Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.schuhe, die er sonst nur an Sonntagen trug, vornehm hinein, zog den ledernen Gurt, an welchem ein abgeschraubtes Bajonnet hing, aus und hängte ihn an einen Pflock in der Wand, gerade dem Fenster gegenüber, das Gewehr aber legte er vorsichtig aufs Bett. Während sich Martin so häuslich einrichtete, schürte sein Vater mit der Ofengabel von draußen in dem ungeheuern Kachelofen, welcher die Hälfte des Stübchens einnahm, die noch glimmenden Kohlen zu neuem Leben an und setzte eine Pfanne mit gebackenen Forellen ins Rohr, wobei er unbemerkt auf seinen stattlichen Sohn, welcher majestätisch, voll Selbstgefühl mit drei großen Schritten das Zimmer maß und sich lächelnd am Thürpfosten das eingeschnittene Zeichen seines vormaligen Wuchses ansah, neugierige Blicke voll Ehrfurcht warf; hatten ja die Militärjahre einen prächtigen, blonden Schnurrbart auf die Lippe und ein Gefreitenschnürchen auf den Czako seines Sohnes gepflanzt, gegen den er sich vornahm, anfangs wegen der langen Vernachlässigung "verflucht einsilbig" zu sein. Martin fragte endlich -- und sah dabei gegen die Decke, welche seit seiner Einberufung viel schwärzer und seinem Haupte näher gerückt war, -- den emsigen Vater, was er schüre? -- Forellen! brummte Schuster Ignaz kurzgebunden. Was der Tausend! wie kommt Ihr, Vater, zu Forellen? -- Der Alte machte sich nichts hören und holte das Brod aus dem Wandschrank; Martin schüttelte den Kopf, und dabei funkelte an seinem linken Ohre ein goldener Ring. Warum ließt schuhe, die er sonst nur an Sonntagen trug, vornehm hinein, zog den ledernen Gurt, an welchem ein abgeschraubtes Bajonnet hing, aus und hängte ihn an einen Pflock in der Wand, gerade dem Fenster gegenüber, das Gewehr aber legte er vorsichtig aufs Bett. Während sich Martin so häuslich einrichtete, schürte sein Vater mit der Ofengabel von draußen in dem ungeheuern Kachelofen, welcher die Hälfte des Stübchens einnahm, die noch glimmenden Kohlen zu neuem Leben an und setzte eine Pfanne mit gebackenen Forellen ins Rohr, wobei er unbemerkt auf seinen stattlichen Sohn, welcher majestätisch, voll Selbstgefühl mit drei großen Schritten das Zimmer maß und sich lächelnd am Thürpfosten das eingeschnittene Zeichen seines vormaligen Wuchses ansah, neugierige Blicke voll Ehrfurcht warf; hatten ja die Militärjahre einen prächtigen, blonden Schnurrbart auf die Lippe und ein Gefreitenschnürchen auf den Czako seines Sohnes gepflanzt, gegen den er sich vornahm, anfangs wegen der langen Vernachlässigung „verflucht einsilbig“ zu sein. Martin fragte endlich — und sah dabei gegen die Decke, welche seit seiner Einberufung viel schwärzer und seinem Haupte näher gerückt war, — den emsigen Vater, was er schüre? — Forellen! brummte Schuster Ignaz kurzgebunden. Was der Tausend! wie kommt Ihr, Vater, zu Forellen? — Der Alte machte sich nichts hören und holte das Brod aus dem Wandschrank; Martin schüttelte den Kopf, und dabei funkelte an seinem linken Ohre ein goldener Ring. Warum ließt <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0028"/> schuhe, die er sonst nur an Sonntagen trug, vornehm hinein, zog den ledernen Gurt, an welchem ein abgeschraubtes Bajonnet hing, aus und hängte ihn an einen Pflock in der Wand, gerade dem Fenster gegenüber, das Gewehr aber legte er vorsichtig aufs Bett.</p><lb/> <p>Während sich Martin so häuslich einrichtete, schürte sein Vater mit der Ofengabel von draußen in dem ungeheuern Kachelofen, welcher die Hälfte des Stübchens einnahm, die noch glimmenden Kohlen zu neuem Leben an und setzte eine Pfanne mit gebackenen Forellen ins Rohr, wobei er unbemerkt auf seinen stattlichen Sohn, welcher majestätisch, voll Selbstgefühl mit drei großen Schritten das Zimmer maß und sich lächelnd am Thürpfosten das eingeschnittene Zeichen seines vormaligen Wuchses ansah, neugierige Blicke voll Ehrfurcht warf; hatten ja die Militärjahre einen prächtigen, blonden Schnurrbart auf die Lippe und ein Gefreitenschnürchen auf den Czako seines Sohnes gepflanzt, gegen den er sich vornahm, anfangs wegen der langen Vernachlässigung „verflucht einsilbig“ zu sein. Martin fragte endlich — und sah dabei gegen die Decke, welche seit seiner Einberufung viel schwärzer und seinem Haupte näher gerückt war, — den emsigen Vater, was er schüre? — Forellen! brummte Schuster Ignaz kurzgebunden. Was der Tausend! wie kommt Ihr, Vater, zu Forellen? — Der Alte machte sich nichts hören und holte das Brod aus dem Wandschrank; Martin schüttelte den Kopf, und dabei funkelte an seinem linken Ohre ein goldener Ring. Warum ließt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
schuhe, die er sonst nur an Sonntagen trug, vornehm hinein, zog den ledernen Gurt, an welchem ein abgeschraubtes Bajonnet hing, aus und hängte ihn an einen Pflock in der Wand, gerade dem Fenster gegenüber, das Gewehr aber legte er vorsichtig aufs Bett.
Während sich Martin so häuslich einrichtete, schürte sein Vater mit der Ofengabel von draußen in dem ungeheuern Kachelofen, welcher die Hälfte des Stübchens einnahm, die noch glimmenden Kohlen zu neuem Leben an und setzte eine Pfanne mit gebackenen Forellen ins Rohr, wobei er unbemerkt auf seinen stattlichen Sohn, welcher majestätisch, voll Selbstgefühl mit drei großen Schritten das Zimmer maß und sich lächelnd am Thürpfosten das eingeschnittene Zeichen seines vormaligen Wuchses ansah, neugierige Blicke voll Ehrfurcht warf; hatten ja die Militärjahre einen prächtigen, blonden Schnurrbart auf die Lippe und ein Gefreitenschnürchen auf den Czako seines Sohnes gepflanzt, gegen den er sich vornahm, anfangs wegen der langen Vernachlässigung „verflucht einsilbig“ zu sein. Martin fragte endlich — und sah dabei gegen die Decke, welche seit seiner Einberufung viel schwärzer und seinem Haupte näher gerückt war, — den emsigen Vater, was er schüre? — Forellen! brummte Schuster Ignaz kurzgebunden. Was der Tausend! wie kommt Ihr, Vater, zu Forellen? — Der Alte machte sich nichts hören und holte das Brod aus dem Wandschrank; Martin schüttelte den Kopf, und dabei funkelte an seinem linken Ohre ein goldener Ring. Warum ließt
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Zitationshilfe: | Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/28>, abgerufen am 16.07.2024. |