Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihr mich denn so lange klopfen, Vater, und wer hat mir denn eigentlich aufgemacht? -- Schuster Ignaz stellte sich zornig. Fragen! Fragen! lauter Fragen! Er meint wohl, weil er Gefreiter ist, er kann da seinen alten, ehrlichen Vater viel quästioniren? Setz dich dorthin auf deinen Schemel -- nun, wird's? und jetzt laß mich einmal fragen, du Vagabund, du schlechter Kerl, du ehrevergessener Sohn! Meinst du, weil ich um zehn Pfunde weniger wiege und meine Haare mit Asche besudelt sind, seit du in die weite Welt gezogen bist, ich hätte dich nicht erzeugt? wie? bin ich keines Briefes werth? Schweig! red mir nicht! schweig, sag' ich! Ein Blick von einem jungen Mädel, und vergessen ist Vater und Mutter und Alles!

Martin wollte reden, aber sein Vater stieß die Pfanne mit wohlriechenden, gebackenen Forellen vor ihn hin und rief: Stopf dir damit 's Maul -- du -- du -- du -- er konnte nicht ausreden, die Thränen liefen ihm über die dürren Backen, und er umhals'te seinen verblüfften Sohn recht inniglich, streichelte ihn mit der einen Hand und wischte sich mit der andern die Thränen ab, hieß seinen Martin immer essen, immer zugreifen und ließ ihn selber nicht dazu kommen, bis Martin sagte: Ihr seid ja recht närrisch vor Freude, Vater! -- Der Alte ließ ab, und Martin verzehrte die Fische mit großem Appetit.

Als die Forellen fast mit den Gräten verzehrt waren, wischte sich Martin den Mund und fragte: Na,

Ihr mich denn so lange klopfen, Vater, und wer hat mir denn eigentlich aufgemacht? — Schuster Ignaz stellte sich zornig. Fragen! Fragen! lauter Fragen! Er meint wohl, weil er Gefreiter ist, er kann da seinen alten, ehrlichen Vater viel quästioniren? Setz dich dorthin auf deinen Schemel — nun, wird's? und jetzt laß mich einmal fragen, du Vagabund, du schlechter Kerl, du ehrevergessener Sohn! Meinst du, weil ich um zehn Pfunde weniger wiege und meine Haare mit Asche besudelt sind, seit du in die weite Welt gezogen bist, ich hätte dich nicht erzeugt? wie? bin ich keines Briefes werth? Schweig! red mir nicht! schweig, sag' ich! Ein Blick von einem jungen Mädel, und vergessen ist Vater und Mutter und Alles!

Martin wollte reden, aber sein Vater stieß die Pfanne mit wohlriechenden, gebackenen Forellen vor ihn hin und rief: Stopf dir damit 's Maul — du — du — du — er konnte nicht ausreden, die Thränen liefen ihm über die dürren Backen, und er umhals'te seinen verblüfften Sohn recht inniglich, streichelte ihn mit der einen Hand und wischte sich mit der andern die Thränen ab, hieß seinen Martin immer essen, immer zugreifen und ließ ihn selber nicht dazu kommen, bis Martin sagte: Ihr seid ja recht närrisch vor Freude, Vater! — Der Alte ließ ab, und Martin verzehrte die Fische mit großem Appetit.

Als die Forellen fast mit den Gräten verzehrt waren, wischte sich Martin den Mund und fragte: Na,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0029"/>
Ihr mich denn so lange klopfen, Vater, und wer hat mir denn eigentlich      aufgemacht? &#x2014; Schuster Ignaz stellte sich zornig. Fragen! Fragen! lauter Fragen! Er meint wohl,      weil er Gefreiter ist, er kann da seinen alten, ehrlichen Vater viel quästioniren? Setz dich      dorthin auf deinen Schemel &#x2014; nun, wird's? und jetzt laß mich einmal fragen, du Vagabund, du      schlechter Kerl, du ehrevergessener Sohn! Meinst du, weil ich um zehn Pfunde weniger wiege und      meine Haare mit Asche besudelt sind, seit du in die weite Welt gezogen bist, ich hätte dich      nicht erzeugt? wie? bin ich keines Briefes werth? Schweig! red mir nicht! schweig, sag' ich!      Ein Blick von einem jungen Mädel, und vergessen ist Vater und Mutter und Alles!</p><lb/>
        <p>Martin wollte reden, aber sein Vater stieß die Pfanne mit wohlriechenden, gebackenen Forellen      vor ihn hin und rief: Stopf dir damit 's Maul &#x2014; du &#x2014; du &#x2014; du &#x2014; er konnte nicht ausreden, die      Thränen liefen ihm über die dürren Backen, und er umhals'te seinen verblüfften Sohn recht      inniglich, streichelte ihn mit der einen Hand und wischte sich mit der andern die Thränen ab,      hieß seinen Martin immer essen, immer zugreifen und ließ ihn selber nicht dazu kommen, bis      Martin sagte: Ihr seid ja recht närrisch vor Freude, Vater! &#x2014; Der Alte ließ ab, und Martin      verzehrte die Fische mit großem Appetit.</p><lb/>
        <p>Als die Forellen fast mit den Gräten verzehrt waren, wischte sich Martin den Mund und fragte:        Na,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0029] Ihr mich denn so lange klopfen, Vater, und wer hat mir denn eigentlich aufgemacht? — Schuster Ignaz stellte sich zornig. Fragen! Fragen! lauter Fragen! Er meint wohl, weil er Gefreiter ist, er kann da seinen alten, ehrlichen Vater viel quästioniren? Setz dich dorthin auf deinen Schemel — nun, wird's? und jetzt laß mich einmal fragen, du Vagabund, du schlechter Kerl, du ehrevergessener Sohn! Meinst du, weil ich um zehn Pfunde weniger wiege und meine Haare mit Asche besudelt sind, seit du in die weite Welt gezogen bist, ich hätte dich nicht erzeugt? wie? bin ich keines Briefes werth? Schweig! red mir nicht! schweig, sag' ich! Ein Blick von einem jungen Mädel, und vergessen ist Vater und Mutter und Alles! Martin wollte reden, aber sein Vater stieß die Pfanne mit wohlriechenden, gebackenen Forellen vor ihn hin und rief: Stopf dir damit 's Maul — du — du — du — er konnte nicht ausreden, die Thränen liefen ihm über die dürren Backen, und er umhals'te seinen verblüfften Sohn recht inniglich, streichelte ihn mit der einen Hand und wischte sich mit der andern die Thränen ab, hieß seinen Martin immer essen, immer zugreifen und ließ ihn selber nicht dazu kommen, bis Martin sagte: Ihr seid ja recht närrisch vor Freude, Vater! — Der Alte ließ ab, und Martin verzehrte die Fische mit großem Appetit. Als die Forellen fast mit den Gräten verzehrt waren, wischte sich Martin den Mund und fragte: Na,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/29
Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/29>, abgerufen am 24.11.2024.