reizbar ist der innere Sinn; daher hüte man sich durch Fehler in der Wartung und Pflege, durch eine rauhe Behandlung, durch Erregung der Lei- denschaften, besonders des Zorns, den Kranken aufzubringen. Man behandle ihn sanft, doch mit Ernst, gebe seinen Wünschen nach, wo es möglich ist und der Widerspruch ihn empört. Doch gilt diese Regel, alle Reize von dem ge- spannten Nervensystem zu entfernen, nicht un- bedingt. Zuweilen hat dasselbe einer Erregung und besonders einer solchen nöthig, die der Qua- lität seiner Erregbarkeit entspricht. Eine sanfte Manipulation der Haut, eine Musik, die mit sei- nen Gehirnschwingungen einerley Ton hat, beru- higet zuweilen. Asclepiades will, dass die Kranken Licht bekommen sollen. Allein Cel- sus*) bemerkt mit Recht, dass einige in einem hellen, andere in einem finsteren Zimmer ruhiger sind und räth daher, die Behandlung nach dem Erfolg zu bestimmen.
Daher muss man der gespannten Erregbar- keit freien Spielraum lassen, damit sie sich auf die ihr natürlichste Art äussern könne. Der entstan- dene Anfall entscheidet sich selbst durch den Ex- cess der Thätigkeit und zerstreut die Congestio- nen des Lebensprincips im Seelenorgan, wie ein
gistische Behandlung phrenitischer Kranken, besonders in Absicht auf Reize, die das Ge- sichtsorgan afficiren.
*) Lib. III. c. 18.
reizbar iſt der innere Sinn; daher hüte man ſich durch Fehler in der Wartung und Pflege, durch eine rauhe Behandlung, durch Erregung der Lei- denſchaften, beſonders des Zorns, den Kranken aufzubringen. Man behandle ihn ſanft, doch mit Ernſt, gebe ſeinen Wünſchen nach, wo es möglich iſt und der Widerſpruch ihn empört. Doch gilt dieſe Regel, alle Reize von dem ge- ſpannten Nervenſyſtem zu entfernen, nicht un- bedingt. Zuweilen hat daſſelbe einer Erregung und beſonders einer ſolchen nöthig, die der Qua- lität ſeiner Erregbarkeit entſpricht. Eine ſanfte Manipulation der Haut, eine Muſik, die mit ſei- nen Gehirnſchwingungen einerley Ton hat, beru- higet zuweilen. Asclepiades will, daſs die Kranken Licht bekommen ſollen. Allein Cel- ſus*) bemerkt mit Recht, daſs einige in einem hellen, andere in einem finſteren Zimmer ruhiger ſind und räth daher, die Behandlung nach dem Erfolg zu beſtimmen.
Daher muſs man der geſpannten Erregbar- keit freien Spielraum laſſen, damit ſie ſich auf die ihr natürlichſte Art äuſsern könne. Der entſtan- dene Anfall entſcheidet ſich ſelbſt durch den Ex- ceſs der Thätigkeit und zerſtreut die Congeſtio- nen des Lebensprincips im Seelenorgan, wie ein
giſtiſche Behandlung phrenitiſcher Kranken, beſonders in Abſicht auf Reize, die das Ge- ſichtsorgan afficiren.
*) Lib. III. c. 18.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0388"n="383"/>
reizbar iſt der innere Sinn; daher hüte man ſich<lb/>
durch Fehler in der Wartung und Pflege, durch<lb/>
eine rauhe Behandlung, durch Erregung der Lei-<lb/>
denſchaften, beſonders des Zorns, den Kranken<lb/>
aufzubringen. Man behandle ihn ſanft, doch<lb/>
mit Ernſt, gebe ſeinen Wünſchen nach, wo es<lb/>
möglich iſt und der Widerſpruch ihn empört.<lb/>
Doch gilt dieſe Regel, alle Reize von dem ge-<lb/>ſpannten Nervenſyſtem zu entfernen, nicht un-<lb/>
bedingt. Zuweilen hat daſſelbe einer Erregung<lb/>
und beſonders einer ſolchen nöthig, die der Qua-<lb/>
lität ſeiner Erregbarkeit entſpricht. Eine ſanfte<lb/>
Manipulation der Haut, eine Muſik, die mit ſei-<lb/>
nen Gehirnſchwingungen einerley Ton hat, beru-<lb/>
higet zuweilen. <hirendition="#g">Asclepiades</hi> will, daſs die<lb/>
Kranken Licht bekommen ſollen. Allein <hirendition="#g">Cel-<lb/>ſus</hi><noteplace="foot"n="*)">Lib. III. c. 18.</note> bemerkt mit Recht, daſs einige in einem<lb/>
hellen, andere in einem finſteren Zimmer ruhiger<lb/>ſind und räth daher, die Behandlung nach dem<lb/>
Erfolg zu beſtimmen.</p><lb/><p>Daher muſs man der geſpannten Erregbar-<lb/>
keit freien Spielraum laſſen, damit ſie ſich auf die<lb/>
ihr natürlichſte Art äuſsern könne. Der entſtan-<lb/>
dene Anfall entſcheidet ſich ſelbſt durch den Ex-<lb/>
ceſs der Thätigkeit und zerſtreut die Congeſtio-<lb/>
nen des Lebensprincips im Seelenorgan, wie ein<lb/><notexml:id="seg2pn_8_2"prev="#seg2pn_8_1"place="foot"n="*)">giſtiſche Behandlung phrenitiſcher Kranken,<lb/>
beſonders in Abſicht auf Reize, die das Ge-<lb/>ſichtsorgan afficiren.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[383/0388]
reizbar iſt der innere Sinn; daher hüte man ſich
durch Fehler in der Wartung und Pflege, durch
eine rauhe Behandlung, durch Erregung der Lei-
denſchaften, beſonders des Zorns, den Kranken
aufzubringen. Man behandle ihn ſanft, doch
mit Ernſt, gebe ſeinen Wünſchen nach, wo es
möglich iſt und der Widerſpruch ihn empört.
Doch gilt dieſe Regel, alle Reize von dem ge-
ſpannten Nervenſyſtem zu entfernen, nicht un-
bedingt. Zuweilen hat daſſelbe einer Erregung
und beſonders einer ſolchen nöthig, die der Qua-
lität ſeiner Erregbarkeit entſpricht. Eine ſanfte
Manipulation der Haut, eine Muſik, die mit ſei-
nen Gehirnſchwingungen einerley Ton hat, beru-
higet zuweilen. Asclepiades will, daſs die
Kranken Licht bekommen ſollen. Allein Cel-
ſus *) bemerkt mit Recht, daſs einige in einem
hellen, andere in einem finſteren Zimmer ruhiger
ſind und räth daher, die Behandlung nach dem
Erfolg zu beſtimmen.
Daher muſs man der geſpannten Erregbar-
keit freien Spielraum laſſen, damit ſie ſich auf die
ihr natürlichſte Art äuſsern könne. Der entſtan-
dene Anfall entſcheidet ſich ſelbſt durch den Ex-
ceſs der Thätigkeit und zerſtreut die Congeſtio-
nen des Lebensprincips im Seelenorgan, wie ein
*)
*) Lib. III. c. 18.
*) giſtiſche Behandlung phrenitiſcher Kranken,
beſonders in Abſicht auf Reize, die das Ge-
ſichtsorgan afficiren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/388>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.