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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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epileptischer Paroxismus durch seine Convulsio-
nen sein Ende bewirkt. Man lasse den Kranken
auf einem freien Platz laufen, schreien, toben und
zähme ihn nur in so weit, als es seine eigene und
anderer Sicherheit erfordert. Daher die falsche
Maxime, gerade die Tollen in Koben zu sperren
und an Ketten zu legen. In manchen Fällen kann
es gar dienlich seyn, sie durch äussere scheinbar
zufällige Ursachen zu heftigen Anstrengungen, z.
B. zu einem ermüdenden Laufen, zum Ringen und
Kämpfen zu nöthigen. Sollten sie dieser Freiheit
nicht fähig seyn, so sperre man sie in ein hohles
Rad oder in eine Kugel ein, die nach allen Sei-
ten beweglich ist, in welchen sie nirgends ein
Hinderniss, aber auch nirgends festen Fuss fin-
den, ohne auf ein Object zu stossen, das sie zum
Zorn reizen könnte.

Zuweilen kann man durch Erregung der
Furcht
zweckmässig wirken. Doch müssen die
Mittel dazu, nicht sowohl die Phantasie, durch
starke und schreckende Eindrücke auf die Sinn-
organe, sondern vielmehr das Gefühl direct afsi-
ciren. Daher Feuerbrände und magische Erschei-
nungen eher, als das unvermuthete Stürzen ins
Wasser, ihres Zwecks verfehlen werden. Des
Flaschenzuges, durch welchen ein Rasender in
ein hohes Gewölbe aufgezogen und dadurch ge-
bändigt wurde, habe ich oben schon erwähnt.
Das Stürzen ins Wasser wird auf verschiedene Art
angebracht; man wirft den Kranken von einer
Fähre in den Strom, oder er fällt durch eine

Fall-

epileptiſcher Paroxiſmus durch ſeine Convulſio-
nen ſein Ende bewirkt. Man laſſe den Kranken
auf einem freien Platz laufen, ſchreien, toben und
zähme ihn nur in ſo weit, als es ſeine eigene und
anderer Sicherheit erfordert. Daher die falſche
Maxime, gerade die Tollen in Koben zu ſperren
und an Ketten zu legen. In manchen Fällen kann
es gar dienlich ſeyn, ſie durch äuſsere ſcheinbar
zufällige Urſachen zu heftigen Anſtrengungen, z.
B. zu einem ermüdenden Laufen, zum Ringen und
Kämpfen zu nöthigen. Sollten ſie dieſer Freiheit
nicht fähig ſeyn, ſo ſperre man ſie in ein hohles
Rad oder in eine Kugel ein, die nach allen Sei-
ten beweglich iſt, in welchen ſie nirgends ein
Hinderniſs, aber auch nirgends feſten Fuſs fin-
den, ohne auf ein Object zu ſtoſsen, das ſie zum
Zorn reizen könnte.

Zuweilen kann man durch Erregung der
Furcht
zweckmäſsig wirken. Doch müſſen die
Mittel dazu, nicht ſowohl die Phantaſie, durch
ſtarke und ſchreckende Eindrücke auf die Sinn-
organe, ſondern vielmehr das Gefühl direct afſi-
ciren. Daher Feuerbrände und magiſche Erſchei-
nungen eher, als das unvermuthete Stürzen ins
Waſſer, ihres Zwecks verfehlen werden. Des
Flaſchenzuges, durch welchen ein Raſender in
ein hohes Gewölbe aufgezogen und dadurch ge-
bändigt wurde, habe ich oben ſchon erwähnt.
Das Stürzen ins Waſſer wird auf verſchiedene Art
angebracht; man wirft den Kranken von einer
Fähre in den Strom, oder er fällt durch eine

Fall-
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[384/0389] epileptiſcher Paroxiſmus durch ſeine Convulſio- nen ſein Ende bewirkt. Man laſſe den Kranken auf einem freien Platz laufen, ſchreien, toben und zähme ihn nur in ſo weit, als es ſeine eigene und anderer Sicherheit erfordert. Daher die falſche Maxime, gerade die Tollen in Koben zu ſperren und an Ketten zu legen. In manchen Fällen kann es gar dienlich ſeyn, ſie durch äuſsere ſcheinbar zufällige Urſachen zu heftigen Anſtrengungen, z. B. zu einem ermüdenden Laufen, zum Ringen und Kämpfen zu nöthigen. Sollten ſie dieſer Freiheit nicht fähig ſeyn, ſo ſperre man ſie in ein hohles Rad oder in eine Kugel ein, die nach allen Sei- ten beweglich iſt, in welchen ſie nirgends ein Hinderniſs, aber auch nirgends feſten Fuſs fin- den, ohne auf ein Object zu ſtoſsen, das ſie zum Zorn reizen könnte. Zuweilen kann man durch Erregung der Furcht zweckmäſsig wirken. Doch müſſen die Mittel dazu, nicht ſowohl die Phantaſie, durch ſtarke und ſchreckende Eindrücke auf die Sinn- organe, ſondern vielmehr das Gefühl direct afſi- ciren. Daher Feuerbrände und magiſche Erſchei- nungen eher, als das unvermuthete Stürzen ins Waſſer, ihres Zwecks verfehlen werden. Des Flaſchenzuges, durch welchen ein Raſender in ein hohes Gewölbe aufgezogen und dadurch ge- bändigt wurde, habe ich oben ſchon erwähnt. Das Stürzen ins Waſſer wird auf verſchiedene Art angebracht; man wirft den Kranken von einer Fähre in den Strom, oder er fällt durch eine Fall-

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/389>, abgerufen am 29.11.2024.