Im<lb/><hi rendition="#g">Bukan</hi> (Bu-Kuwan, Militärliste oder Militärspiegel) von 1862 werden<lb/>
aufgezählt: 3 Sanke, 36 Kokushiu, 75 Tozama und 141 Fudai, zu-<lb/>
sammen also 255 Daimios. Die Sanke und Kokushiu wurden gewöhn-<lb/>
lich nach den Provinzen genannt, welche ganz oder zum grössten Theil<lb/>
unter ihrer Herrschaft standen, z. B. Satsuma, Hizen, Chôshiu, Owari,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Rein</hi>, Japan I. 24</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0395] 6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc. ernähren und zu erziehen und desshalb befiehlt derselbe den Buke, für die Ruhe und das Wohl des Landes Sorge zu tragen«. So gingen denn schon zur Zeit des Yoritomo die Ländereien, aus welchen der Hofadel bisher seine Einkünfte gezogen hatte, rasch in die Hände der Militärhäuptlinge über, und diese theilten sie wieder mit denen, durch deren Arme und scharfe Schwerter sie dieselben errungen hatten. Unter den Hôjô, Ashikaga und Tokugawa blieb dieses Verhältniss im wesentlichen dasselbe, nur dass die Besitzer der Lehen häufig wechselten, bis mit Iyeyasu die Ordnung stabil wurde. Nach Allem war der Mikado der eigentliche Oberlehnsherr und der Shôgun nur primus inter pares, doch hatte der letztere diese Herrschaft usurpiert und übte sie den Buke gegenüber in Allem, ausser dem Namen. Die Gliederung des Wehrstandes ist zugleich die der Feudalherrschaft. Obenan steht der Shôgun, dann folgen gegen 250 Daimios und endlich deren und des Shôguns Vasallen, die Samurai im engeren Sinne. Die Daimio *) oder Buke bildeten den Militär- oder Landadel. Jedes einzelne Daimiat war ein Feudalreich im Kleinen. Die Mittel zu seiner Existenz zog es aus der Landtaxe der Hiyakushô oder Bauern. Die Erträge des Landes waren auf Koku **) Reis berechnet, wovon etwa die Hälfte in Natur den Rentereien der Feudalherren zufloss, das übrige aber dem Erzeuger verblieb. Ein jeder Daimio hatte mindestens 10 000 Koku Revenüen, d. h. (nach der Erklärung in der Anmerkung) eine Herrschaft, welche als Mini- mum 10 000 Koku Reis oder das Aequivalent in anderen Feldfrüchten eintrug. Iyeyasu theilte die ganze Classe dieses Feudal- oder Yedo-Adels in Sanke, Kokushiu, Tozama und Fudai. Im Bukan (Bu-Kuwan, Militärliste oder Militärspiegel) von 1862 werden aufgezählt: 3 Sanke, 36 Kokushiu, 75 Tozama und 141 Fudai, zu- sammen also 255 Daimios. Die Sanke und Kokushiu wurden gewöhn- lich nach den Provinzen genannt, welche ganz oder zum grössten Theil unter ihrer Herrschaft standen, z. B. Satsuma, Hizen, Chôshiu, Owari, *) Daimio, richtiger Dai-miyô, bedeutet »grosser Name« und Buke Militär- führer. **) Das Koku ist ein Hohlmaass, welches 180,39 Liter gleicht. Der Werth eines Koku Reis wechselt zwischen 2½ und 5 Dollars. In der früheren Schätzung der Einkünfte des Mikado von 10 000 Koku = 60 000 Thalern ist das Koku zu 6 Thalern oder 4⅕ Dollar angenommen worden. Die Schätzung der Einkünfte nach Koku ging von dem Bakufu oder der Regierung des Shôgun in Yedo aus. Ein Daimio von 60 000 Koku war ein solcher, dessen Gebiet so viel Reis oder dessen Aequivalent eintrug, also im allgemeinen sechsmal so bedeutend war, als das des Feudalherrn von 10 000 Koku. Rein, Japan I. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/395
Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/395>, abgerufen am 23.11.2024.